Religiöse unerwünscht: Wenn Diskriminierung legal ist

Darf ein Vermieter Menschen wegen ihrer Religion oder Weltanschauung ablehnen? Das Gleichbehandlungsgesetz, das Menschen vor Diskriminierung schützen soll, verbietet das nicht. Kritik daran übt seit langem die Gleichbehandlungsanwaltschaft.

Ein Gedankenspiel: Eine Frau mit Wurzeln in der Türkei wird als Bewerberin für eine Wohnung abgelehnt. Als Grund gibt der Makler an, dass die Muslimin ein islamisches Kopftuch trägt. Die Betroffene kann sich dagegen rechtlich nicht zur Wehr setzen, denn das Gesetz gibt dem Vermieter recht.

Nun ein anderes Szenario: Dieselbe Frau wird vom Makler mit dem Grund abgewiesen, dass der Vermieter nicht an türkische Migrantinnen und Migranten vermieten will. Das gilt vor dem Gesetz aber als unzulässige Diskriminierung. Die Frau kann also rechtlich dagegen vorgehen. Schwer durchschaubar und für Betroffene zudem oft bitter sind die 2004 nach EU-rechtlichen Vorgaben eingeführten Regelungen.

Schutz „unzureichend“

Niemanden darf wegen des Geschlechts oder der ethnischen Herkunft der Zugang zu Dienstleistungen und Gütern verweigert werden, dazu gehört auch der Zugang zu Wohnraum, erklärte die Wiener Gleichbehandlungsanwältin Ines Grabner-Drews im Gespräch mit religion.ORF.at. Das ist im Gleichbehandlungsgesetz geregelt. Nicht erfasst und daher nicht verboten sind aber Diskriminierungen, die aufgrund der Religionszugehörigkeit bzw. Weltanschauung, der sexuellen Orientierung oder des Alters der Betroffenen erfolgen.

Eine muslimische Frau darf wegen ihrer Religion als Mieterin also abgelehnt werden. Wer sie aber wegen ihrer Herkunft diskriminiert, verstößt gegen das Gesetz. Genauso wie ein orthodoxer Jude, ein Atheist, oder eine evangelische Familie der Zugang zu gewissen Dienstleistungen verwehrt werden kann, sind homosexuelle Paare oder alte Menschen nicht davor geschützt, dass ihnen gewisse Güter verweigert, sie als Mieter abgelehnt werden. Grabner-Drews kritisiert, dass der Schutz des Gleichbehandlungsgesetzes in diesem Bereich „sehr unzureichend gegeben“ ist.

EIne junge Frau mit Kopftuch auf den Zuschauerbänken im Parlament

APA/dpa/Oliver Berg

Das Gleichbehandlungsgesetz schützt nicht alle Betroffene gleich

Unterschiedliche Kompetenzen

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft fordere daher „regelmäßig und seit Jahren einen Ausbau und Angleichung des Schutzniveaus für alle Diskriminierungsgründe“. Einen einheitlichen Diskriminierungsschutz gibt es in Österreich nicht. So ist laut Gleichbehandlungsgesetz etwa beim Zugang zum Arbeitsmarkt Diskriminierung aufgrund von Religion, Weltanschauung, sexueller Orientierung und Alter sehr wohl verboten - anders als beim Zugang zu Dienstleistungen.

Es gibt also bereits innerhalb des Gleichhandlungsgesetzes verschiedene Regelungen, welche Gruppe in welchen Fällen von Diskriminierung geschützt ist und welche nicht. Zudem gibt es nicht nur ein Gesetz auf Bundesebene, sondern auch neun Landes-Gleichbehandlungs- bzw. Landes-Antidiskriminierungsgesetze. Letztere decken mittlerweile auch beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen im Land (etwa zu Kindergärten) alle Diskriminierungsgründe ab. Die Gesetze wurden im Laufe der Zeit novelliert und auf ein einheitliches Niveau gebracht, sagte Gleichbehandlungsanwältin Grabner-Drews. Aber nicht auf Bundesebene.

Ablehnung wegen „islamischen Kulturkreises“

Für Wirbel sorgte vor wenigen Monaten der Fall einer aus Palästina stammenden muslimischen Familie, die im niederösterreichischen Weikendorf ein Haus kaufen wollte. Da die Interessenten nicht die österreichische Staatsbürgerschaft haben, muss die Grundverkehrskommission dem Kauf einer Liegenschaft zustimmen, die Gemeinde hat ein Mitspracherecht. Das zugrundeliegende Ausländergrundverkehrsgesetz ist Landessache.

Antidiskriminierungsstellen

Für Betroffene von Diskriminierung gibt es unterschiedliche Stellen. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft hilft diskriminierten Menschen dabei, ihr Recht auf Gleichbehandlung durchzusetzen. Die Grundlage ist das Gleichbehandlungsgesetz.

Zusätzlich gibt es in jedem Bundesland eine bei der Landesregierung angesiedelte Antidiskriminierungsstelle, die Betroffene berät. Die Grundlage sind die Landes-Gleichbehandlungs- bzw. Landes-Antidiskriminierungsgesetz

Der Bürgermeister der Gemeinde, Johann Zimmermann (ÖVP) lehnte die Familie mit Berufung auf die vermeintliche Unterschiedlichkeit des „islamischen Kulturkreises“ ab. Die Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sagte auf den Fall angesprochen, die Religionszugehörigkeit dürfe kein Ausschlussgrund sein.

Mietrecht ist Bundessache

Es kann davon ausgegangen werden, dass der Schutz des niederösterreichischen Landes-Antidiskriminierungsgesetz hier greifen würde. Hilfestellung würde in so einem Fall allerdings nicht die Gleichbehandlungsanwaltschaft, sondern die Antidiskriminierungsstelle des Landes Niederösterreich leisten.

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die Familie das Haus erwerben darf, wenngleich der Bürgermeister Rechtsmittel ankündigte. Wollte dieselbe Familie im selben Ort eine Wohnung mieten, sähe die Sache anders aus. Denn Mietrecht ist Bundesssache und demnach käme das bundesweite Gleichbehandlungsgesetz zu tragen, das Angehörige von Religionsgemeinschaften in diesem Fall eben nicht schützt, wie die Gleichbehandlungsanwältin Grabner-Drews erklärte.

Grundrechte „prallen aufeinander“

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft fordert seit Jahren die Ausweitung des Gleichbehandlungsgesetzes. Die Versuche das Gesetz zu ändern, scheiterten bisher am „politischen Willen“. Es habe mehrmals Versuche gegeben, mehr Gerechtigkeit für Betroffene zu schaffen, „die Novelle war schon auf der Ministerats-Tagesordnung drauf“, sagte Grabner-Drews. Umgesetzt wurde sie aber nie. Ein umfassenderer Diskriminierungsschutz würde andere Schwierigkeiten mit sich bringen, wie in der Politik befürchtet wurde: „Es gab die Sorge, dass dann zum Beispiel christliche Hoteliers homosexuelle Paare behergeben müssen.“

Das Recht auf freie Religionsausübung würde dann dem Recht, wegen seiner sexuellen Orientierung nicht diskriminiert zu werden, entgegenstehen - „da prallen Grundrechte aneinander“. In den USA sind Fälle bekannt, in denen strenggläubige christliche Unternehmer Homosexuellen Dienstleistungen verwehrten und dafür gerichtlich belangt wurden. Die Thematik sorgt dort immer wieder für kontroverse Diskussionen. Fakt ist, dass das Gleichbehandlungsgesetz in Österreich trotz seiner Lücken den „europarechtlichen Mindeststandard“ erfüllt, sagte Grabner-Drews zu religion.ORF.at. Österreich sei damit den Verpflichtungen nachgekommen. Doch mittlerweile hätten mehr als die Hälfte der EU-Länder den Diskriminierungsschutz ausgeweitet. Österreich, meint Grabner-Drews, sollte nachziehen.

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

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