Hilfsorganisationen: Helfer immer öfter gefährdet

Caritas International sieht eine wachsende Gefährdung humanitärer Helfer. Weltweit wurden im Vorjahr 399 Helfer entführt, verletzt oder getötet. Auch die Hilfsorganisation „Care“ meldete die erhöhte Gefahr für Helfer.

Das sind laut einer Statistik 86 Gewaltopfer mehr als 2017, wie das katholische Katastrophenhilfswerk am Donnerstag anlässlich des Welttages der Humanitären Hilfe am 19. August mitteilte. Nach Angaben von Care sind seit Jahresbeginn bereits 57 Helfer bei ihrer Arbeit getötet worden. Allein 18 von ihnen starben bei Hilfseinsätzen in Syrien.

Syrien ist zum dritten Mal in Folge für humanitäre Helfer der „tödlichste Ort der Welt“. Afghanistan, Jemen, die Zentralafrikanische Republik und die Demokratische Republik Kongo zählten ebenfalls zu den gefährlichsten Ländern für die Arbeit von Hilfsorganisationen. Die Zahlen ermittelte Care den Angaben zufolge aus dem Projekt „Aid Worker Security Database“.

Frauen und Einheimische besonders gefährdet

Vor allem einheimisches Personal werde immer öfter zur Zielscheibe von Gewalt, so Care unter Verweis auf einen neuen Bericht der Organisation „Humanitarian Outcomes“. Frauen seien besonders gefährdet, demnach wurden in den vergangenen zehn Jahren 359 Nothelferinnen im Einsatz getötet. Für Frauen bestehe außerdem ein „ungleich höheres Risiko“ für sexualisierte Gewalt.

Ein Helfer der Hilfsorganisation Menschen für Menschen verteilt Lebensmittel

APA/Menschen für Menschen

Einheimische Helferinnen und Helfer sind besonders gefährdet

Der Trend gefährde die Hilfe für notleidende Menschen, sagte Oliver Müller, der Leiter von Caritas international. Humanitäre Grundsätze würden von Kriegsparteien immer weniger respektiert. Eine Reihe von Gewalttaten folgten einer politischen oder ideologischen Agenda. In anderen Fällen wolle man sich unliebsamer Augenzeugen entledigen oder verspreche sich von Entführungen ein Geschäft, erklärte Müller die Hintergründe.

Schweifer: Österreich hat „keine Kolonialgeschichte“

Über die österreichische Caritas im Bereich der internationalen Hilfe zieht der scheidende Caritas-Auslandshilfe-Chef Christoph Schweifer eine gemischte Bilanz. Der Jahrzehnte langen Unterdotierung der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit (EZA) zum Trotz genieße Österreich im Bereich der internationalen Hilfe „einen sehr guten Ruf“, sagte er im Interview in der „Kleinen Zeitung“ (Freitagausgabe).

Begründen lasse sich das mit der hohen Qualität der Arbeit, dem Engagement in der UNO und der Tatsache, dass Österreich „keine imperialen Interessen“ habe - auch im historischen Kontext. „Wir haben keine Kolonialgeschichte“, wies Schweifer hin. „Wenn wir da sind, dann nur, weil wir ehrliche Makler für das Interesse der Menschen vor Ort sind.“

Caritas Auslandshilfechef Christoph Schweifer

APA/Helmut Fohringer

Christoph Schweifer

Christoph Schweifer verlässt Ende August nach 25 Jahren auf eigenen Wunsch die Caritas. Sein Nachfolger als Generalsekretär für Internationale Programme in der Caritas Österreich wird der frühere UNICEF-Mitarbeiter Andreas Knapp.

Verbesserungen in den letzten 25 Jahren

In den 25 Jahren seiner Tätigkeit bei der größten Hilfsorganisation Österreichs habe sich trotz weiterhin bestehender Probleme global gesehen vieles zum Besseren verändert, blickte Schweifer auf „eine Erfolgsgeschichte“ zurück. Anfang der 1990er-Jahre hätten noch 1,2 Milliarden Menschen gehungert, heute trotz hohem Bevölkerungswachstum 820 Millionen. Auch seien noch nie so viele Kinder in die Schule gegangen, die Kindersterblichkeit habe sich deutlich reduziert.

Eine Folge des gestiegenen Bildungsniveaus nach den Worten Schweifers: Es gebe in nahezu allen Ländern einheimische Fachleute. „Menschen für eine Expertise aus Europa einfliegen zu lassen, ist heute die absolute Ausnahme.“ Heute herrsche Zusammenarbeit auf Augenhöhe vor, während vor 25 Jahren noch von „beispielhaft helfen“ die Rede gewesen sei: „Aus guten Projekten werden andere lernen und dann wird sich daraus etwas entwickeln“, erläuterte der EZA-Experte die damalige Sichtweise. „Das hat sich geändert.“

Klimakrise überall zu spüren

Es sei allerdings beunruhigend, dass in den vergangenen zwei Jahren die Zahl der hungernden Menschen erstmals seit Jahren wieder angestiegen ist. Das hat nach den Worten Schweifers viel mit der Klimakrise zu tun, die mittlerweile auf allen Kontinenten eine Rolle spiele. In Nepal sorgten verschobene Regenzeiten dafür, dass Kleinbauern von ihren bisherigen Anbauweise abrücken müssen, in Nordkenia gebe es statt einer großen Dürren pro Generation nun alle fünf bis sechs Jahre eine Katastrophe. „Die Auswirkungen des Klimawandels sind weltweit zu spüren und für die Kleinbauern ist die Klimakrise eine tödliche Bedrohung“, warnte Schweifer.

In Österreich und anderswo steige - ausgelöst durch die Migrationsbewegungen und die Klimakrise - das Bewusstsein der Menschen, „dass wir voneinander abhängig sind und dass es Auswirkungen hat, wenn es Menschen anderswo schlecht geht“. Dieses Bewusstsein habe sich aber noch nicht im Handeln der politisch Verantwortlichen niedergeschlagen, bedauerte der
Caritas-Auslandshilfe-Chef. Der zu geringe Anteil der Entwicklungshilfe am Staatshaushalt sei „schon immer problematisch“ gewesen, „egal wie die Regierung zusammengesetzt war“.

Entwicklungshilfe ist Investment in Stabilität

Es sei „nie gelungen - dies ist vielleicht ein Resümee der 25 Jahre -, eine Bundesregierung davon zu überzeugen, dass es auch im österreichischen Interesse ist, wenn es über mehr Engagement in Afrika und Asien auch mehr Sicherheit und Stabilität in der Welt gibt“, sagte Schweifer. Seine Überzeugung: Finanzierung von humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit sei auch ein Investment in die Stabilität Europas.

Die Caritas-Auslandshilfe betreibt 513 Projekte in 55 Ländern in Afrika, Asien, Lateinamerika und den ärmsten Staaten Europas und leistet sowohl rasche Nothilfe als auch langfristige Existenzsicherung.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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