Berufungsverfahren gegen Kardinal Pell gestartet

Vor einem Gericht in Melbourne hat am Mittwoch das Berufungsverfahren gegen den australischen Kardinal George Pell begonnen.

Der ehemalige Finanzchef des Vatikans war im März wegen sexuellen Missbrauchs von zwei Chorknaben von einem Geschworenengericht zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Seither sitzt er im Gefängnis. Mit der Berufung versucht er nun, einen Freispruch zu erreichen. Pell weist seit jeher alle Vorwürfe zurück.

Gerichtszeichnung von Kardinal George Pell

Reuters/Jeff Haynes Handout

Gerichtszeichnung von Kardinal George Pell bei seinem Auftritt vor dem Supreme Court in Melbourne

Der 77-Jährige erschien zu dem Verfahren vor dem Supreme Court des australischen Bundesstaats Victoria persönlich. Sein Verteidiger Bret Walker sagte vor den drei Richtern, Pell sei zu Unrecht schuldig gesprochen worden.

Missbrauch „physisch unmöglich“

Der ehemalige Erzbischof von Melbourne hätte in der dortigen St.-Patrick’s-Kathedrale niemals die beiden Buben sexuell missbrauchen können, ohne aufzufallen. Zudem sei das auch wegen seines Bischofsgewands „physisch unmöglich“ gewesen.

Im Gegensatz zum Strafverfahren gegen Pell ist das Berufungsverfahren medienöffentlich und wird auf der Internetseite des Berufungsgerichts live übertragen. Die Kamera ist auf die drei Richter gerichtet, während Pell sowie Journalisten und Zuschauer im Saal nicht zu sehen sind. Pell habe äußerlich ruhig und gesundheitlich fit gewirkt, berichteten Gerichtsreporter am Mittwoch (Ortszeit).

Kardinal sagte nicht aus

Pells Verteidiger Walker trug dem Gericht drei Gründe für die Berufung vor. Zentraler Punkt ist der Vorwurf, dass der ehemalige Finanzchef des Vatikan lediglich aufgrund von Aussagen eines der Opfer schuldig gesprochen worden war. Die Aussage fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und ist nur den unmittelbaren Prozessbeteiligten bekannt. Pell selbst hatte auf Anraten seiner Verteidiger in dem Strafverfahren nicht ausgesagt. In seiner Argumentation vor Gericht sagte der Anwalt, dass in dem Strafverfahren nicht das genaue Datum der Pell vorgeworfenen Taten habe geklärt werden können.

Das Berufungsverfahren soll am Donnerstag mit dem zweiten Sitzungstag zu Ende gehen. Die Richter werden nach Einschätzungen von Experten Wochen oder Monate brauchen, um zu einer Entscheidung zu gelangen. Gibt das Berufungsgericht dem ersten Berufungsgrund statt, würde die Verurteilung Pells aufgehoben. Sollte das Gericht den zweiten oder dritten Berufungsgrund, in denen es um Verfahrensfehler geht, akzeptieren, müsste ein neuer Prozess angesetzt werden. Seinen 78. Geburtstag am Samstag wird Pell auf jeden Fall im Gefängnis begehen.

Pell ist in der Geschichte der katholischen Kirche der ranghöchste Geistliche, der jemals wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen verurteilt wurde. Als Finanzchef war er praktisch die Nummer drei des Vatikans.

religion.ORF.at/dpa/KAP

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