Jüdischer Weltkongress beklagt Antisemitismus

Die Wiederkehr des Antisemitismus hat der Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC), Ronald Lauder, am Donnerstagabend bei der Eröffnung des „Festivals der Religionen“ im itaienischen Florenz beklagt.

Lauder erinnerte daran, dass unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg niemand etwas mit den faschistischen und nationalsozialistischen Regimen und Bewegungen zu tun haben wollte. Wörtlich führte der Präsident des Jüdischen Weltkongresses in seiner Rede über „die Freiheit als Fundament der Identität“ in der bekannten Basilika von San Miniato al Monte weiter aus: „Heute, 75 Jahre später, sind die Antisemiten zurückgekehrt. Der Grund ist, dass die Erinnerung verblasst ist, dass nicht ausreichend aufgezeigt wurde, was in der Zeit der Gewaltherrschaft geschehen ist.“

Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC), Ronald Lauder

APA/AFP/Tobias Schwarz

Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC), Ronald Lauder

Antisemitismus sei „tatsächlich eine Frage der Ignoranz, der einzige Weg, um ihn aufzuhalten, ist die Erziehung der neuen Generationen“, betonte der WJC-Präsident laut einem Bericht der katholischen Nachrichtenagentur SIR: „Es reicht aber nicht, in den Schulen an einem einzigen Tag im Jahr an jene schrecklichen Ereignisse zu erinnern. Wir müssen mehr tun.“

Verweis auf Ermordung von Christen

Lauder verwies auf die Verbindungslinien in das heutige Geschehen, die notwendige Abwehr aller Formen von Diskriminierung: „Reden wir über die Ermordung von Christen im Nahen Osten, in Afrika oder jetzt zuletzt in Sri Lanka. Den Leuten ist nicht bewusst, was geschieht, man informiert sich nicht ausreichend, wieder geht es um die Frage der Ignoranz. Wir sind heute frei, aber es gibt Millionen Menschen in der Welt, die nicht unsere Freiheit haben. Das dürfen wir nie vergessen.“

Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses erinnerte an das Wort des Friedensnobelpreisträgers Elie Wiesel (1928-2016), wonach das Gegenteil der Liebe nicht der Hass, sondern die Gleichgültigkeit ist. Diese Gleichgültigkeit sei das große Übel der heutigen Gesellschaft.

Prominente Redner bei „Festival der Religionen“

Beim bis Sonntag dauernden „Festival der Religionen“ referierte am Freitag der Gründer der Gemeinschaft von Bose, Fr. Enzo Bianchi, über „Die Zeit des Gebets“. Der Philosoph Sergio Givone behandelte das Verhältnis von „Kronos und Kairos“. Am Abend wollten die Teilnehmenden des Festivals mit Benediktinern und Mönchen der Gemeinschaft von Jerusalem, die in Florenz eine Niederlassung haben, in der Krypta von San Miniato al Monte beten.

Am Samstag geht es um „die Zeit des Glaubens in der Gesellschaft von heute“. Der Abt der Olivetaner-Abtei von San Miniato al Monte, P. Bernardo Gianni - er leitete heuer auch die traditionellen Fastenerxerzitien für Papst Franziskus und leitende Vatikanmitarbeiter -, und Francesca Campana Comparini, die Gründerin und Organisatorin des „Festivals der Religionen“, führen in das Thema ein.

Kardinalstaatssekretär dabei

Der Bürgermeister von Florenz, Dario Nardella, kommt ebenso zu Wort wie der vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und der oberste Katholikos-Patriarch aller Armenier Karekin II. Am Nachmittag spricht der venezianische Philosoph Massimo Cacciari über die Auffassung der Zeit bei Kierkegaard. Am Abend feiert Kardinal Parolin in San Miniato al Monte einen feierlichen Gottesdienst.

Am Sonntag behandeln der Florentiner Rabbiner Amedeo Spagnoletto und der Mailänder Imam Yahya Pallavicini das Konzept der Zeit im Judentum und im Islam. Der praktische Arzt Pietro Bartolo aus Lampedusa stellt aus der Erfahrung seiner Heimatinsel die Frage, ob heute „die Zeit der Aufnahme“ (für Migranten und Flüchtlinge) sei oder nicht.

Viertes „Festival der Religionen“

Das „Festival der Religionen“ findet heuer nach 2017, 2015 und 2014 zum vierten Mal stattfindet. In den vergangenen Jahren waren u. a. der koptisch-orthodoxe Papst-Patriarch Tawadros und der Dalai Lama zu Gast in Florenz. Das Festival wurde von Francesca Campana Comparini begründet. Die 31-jährige Mutter zweier Kinder hat Philosophie studiert, ihre Dissertation behandelte das Thema „Griechische Tragik und christliche Tragik beim Heiligen Augustinus“.

Sie ist Autorin des Buches „Nimm und lies. Das Denken des Okzidents zwischen Vernunft und Wahnsinn“. Der Heilige Augustinus ist ihr spiritueller und intellektueller Bezugspunkt, in besonderer Weise ist sie mit den Franziskanern der Florentiner Basilika Santa Croce und den Olivetaner-Benediktinern von San Miniato al Monte verbunden.

2010 begann Comparini, im Rahmen der Laienkurse der Basilika Santa Croce kulturelle Begegnungen zu organisieren. Zugleich veröffentlichte sie einen aufsehenerregenden Artikel in der Florentiner Tageszeitung „La Nazione“ über den städtischen Verfall in der toskanischen Hauptstadt und über die Verantwortung jedes einzelnen Bürgers für die Überwindung dieser Situation. 2013 begründete sie die Kulturvereinigung „Ort der Begegnung“, die auch Trägerin des „Festivals der Religionen“ ist.

religion.ORF.at/KAP

Link: