Mehr rassistische Vorfälle gegen Muslime dokumentiert

Die Dokumentations- und Beratungsstelle Islamfeindlichkeit & antimuslimischer Rassismus hat im Jahr 2018 deutlich mehr antimuslimische Vorfälle dokumentiert als im Vorjahr. Die Zahl ist um fast 74 Prozent gestiegen.

540 Vorfälle wurden einem am Dienstag veröffentlichten Bericht zufolge 2018 registriert. 2017 belief sich diese Zahl auf 309. Die Dokumentationsstelle zeichnet antimuslimischen Rassismus sowohl im täglichen Leben, als auch im Internet auf. Es werden verschiedene Arten von Rassismus unterschieden: Hassverbrechen, Verhetzung (Hate Speech), Diskriminierung, verbale Angriffe, Beschmierung (halb-) öffentlicher Plätze und die an Institutionen gerichtete Islamfeindlichkeit.

Die Dokustelle veröffentlichte bereits zum vierten Mal ihren Report. Die Steigerung der gemeldeten Fälle erklären sich die Verantwortlichen auch mit dem mittlerweile höheren Bekanntheitsgrad ihrer Organisation und der Zusammenarbeit mit der Organisation ZARA - Zivilcourage & Anti-Rassismus-Arbeit.

Vor allem Verhetzung im Internet

Den größten Teil machten im Vorjahr Verhetzung bzw. Hate Speech aus (46 Prozent). Darauf folgten die Kategorien „Beschmierungen“ mit 17 Prozent und „verbale Angriffe“ mit 14 Prozent. Beide wurden im (halb-) öffentlichen Raum begangen - etwa auf der Straße, in Parks oder Geschäften, sagte Elif Adam von der Dokumentationsstelle bei der Pressekonferenz am Dienstag. Mit antimuslimischen Äußerungen, wie beispielsweise „F..k Islam“, „Kopftuchverbot“ oder „Moslems Raus“ wurden Werbeflächen, Wohnhausanlagen oder Bildungs- und Vereinseinrichtungen beschmiert.

Sendungshinweis

Religion aktuell, 2.4.2019, 18.55 Uhr, Ö1.

Viele Sprüche würden eine ähnliche Handschrift aufweisen und seien mit derselben Farbe geschrieben worden, was vermuten lasse, dass es sich um Wiederholungstäterinnen und -Täter handle. Besorgniserregend seien die antimuslimischen Hassbeschmierungen in den WC-Anlagen im AK Campus der Universität Wien, so der Bericht. Insgesamt seien im Jahr 2018 in absoluter Häufigkeit mehr Diskriminierungsfälle und weniger Islamfeindlichkeit an Institutionen aufgezeichnet worden.

Pressekonferenz zum Antimuslimischen Rassismusbericht 2018

Dokumentations- und Beratungsstelle antimuslimischer Rassismus

Die Dokumentationsstelle registrierte für 2018 540 antimuslimische Vorfälle in Österreich

Die meisten antimuslimischen Taten wurden im Internet begangen (53 Prozent). 31 Prozent der Fälle wurden im öffentlichen Raum verzeichnet. In Wien wurden die meisten Fälle verzeichnet, gefolgt von Niederösterreich und Steiermark. Frauen waren von antimuslimischen Übergriffen am meisten betroffen, sie machten 83 Prozent der Opfer aus.

Wirksamkeit politischer Reden

Die Dokustelle macht in ihrem Bericht auch auf die Wirkung politischer Sprache aufmerksam und belegt die Vermischung von Islam mit Islamismus in manchen politischen Kommentaren. „Wir beobachten an den politischen Reden eine undifferenzierte Nutzung der Begriffe „Islam“ und „Islamismus“ (als auch „islamisch“ und „islamistisch“) bzw. die Vermengung dieser zwei Begriffe stattfindet. Die Geläufigkeit der undifferenzierten Nutzung bzw. das Unwissen des Unterschieds dieser zwei Begriffe – eines eine extremistische Ideologie und das zweite eine Bezeichnung der Religion – begegnen wir nicht nur im Alltagsrassismus wieder, sondern auch in offiziellen Briefen“, so die Dokumentationsstelle.

In bestimmten Monaten wurden auch Spitzen bei den Meldungen registriert. Etwa im Jänner, als rassistische Kommentare ein muslimisches Neujahrsbaby betrafen. Im März wiederum wurden etwa mehrere Studien zu Muslimen veröffentlicht, was ebenfalls einen Anstieg von Hass-Kommentaren erklären könnte. Eine weitere Steigerung gab es im November, als die FPÖ ein Video zur E-Card mit rassistischen Stereotypen veröffentlichte.

Rückgang in Deutschland

In Deutschland sei die Zahl der antimuslimischen Angriffe in Deutschland im vergangenen Jahr leicht zurückgegangen, berichtete AFP am Dienstag. Im Jahr 2018 seien bundesweit 813 Übergriffe gegen Muslime und Moscheen registriert worden - nach 950 solcher Delikte im Vorjahr, heißt es in einer am Dienstag bekannt gewordenen Antwort des deutschen Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion. Die Zahl der Verletzten sei allerdings deutlich gestiegen - von 32 auf 54.

Die Art der erfassten Delikte reichte laut Innenministerium von Körperverletzungen über Beleidigungen, Nötigungen, Volksverhetzung, Sachbeschädigungen, Hausfriedensbruch bis hin zum Verwenden von Nazi-Symbolen. Das Innenministerium rechnet noch mit Nachmeldungen für die Statistik, weswegen die Zahlen für 2018 noch steigen können.

„Nur die Spitze des Eisbergs“

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke, die die Anfrage gestellt hatte, warnte vor den „Konsequenzen fanatischen Hasses gegen Muslime“. Die in der Statistik enthaltenen Straftaten seien nur „die Spitze des Eisbergs“, da viele alltägliche Übergriffe und Diskriminierungen gar nicht erst erfasst würden. Der Boden in Deutschland sei „für schwere islamfeindliche Gewalttaten sehr fruchtbar“, warnte sie.

Die „Neue Osnabrücker Zeitung“ hatte als erste über die Regierungsantwort berichtet. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, forderte gegenüber der Zeitung die Einsetzung eines Beauftragten gegen Muslimfeindlichkeit. „Ein solcher Beauftragter von Bund und Ländern ist notwendiger denn je, weil es eine latent antimuslimische Stimmung in Deutschland gibt“, sagte Mazyek der „NOZ“ vom Dienstag.

Als Grund für den Rückgang der Straftaten sieht Mazyek die sinkende Zahl muslimischer Flüchtlinge, die inzwischen nach Deutschland kommen: „Das Sichtbarwerden muslimischer Flüchtlinge ist weniger geworden und damit auch die Gewalt gegen sie“, sagte er.

gold, religion.ORF.at/AFP/APA

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