Ethikunterricht für alle: Befürworter sehen neue Chance

Die Befürworter eines Ethikunterrichts für alle Schülerinnen und Schüler sehen nach dem Ende der ÖVP-FPÖ-Regierung eine neue Chance für ihr Anliegen. Die Regierung plante zwar die Einführung eines Ethikunterrichts, aber nur als Ersatz für den Religionsunterricht.

Die Einführung eines Ethikunterrichts nur für „Religionsverweigerer“ hätte vor allem Kinder zurück in den Religionsunterricht getrieben, argumentierte Eytan Reif von der Initiative Religion ist Privatsache bei einer Pressekonferenz am Donnerstag: „Mehr Religion ist aber nicht die Lösung.“

Bisher kein Gesetzesentwurf

Die ÖVP-FPÖ-Regierung wollte die Einführung eines Ethikunterrichts ab 2020 an AHS-Oberstufen und Polytechnischen Schulen bzw. ab 2021 an Berufsschulen und BMHS - allerdings nur für jene Kinder, die keinen Religionsunterricht besuchen. Das Vorhaben wurde zwar bereits im Ministerrat beschlossen, es gibt aber noch keinen Gesetzesentwurf.

Demgegenüber plädiert eine Initiative um Reif, Politiker von NEOS, JETZT sowie der SPÖ und SP-nahe Organisationen für einen Ethikunterricht für alle Kinder - am besten ab der ersten Schulstufe. „Wer eine Basis mit pädagogischen Mitteln schaffen will, muss früh beginnen“, so Reif. Mit einem Start erst in der Oberstufe erreiche man jene Kinder nicht, die nach der Schulpflicht bereits die Schule verlassen.

Wertevermittlung ausgelagert

Derzeit würde etwa an den Wiener Pflichtschulen bereits der Islam die dominierende Religion sein, so Reif - ohne verpflichtenden Ethikunterricht für alle würden diese Schüler Werte vor allem im Religionsunterricht vermittelt bekommen.

„Man darf bezweifeln, dass der Islam als primäre Wertevermittlungsquelle am besten dazu geeignet ist, Kinder aus einem anderen Kulturkreis bestens auf ein Leben in Österreich vorzubereiten“, meinte Reif. „Ich sage damit nicht, dass der islamische Religionsunterricht per se schlecht ist. Die Politik hat es aber versäumt, das Heft selbst in die Hand zu nehmen. Das Auslagern der Wertevermittlung an Religionsgemeinschaften ist verantwortungslos.“

Kritik an „doppeltem Spiel“ von ÖVP und FPÖ

Reif kritisierte zudem in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber religion.ORF.at, dass die Gegner eines Ethikunterrichtes für alle in der Regel jene seien, „die am liebsten täglich eine Kopftuchdebatte führen würden“. Eine konstruktive Politik sei aber „anstrengend, kostspielig und oft wesentlich schwerer durchzusetzen, als billige Polemik oder Maßnahmen, die Ende des Tages polarisieren bzw. desintegrieren“.

ÖVP und FPÖ würden hier ein doppeltes Spiel spielen, weil „eine staatlich kontrollierte, nichtdiskriminierende schulische Wertevermittlung“ verhindert würde, während „lauthals tatsächliche sowie erfundene Probleme, die mit einer multikulturellen Gesellschaft einhergehen“ thematisiert würden.

„Manipulation“ durch Direktoren befürchtet

Auch die ehemalige Wiener AHS-Direktorin Margarete Lemerhofer plädierte für einen Ethikunterricht für alle. An ihrer Schule habe sie sich gegen das von ÖVP und FPÖ angestrebte Modell entschieden, das derzeit schon in Schulversuchen erprobt wird.

In Österreich gebe es keine Religionspflicht: „Es kann nicht sein, dass Schüler verpflichtet werden, einen Unterricht als Ersatz für den Religionsunterricht zu besuchen.“ Dazu komme auch, dass die Aufteilung der Ethik- bzw. Religionsstunden „sehr manipulativ“ geschehen könne - je nach Einstellung des Direktors könne dieser "tricksen - also z.B. den Religionsunterricht in den Vormittag legen und die Ethikstunden in den Nachmittag.

Eigens ausgebildete Ethiklehrende gefordert

Der Klubobmann der Wiener NEOS, Christoph Wiederkehr, sowie SPÖ-Gemeinderat und Kinderfreunde-Vorsitzender Christian Oxonitsch hoben das Verbindende eines Ethikunterrichts für alle hervor. „Gemeinsame Wertevorstellungen sind in Ballungsräumen von besonderer Bedeutung - daher soll der Diskurs über die Wertevorstellungen möglichst inklusiv stattfinden“, so Oxonitsch.

Wiederkehr wiederum forderte eigens ausgebildete Pädagogen für einen Ethikunterricht - dies könne keine Aufgabe neben der Erteilung von Religionsunterricht sein.

akin, religion.ORF.at/APA

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