Kritik an Ethikunterricht als Ersatz für Religion

Die Übergangsregierung arbeitet an der Umsetzung des noch von der ÖVP-FPÖ-Regierung geplanten Ethikunterrichts für jene, die keinen Religionsunterricht besuchen. Der Nationalrat hat die Einführung aber noch nicht beschlossen - und an dem Modell gibt es Kritik.

Seit April sammeln die Initiatoren der Plattform „Ethik für alle“ Unterstützungserklärungen für ein Ethikvolksbegehren, doch in den Sommerferien war es ruhig um die Initiative geworden. Pünktlich zum Schulbeginn im Osten Österreichs meldeten sich die Initiatorinnen und Initiatoren aber wieder mit ihrer Forderung nach einem Ethikunterricht als Pflichtfach für alle Schülerinnen und Schüler von der ersten Schulstufe bis zur Matura zu Wort.

In einer Aussendung kritisierten sie am Montag, dass das Bildungsministerium daran arbeitet, dass der Ethikunterricht nächstes Schuljahr - in der von der Vorgängerregierung geplanten Form - an AHS-Oberstufen und Polytechnischen Schulen umgesetzt wird.

Ethik soll Religionsunterricht „retten“

Im Gespräch mit religion.ORF.at übte Eytan Reif von der Plattform für „Ethik für alle“ erneut Kritik an der „Fortführung türkiser Projekte“ im Bildungsbereich. Nach 22 Jahren des Schulversuchs soll zwar ein verpflichtender Ethikunterricht kommen, aber ausschließlich für die, die nicht in einen konfessionellen Religionsunterricht gehen.

Wenn es nach Reif geht, sollten Schüler, die einen Religionsunterricht besuchen, aber nicht vom Ethikunterricht ausgeschlossen werden. Die flächendeckende Einführung eines Ethikunterrichts sei jahrelang „von der ÖVP blockiert worden“, doch jetzt solle unter dem „Deckmantel der Dringlichkeit“, so Reif, ein diskriminierendes Modell „schnell durchgepeitscht“ werden.

Schüler in eienr AHS-Klasse

APA/Herbert Pfarrhofer

Der Ethikunterricht soll kommen - umstritten ist, in welcher Form

Reif, auch Vorstandsmitglied von Religion ist Privatsache, sieht darin den Versuch von Politik und Kirchen, den „Religionsunterricht zu retten“, also „Abmeldungen zu verhindern“. Statt einer Freistunde müssen vom Religionsunterricht abgemeldete Schülerinnen und Schüler dann den Ethikunterricht besuchen.

Ethik müsse, so fordern es die Initiatoren von „Ethik für alle“ ein Pflichtfach für alle werden, konfessioneller Religionsunterricht dürfe nicht mit Ethikunterricht gleichgestellt werden. Die Werteerziehung zahlreicher Schüler solle nicht den Religionen „überlassen“ werden, sagte Reif.

Noch nicht genügend Unterstützer

Das Volksbegehren solle die Bevölkerung informieren, warum ein Ethikunterricht in dieser Form - jedenfalls aus der Sicht der Initiatoren - problematisch wäre. Nach 22 Jahren Schulversuch sei die Bevölkerung bereits abgestumpft und viele Menschen schon damit zufrieden, dass endlich „der Schulversuch ins Regelschulwerk übergeführt wird“.

Das Interesse an einem Ethikunterricht für alle dürften die Initiatoren des Volksbegehrens aber überschätzt haben. Das Ziel, die erforderlichen 8.401 Unterstützungserklärungen für die Einleitung eines Volksbegehrens noch vor den Sommerferien zu erreichen, wurde verfehlt. Und auch nach fünf Monaten ist die Hürde noch nicht geschafft. „Wir liegen bei knapp 6.500 Unterstützungserklärungen“, sagte Reif auf Anfrage von religion.ORF.at. Die notwendigen Erklärungen werde man aber bald haben, zeigte sich Reif überzeugt.

Beschlussfassung „in der Schwebe“

Das Bildungsministerium „geht davon aus, dass das Unterrichtsfach Ethik wie geplant ab 2020/21 eingeführt wird“, wie ein Sprecher des Ministeriums gegenüber religion.ORF.at erklärte. Die erforderlichen Schritte würden gesetzt: Es werde am Lehrplan weiter gearbeitet, und „die notwendigen legistischen Änderungen werden vom Ressort vorbereitet“, hieß es.

Ein Beschluss des Unterrichtsfaches im Parlament sei jedoch noch notwendig. Die Frage, ob die Übergangsregierung dem Nationalrat diesbezüglich eine Regierungsanfrage vorlegen werde, blieb ohne konkrete Antwort. Die Beschlussfassung liege „noch in der Schwebe“. Auch der ÖVP-Parlamentsklub wollte sich auf Anfrage von religion.ORF.at nicht festlegen, ob er einen Initiativantrag zur Einführung des Ethikunterrichts stellen werde. Man wolle ihn aber auf jeden Fall „umgesetzt sehen“. Die Forderung ist auch einer der bereits bekannten Punkte aus dem Bereich Schule und Religion im Wahlprogramm der ÖVP.

"Ethik für ALLE"-Volksbegehren

APA/Georg Hochmuth

vlnr.: Thomas Bulant (Bundesvorsitzender SLÖ), Lisz Hirn (Philosophin), Peter Kampits (Philosoph), Eytan Reif (Initiative Religion ist Privatsache), Heinz Mayer (Verfassungsjurist) und Anton Bucher (Religionspädagoge) wollen Ethik für alle

Einstige Opposition will Ethik für alle

Die einstigen Oppositionsparteien hatten sich von dem Plan der damaligen ÖVP-FPÖ-Regierung nicht begeistert gezeigt. Die SPÖ, NEOS und die Liste JETZT präferieren einen verpflichtenden Ethikunterricht für alle. Auch die Grünen sind dafür.

Die Vorbereitungen für das von ÖVP und FPÖ angedachte Modell laufen jedenfalls weiter: An den Pädagogischen Hochschulen (PH) startet im Herbst ein einjähriger Ethik-Lehrgang für Lehrerinnen und Lehrer. Dass auch Religionslehrer Ethik unterrichten dürfen, sehen die Initiatoren der Plattform „Ethik-für-alle“ sehr kritisch. Zu den Unterstützern der Plattform zählen etwa der Religionspädagoge Anton Bucher, Verfassungsjurist Heinz Mayer, die ehemalige AHS-Direktorin Heidi Schrodt sowie Politiker von SPÖ, NEOS und Grünen.

Kirche begrüßt geplantes Modell

Kirchliche Organisationen, Religionspädagogen und Theologen haben sich positiv darüber geäußert, dass sich in Zukunft alle Schülerinnen und Schüler in der Schule mit ethischen Fragestellungen auseinandersetzen. Im Religionsunterricht würde dies bereits passieren.

Die römisch-katholische Österreichische Bischofskonferenz hatte in einer Erklärung zum Abschluss´ihrer Frühjahrsvollversammlung festgehalten, die Vermittlung ethischer Bildung gehöre zu den Kernaufgaben der Schule. Für viele Schüler werde dieser Auftrag im Religionsunterricht erfüllt, „weil er immer schon ethische Fragen behandelt, ohne sich darin zu erschöpfen“. Der geplante Ethikunterricht sei besonders in Hinblick auf die zunehmend größer werdende Gruppe der Schülerinnen und Schüler ohne religiöses Bekenntnis „sinnvoll und notwendig“.

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

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