Worum es bei der Amazonien-Synode wirklich geht

Rund einen Monat vor Beginn der Amazonien-Synode im Vatikan wird viel über brisante Themen gesprochen: Fällt der Zölibat, bekommen Frauen in der Kirche eine größere Rolle? Im Zentrum der Synode stehen aber vorrangig die Themen Umwelt- und Lebensschutz für Indigene.

Im Amazonas-Gebiet stellen Abholzung und Abbau von Bodenschätzen laut Mauricio Lopez, Generalsekretär von REPAM, einem kirchlichen Netzwerk, die größte Bedrohung dar. Sie schlagen sich massiv auf den Klimawandel nieder. Bei der Amazonien-Synode im Vatikan im Oktober, deren Titel „Neue Wege für die Kirche und für eine ganzheitliche Ökologie“ lautet, ist daher Umweltschutz ein großes Thema, wie auch im Lehrschreiben von Papst Franziskus zu Umweltfragen – „Laudato Si.“

Amazonas-Netzwerk

REPAM („Red Eclesial Pan-Amazonica“) ist ein kirchliches Netzwerk, das sich für den Schutz des Amazonas-Regenwaldes und seiner Bewohnerinnen und Bewohner einsetzt. Es wurde 2014 gegründet.

Um zu diesem Thema so viel Input wie möglich zu bekommen, gab es für die Synode, die vom 6. – 27. Oktober im Vatikan stattfindet, einen intensiven Vorbereitungsprozess, bei dem erstmals eng mit Indigenen zusammengearbeitet wurde. REPAM errichtete 260 Standpunkte im ganzen Amazonas-Raum, an denen die Anliegen von dort ansässigen Menschen gehört und notiert wurden. Zusätzlich gab es auch 60 gebietsübergreifende Versammlungen, zwischen 30 und 50 thematische Foren und circa 170 Gruppendiskussionen.

Boote und Ufer beim Amazonas in Peru

CIDSE/REPAM/Ana Palacios

Der Amazonas ist für die indigene Bevölkerung Teil ihres Lebens. Im Bild: Peru

„Wir haben ihre Ideen, ihre Hoffnungen, aber auch ihre Hilferufe und ihr Leiden gesammelt und für den Papst aufbereitet, weil er uns darum gebeten hat“, sagte Lopez im Interview mit Ö1. In Peru etwa verschmutzt Erdölförderung den Amazonas, während in Kolumbien Überfischung und Austrocknungserscheinungen des Flusses besonders große Probleme sind. Lopez erwartet von den Teilnehmenden der Synode, dass sie den Indigenen Gehör schenken.

Aktivistin: Gesetze werden nicht eingehalten

Indigene Ethnien sind die ursprüngliche Bevölkerung dieser Gebiete. Im brasilianischen Teil des Amazonas-Raums gibt es rund 160 indigene Gemeinschaften. Sie schaffen es bereits seit Jahren eine kompetente und nachhaltige Pflege und Bewirtschaftung der Ökosysteme im Amazonas-Gebiet zu betreiben. Ihre Lebensräume geraten jedoch durch Abholzung in große Gefahr. Schon heute gibt es ein Drittel weniger indigene Gemeinschaften als zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Anitalia Pijache

CIDSE/REPAM/Ana Palacios

Laut der Menschenrechtsaktivistin Anitalia Pijache werden die bestehenden Gesetze zum Schutz der Territorien nicht eingehalten

Die indigene Menschrechtsaktivistin Anitalia Pijache wies auf die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis beim Erhalt von Lebensräumen hin: In Kolumbien seien Territorien der Indigenen eigentlich durch Gesetze geschützt und es gebe auch internationale Regelungen, die ihnen diese zugestehen und garantieren. „Aber in der Praxis werden die Gesetze einfach nicht eingehalten.“ So gibt es ein Recht, das besagt, dass in den Gebieten der Indigenen keine Bodenschätze abgebaut werden dürfen. Eingehalten wird das laut Pijache aber ebenfalls nicht.

Zum Studieren in die Stadt

Da die Lebensräume der Indigenen vermehrt bedroht sind, kommen sie in manchen Gegenden in die umliegenden Städte, um dort zu studieren und sich eine neue Zukunft aufzubauen. Dort werden sie mit einer neuen Realität konfrontiert, was zu Anfang oft nicht leicht sei, so Marta Barral Nieto, eine katholische Missionarin in Atalaia do Norte in Brasilien.

Nicht nur müssen die Indigenen auf einmal lernen, mit Geld umzugehen, sondern sich auch an das schulische System anpassen. Um ihnen bei letzterem zu helfen, gebe es in Atalaia do Norte spezielle kleine Klassen für Indigene, um ihr Portugiesisch zu verbessern, so Barral Nieto. Später versuchen sie und ihre Kolleginnen, die Familien in ihren Häusern zu besuchen, um ihre Lebensumstände kennenzulernen.

Eine Maloka, ein ein spirituelles Zentrum in Kolumbien, in dem Rituale zur Heilung und Unterweisungen in der Tradition durchgeführt werden

ORF/Brigitte Krautgartner

In einer Maloka, einem spirituellen Zentrum in Kolumbien, werden Rituale, Heilungszeremonien und Unterweisungen in der Tradition durchgeführt

Damit ein friedliches Zusammenleben möglich ist, plädiert Barral Nieto dafür, dass die Menschen vermehrt miteinander zu tun haben müssen: „Wenn die Indigenen entscheiden, dass sie hier für mehrere Jahre studieren wollen, dann müssen sie gleichzeitig Bürger und Indigene sein. Und ich denke, das ist möglich. Die Leute in der Stadt müssen ihre Kultur, ihr System und ihre Rechte respektieren. Umgekehrt müssen die Indigenen auch ein wenig lernen, wie die Dinge in der Stadt funktionieren, und sich an diese Realität anpassen.“

Ohne Frauen keine Kirche

Ein Punkt, der ebenfalls bei der Synode besprochen werden soll, ist die Rolle der Frauen in der katholischen Kirche. Hauptthema soll es aber nicht sein. Für Lopez ist die Lage klar: „Es gäbe im Amazonas-Gebiet ohne Frauen keine kirchliche Mission.“ Da es dort viele Orte gibt, die schwer erreichbar sind, sind Missionarinnen oft die einzigen Ansprechpersonen für indigene Ethnien. Von der Synode erhofft sich Lopez, dass eben diese Wichtigkeit von Frauen anerkannt und hervorgehoben wird. Sonst sei die Zukunft der katholischen Kirche bedroht.

Mauricio Lopez

CIDSE/REPAM/Ana Palacios

Mauricio Lopez arbeitet eng mit der indigenen Bevölkerung zusammen, um deren Lebensraum zu erhalten

Bereits jetzt verliert die katholische Kirche im Amazonas-Gebiet laut Lopez Mitglieder an andere Konfessionen, wie zum Beispiel an evangelikale Christen. Grund dafür seien auch die doktrinären Einschränkungen, die es Frauen nicht erlauben, offizielle Ämter in der katholischen Kirche zu übernehmen.

Auch Barral Nieto übte scharfe Kritik an dieser Praxis: Sie habe schon an vielen Orten gearbeitet und überall sei es gleich abgelaufen: Frauen wären die Stütze der Gesellschaft sowie der Kirche gewesen, aber hätten keine führende Rolle übernehmen können. „Es ist nicht normal, dass in einer Gruppe von 20 Frauen und zwei oder drei Männern ein Mann der Anführer ist“, kritisierte sie.

Spiritualität als Zentrum der Zusammenarbeit

Zusammenarbeit mit Indigenen ist auch für Lopez der Schlüssel zum Erfolg, wenn es um Bewahrung ihrer Lebensräume geht. „Wir müssen verstehen, dass wir einander ergänzen, und es um die Zukunft dieser Communities geht“, sagte er. In der Zusammenarbeit ist für Lopez besonders die Spiritualität das Herzstück. Diese verbinde alle miteinander, so Lopez. Er orientiert sich an dem Zitat des französischen Jesuitenpaters, Philosophen und Anthropologen Pierre Teilhard de Chardin, der sagte: „Wir sind keine menschlichen Wesen mit einer spirituellen, sondern spirituelle Wesen mit einer menschlichen Erfahrung."

Regenwaldbäume mit Himmel

ORF/Brigitte Krautgartner

Die indigene Bevölkerung erntet nur soviel, dass die Tiere auch noch genug Nahrung finden

Im Amazonas-Gebiet sehe man die Verbindung aller Dinge miteinander, wenn Natur, Kultur und Lebensweisen aufeinandertreffen und über Jahrhunderte hinweg erhalten bleiben. Es herrscht zum Beispiel eine große Verbundenheit mit dem Fluss: Manche der Indigenen haben die Vorstellung, dass Verstorbene auf dem Grund des Amazonas ein neues Leben beginnen.

Die Verbundenheit erstreckt sich aber auch auf Tiere und Pflanzen. In ihrem Lebensraum wird nur so viel geerntet, dass die Tiere noch ausreichend Nahrung finden. Außerdem werden trächtige Tiere nicht gejagt, um den natürlichen Prozess der Reproduktion nicht zu stören. Generell wird die Erde nicht ausgebeutet, da sich solch ein Verhalten gegen die göttliche Schöpfung stellen würde und indigenen Überlieferungen zufolge bestraft wird.

Katharina Strnadl, für religion.ORF.at

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