Rabbiner sehen Europawahl als Schicksalswahl

Der Präsident der Europäischen Rabbiner-Konferenz (CER), Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, hat vor einem Rückzug der Juden aus Europa gewarnt. „Die Lage in Europa wird schwieriger für die jüdische Gemeinde“, sagte er in einem Interview der Deutschen Welle.

Europa vergesse seine eigene Geschichte, insbesondere die Brutalität der beiden Weltkriege. Er sehe die in zwei Wochen anstehende Europawahl als Schicksalswahl. „Eine Stärkung jener Kräfte, die nicht an die Zukunft des gemeinsamen Europas glauben“, wäre nach Einschätzung Goldschmidts „eine große Gefahr für Europa selber wie auch für die jüdischen Gemeinden Europas“.

Angriffe auf Minderheiten in Gebetshäusern

Angesichts der jüngsten blutigen Anschläge auf jüdische, muslimische und christliche Gebetshäuser forderte der CER-Präsident alle Regierungen auf, mehr für die Sicherheit der Einrichtungen zu tun und Gemeinden zu schützen.

Denn heute sei es „ein Trend, Gebetshäuser anzugreifen“. Wenn man eine religiöse Minderheit angreifen wolle, „geht man in ein Gebetshaus, weil es dort eine Konzentration dieser Minderheit gibt“.

„Mit braunen Hemden und wie mit SS-Uniformen“

Unter Verweis auf wachsenden Rechtsextremismus in Europa sagte Goldschmidt, heute marschierten wieder - in Deutschland, in Österreich, in Ungarn - extreme Rechte, „mit braunen Hemden und wie mit SS-Uniformen“.

Darüber hinaus beklagte er wachsende Einschränkungen jüdischen Lebens durch neue Gesetze. Diese richteten sich gegen die Beschneidung von Jungen und gegen das religiöse Schlachten. „Generell sehen wir viel weniger Geduld und Willen von Seiten Europas, die Freiheit der Religion zu wahren und auch die Sicherheit der jüdischen Gemeinde zu gewährleisten“, beklagte er.

Treffen im belgischen Antwerpen

Von Montag bis Mittwoch treffen sich rund 350 jüdische Geistliche aus allen Teilen des Kontinents im belgischen Antwerpen zu ihrer 31. Generalversammlung. Goldschmidt erläuterte, die europäischen Rabbiner träfen sich bewusst in Antwerpen, weil die Politik in zwei belgischen Regionen, „im Zentrum Europas“, das Schlachten von Tieren nach dem jüdischen Religionsrecht (das sogenannte Schächten) „einfach verboten“ habe.

Auf der Tagung werden am Dienstag auch die Antisemitismusbeauftragte der EU-Kommission, Katharina von Schnurbein, der Antisemitismus-Beauftragte der US-Regierung, Elan Carr, und der Beauftragte der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit, Markus Grübel, erwartet. Der in Zürich geborene Goldschmidt (55) ist seit 1993 Oberrabbiner von Moskau.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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