Missbrauchsexperte kritisiert Benedikt XVI.
Außerdem äußerte er Kritik an der Kinderbeichte in der katholischen Kirche. Die Äußerungen des emeritierten Papstes, nach denen der Missbrauch vor allem von außen in die katholische Kirche hineingetragen worden sei, seien nicht hilfreich und „jenseits aller wissenschaftlichen Erkenntnis“, sagte der Mannheimer Psychiater Harald Dreßing am Montag in einem Interview im Deutschlandfunk.
Wörtlich betonte er weiter: „Und diese Verlautbarungen, mit Verlaub gesagt, entsprechen ja nicht der Realität. Er hat ja auch gemeint, es habe etwas mit den 68ern zu tun. Also, wir haben unsere Studie ja ab 1946 gemacht. Und es gibt auch sehr, sehr viele Fälle, die in den 40er und 50er Jahren sich ereignet haben.“
Vielkritisierter Aufsatz
In einem Mitte April veröffentlichten Aufsatz hatte Benedikt XVI. eine „Erneuerung des Glaubens“ gefordert und als zentrale Ursache für Missbrauch Gottlosigkeit und eine Entfremdung vom Glauben genannt, die sich seit den 1960er Jahren auch in einer Abkehr von der katholischen Sexualmoral breitgemacht habe - mehr dazu in 68er und Homosexuelle: Benedikt XVI. über Missbrauch.
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Der Aufsatz sorgte für viel Aufsehen und Kritik. Mehrere Theologen wandten sich auch gegen die Aussage Benedikts, seit den 1960er Jahren habe sich ein „Zusammenbruch der katholischen Moraltheologie ereignet, der die Kirche wehrlos gegenüber den Vorgängen in der Gesellschaft machte“.
„Hohe Fallhöhe“ bei Kirche
Natürlich, so Dreßing, gebe es auch in anderen Institutionen Missbrauch, worauf der frühere Papst ebenfalls hingewiesen hatte. Allerdings schreibe die katholische Kirche den Gläubigen vor, was moralisch gut und schlecht sei, auch im sexuellen Bereich: „Wenn man von einer so hohen Fallhöhe kommt, verbietet es sich, mit dem Finger auf andere zu zeigen.“
Dreßing verwies in dem Interview auch auf „spezifische Risikokonstellationen“ für Missbrauch in der katholischen Kirche. Dazu gehöre eine „völlig veraltete und modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht entsprechende Sexualmoral, auch die Einstellung zu Homosexualität“.
Umgang mit Beichte oft problematisch
Oft problematisch, so der Psychiater, sei außerdem der Umgang mit der Beichte, die laut Erkenntnissen aus der Studie auch „genutzt wurde, um Kinder auszuspähen sozusagen. Wer kommt als Opfer infrage? Der Beichtstuhl war teilweise Tatort und die Beschuldigten haben teilweise ihre Taten da gebeichtet, haben Absolution bekommen und weitergemacht.“
Aus psychiatrisch-psychologischer Sicht seien zudem Kinder in dem Alter, in dem sie beichten sollen, „überhaupt nicht in der Lage, entwicklungspsychologisch eine solche Schuld zu beichten, wie das von ihnen gefordert wird. Die Kinderbeichte als solche müsste man, wenn man die Entwicklungspsychologie zugrunde legt, eigentlich abschaffen.“
Darüber hinaus wiederholte Dreßing seine Kritik an den deutschen Bischöfen. Diese hätten keine gemeinsame Strategie bei der Aufarbeitung des Missbrauchs.
religion.ORF.at/KAP/KNA
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