Eritreas abgesetzter Patriarch exkommuniziert

Fünf dem Diktator Isayas Afewerki ergebene Bischöfe der eritreisch-orthodoxen Kirche haben den schon seit zwölf Jahren für abgesetzt erklärten Patriarchen Antonios als Irrlehrer exkommuniziert.

Damit soll Antonios vor allem in der eritreischen Diaspora abgewertet werden, wo er weiter über starken Rückhalt verfügt, wie die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) am Dienstag laut Kathpress berichtete.

Anlass für das Vorgehen gegen Antonios war offenbar eine Videobotschaft, die das rechtmäßige Kirchenoberhaupt im April aus seinem Hausarrest schmuggeln konnte. Der lange Leidensweg von Antonios und seiner Kirche unter dem „glaubensfeindlichen“ Regime von Asmara geht damit einem neuen Höhepunkt entgegen. Erwartungen, dass sich die jüngste Aussöhnung Äthiopiens mit Eritrea mäßigend auf dessen aggressive Religionspolitik auswirken könnte, hätten sich nicht erfüllt, so die KNA.

Herrscher betrieb Abspaltung

Seit Eritreas Unabhängigkeit von Addis Abeba 1993 steht der in Peking geschulte Afewerki (73) als Alleinherrscher an der Staatsspitze. In kirchlichen Angelegenheiten war sein erstes Anliegen, die orthodoxen Christen des Landes von ihrer äthiopischen Mutterkirche abzuspalten. Das hatten schon die Italiener während ihrer Kolonialherrschaft im frühen 20. Jahrhundert versucht.

Afewerki wandte sich an die Kopten in Ägypten, die den Äthiopiern nicht verziehen, dass sie sich 1950 aus einer fast 1.000-jährigen kirchlichen Abhängigkeit von Alexandria bzw. Kairo gelöst hatten. Der damalige koptisch-orthodoxe Papst-Patriarch Shenuda III. nutzte die ihm gebotene Gelegenheit, wenigstens in Eritrea wieder Einfluss zu gewinnen. Er weihte in den 1990er-Jahren Bischöfe für die dortige Orthodoxie - und etablierte schließlich eine neue, autokephale Eritreische Orthodoxe Kirche.

Andere Religionsgemeinschaften verboten

Afewerki wiederum verbot 2003 alle Religionsgemeinschaften mit Ausnahme der eritreischen Orthodoxie, der Lutheraner sowie der katholischen Kirche des römischen und eritreischen Ritus. Damals begann die bis heute anhaltende Verfolgung aller evangelischen Freikirchen sowie einer großen spirituellen Aufbruchsbewegung in der Orthodoxie.

Dem Regime, das auf die Kirche nur als Werkzeug zur Bespitzelung und politischen Beeinflussung ihrer Gläubigen Wert legte, kam dieser innere geistliche Aufbruch ungelegen. Der 2004 als „Mann Afiwerkis“ eingesetzte Patriarch Antonios Debretsion sollte gegen die Kirchenerneuerer vorgehen.

Gewaltsam aus Amt entfernt

Als er das schließlich doch verweigerte, wurde er 2006 gewaltsam aus dem Amt entfernt und verschleppt. Zwei Priester raubten ihm seine Insignien als Patriarch. Einer von beiden, Evstathios, soll sich heute in Deutschland aufhalten. Als neuer Patriarch des Regimes wurde Dioskoros Mendefera eingesetzt. Als er 2015 starb, ließ Asmara überhaupt keine Neuwahl mehr zu: Bischof Lukas Gebrehiwet von Gasch-Barka wurde zum Leitenden Generalsekretär bestellt.

Er war es auch, der 2017 beschwichtigend eine Delegation des Weltkirchenrates (ÖRK) empfing und das bis heute einzige Auftreten des abgesetzten Antonios in der Öffentlichkeit inszenierte: Dieser durfte am 16. Juli erstmals nach Jahren wieder einen Gottesdienst in seiner Kathedrale in Asmara feiern, dabei aber weder predigen noch mit jemandem sprechen. Dann verschwand er wieder in der Versenkung. Dennoch bleibt Antonios in Eritrea unvergessen und erst recht in der Diaspora. Im Ausland leben inzwischen mehr als 20 Prozent der fünf Millionen Eritreer; die meisten von ihnen sind Christen.

„Staatsfluchtsteuer“

Zunächst hielten es die meisten von ihnen mit dem alten Patriarchen, dann wurden gezielt eritreische Auslandsvertretungen auf den Plan gerufen. Beim Eintreiben der in die Heimat zu entrichtenden „Staatsfluchtsteuer“ und mit Drohungen gegen zurückgebliebene Verwandte zwangen sie ihre Landsleute in regimetreue Gemeinden, für die linientreue Geistliche entsandt wurden. Dennoch gelang es den Behörden von Asmara nicht, die Antonios-Anhänger entscheidend zurückzudrängen.

Zuletzt überschlugen sich dann die Ereignisse: Im April gelang es Antonios, seine Videobotschaft nach außen zu senden. Er machte darin auf seine beschwerliche und demütigende Haft im Dienstbotenzimmer von Bischof Lukas aufmerksam, beklagte seine angegriffene Gesundheit ohne Pflege und Medikamente, gab schonungslosen Einblick in die Lage seiner Kirche unter „einem grausamen Tyrannen und verräterischen Klerikern“.

Bruderschaft verschleppt

Am Morgen des 13. Juni tauchten Geheimpolizisten im Felsenkloster Bizen östlich von Asmara auf und verschleppten fast die gesamte Bruderschaft. Die Mönche hatten bis zuletzt Antonios beim Gebet als rechtmäßiges Kirchenoberhaupt erwähnt, vor Pilgern und in der Umgebung für die Befreiung des Patriarchen gebetet.

Dieser wurde nun von einer „Synode“ aus fünf regimetreuen Bischöfen als Ketzer verurteilt, in den Laienstand zurückversetzt und aus der Kirche ausgestoßen. Als Begründung wurden „protestantisierende Neigungen“ angeführt. Er habe die Kirche zu einer „Versammlung von Häretikern“ gemacht: „Sein Name soll nie mehr genannt und erwähnt werden.“ Beobachter der Lage in Eritrea und der Diaspora rechnen allerdings damit, dass dieses Vorgehen erst recht den Patriarchen und sein Schicksal ökumenisch ins Bewusstsein rufen wird.

religion.ORF.at/APA/KAP/KNA