Kritik und Lob für neue Normen bei Missbrauchsfällen

Kritik und Lob gibt es für die am Donnerstag veröffentlichten neuen, weltweit gültigen kirchenrechtlichen Normen von Papst Franziskus zum innerkirchlichen Vorgehen bei Fällen von sexuellem Missbrauch.

Die Initiative „Wir sind Kirche“ in Deutschland würdigte das Dokument. „Was der Papst nun zum Umgang mit Missbrauch in der Kirche verkündet hat, ist plausibel, konkret und notwendig“, sagte Sprecher Christian Weisner der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitag-Ausgabe). Zugleich betonte Weisner, derartige Regeln zum Umgang mit Missbrauch seien lange überfällig gewesen: „Wenn das Schreiben direkt am Ende des Anti-Missbrauchsgipfels im Februar veröffentlicht worden wäre, wäre der Erfolg des Gipfels sofort sichtbar geworden.“

Das internationale Netzwerk von Missbrauchsopfern „Ending Clergy Abuse“ (ECA) äußerte sich hingegen kritisch. Das neue Gesetz bringe „offenbar keine wesentlichen oder bedeutenden Änderungen“ und immer noch zu wenige Konsequenzen für Bischöfe, die Missbrauch vertuschen, hieß es in einer am Donnerstagabend veröffentlichten Erklärung.

Kritik: Keine Meldepflicht gegenüber Zivilbehörden

Konkret bemängelt der Verband drei Punkte: Es gebe erstens weiterhin keine Meldepflicht für sexuellen Missbrauch durch Priester und Bischöfe gegenüber den Zivilbehörden. Zweitens bleibe der Prozess der Meldung, Untersuchung und Feststellung eines Falls weiter geheim und unter vollständiger Kontrolle des Ortsbischofs. Und drittens fehle immer noch ein echtes „Null-Toleranz-Gesetz“ gegen sexuellen Missbrauch in der Kirche. Dieses müsse eindeutig festlegen, dass jeder Priester, der zu irgendeinem Zeitpunkt auch nur einen sexuellen Missbrauch begangen habe, für immer vom Priesteramt ausgeschlossen werde.

Auch dem Opferverband „Eckiger Tisch“ gehen die Regeln hingegen nicht weit genug. Sprecher Matthias Katsch bezeichnete im Radioprogramm SWR Aktuell das neue Gesetz zwar als guten Schritt. Es fehle aber die verbindliche Vorgabe, dass Fälle sexuellen Missbrauchs an Behörden gemeldet werden müssten.

Lob von deutschen Bischöfen

Für die Deutsche Bischofskonferenz begrüßte deren Missbrauchsbeauftragter Stephan Ackermann die neuen Regelungen. Unter anderem lobte der Trierer Bischof, dass die neuen Normen weiter gingen als bisherige Straftatbestände des kirchlichen Rechts - sowohl bei den Beschuldigten als auch beim Blick auf die Opfer.

Papst Franziskus hat die Kirchenrechtsnormen im Kampf gegen den sexuellen Missbrauch durch Geistliche drastisch verschärft. Das am Donnerstag veröffentlichte kirchliche Gesetz sieht neue Verfahrensweisen für die Strafanzeige vor und führt eine weltweite Anzeigepflicht ein.

Erstmals regelt es die Untersuchung gegen Bischöfe, die Ermittlungen vertuscht oder verschleppt haben. Zudem müssen alle Diözesen bis spätestens Juni 2020 ein leicht zugängliches Meldesystem für Anzeigen einrichten. Das „Motu Proprio“ trägt den Titel „Vos estis lux mundi“ (Ihr seid das Licht der Welt). Die neuen Normen gelten zunächst für drei Jahre und treten am 1. Juni in Kraft.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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