„Kirchenrebell“ Adolf Holl gestorben

Der Autor, Theologe und ehemalige katholische Priester Adolf Holl ist tot. Er starb Donnerstagfrüh im Alter von 89 Jahren. Holl war über Jahrzehnte eine der Speerspitzen der Kirchenkritik in Österreich, schrieb zahlreiche Bücher und war nie um deutliche Worte verlegen.

Holl sei „ein Weiser, nicht weil er Gott geschaut hat, sondern weil er die Menschen kennt, in ihrem Stolz und in ihrem Elend, in ihrer Sehnsucht nach Sinn in einer sinnlosen Welt“, sagte der Philosoph Rudolf Burger in seiner Laudatio auf den Theologen bei der Vergabe des Österreichischen Staatspreises für Kulturpublizistik im Jahr 2003.

Vom damaligen Kulturstaatssekretär Franz Morak wurde er als „eine unbestechliche, unkorrumpierbare Instanz unseres Geisteslebens“ gewürdigt. „Die Schublade, in die der Adolf Holl passen würde, ist noch nicht erfunden.“

Adolf Holl

APA/Robert Jäger

Adolf Holl im Jahr 1998

Holl wurde am 13. Mai 1930 in Wien geboren, wo er Theologie und Philosophie studierte. Von 1954 bis 1973 war er Kaplan und Religionslehrer in der Wiener Pfarre Neulerchenfeld, ab 1963 Dozent an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

Von Kardinal König suspendiert

Ein Geständnis in einer Fernsehsendung, den Zölibat gebrochen zu haben, brachte die Wende für Holl. „Eigentlich müssten Sie eine neue Kirche gründen“: Mit diesen Worten suspendierte Kardinal Franz König 1976 ein dreiviertel Jahr später den unbotmäßigen Seelsorger vom Priesteramt – eine Aufforderung, der Holl 2009 augenzwinkernd mit seinem Buch „Wie gründe ich eine Religion“ nachkam.

TV-Hinweise

ORF2 zeigt „Orientierung - Ein Kirchenrebell ist tot: Nachruf auf den Theologen Adolf Holl“ am Sontag um 12.30 Uhr, „Was ich glaube: Adolf Holl – Wie ist das mit dem Zweifel?“ am Sonntag um 15.55 Uhr und „Kreuz und quer: Adolf Holl – Wünsche können nicht irren“ am Dienstag um 22.30 Uhr.

Bereits drei Jahre vor der Suspendierung vom Priesteramt war Holl die kirchliche Lehrbefugnis wegen „schwerer Irrtümer gegen die katholische Lehre“ entzogen worden. Er stieß kirchliche Würdenträger und manchen kirchentreuen Katholiken mit seiner Auslegung der Bibel vor den Kopf, was ihm den Titel „Kirchenrebell“ einbrachte. Holl kritisierte unter anderem öffentlich den Papst.

Auch sein internationaler Bestseller „Jesus in schlechter Gesellschaft“, bei dem seine Lebensgefährtin, die Journalistin Inge Santner-Cyrus, half, rief den Kardinal auf den Plan. In dem Buch bezweifelte Holl die Göttlichkeit Jesu und stellte infrage, ob dieser eine von Klerikern geleitete, institutionalisierte Kirche gewollt habe. Den Umgang der Amtskirche mit neuen Ideen oder Kritik von außen empfand Holl zunehmend als „Mischung aus Selbstgefälligkeit, Heuchelei und Tatsachenblindheit“. Nach der Suspendierung erfand Holl sich neu: als Journalist und Autor.

Adolf Holl als Gastgeber des "Club 2"

ORF

Holl als Gastgeber der ORF-Diskussionssendung „Club 2“

Diskussionsleiter des „Club 2“

Insgesamt publizierte Holl über dreißig Bücher, darunter „Die linke Hand Gottes“, „Falls ich Papst werden sollte“ und „Der Fisch aus der Tiefe“, die in zwölf Sprachen übersetzt wurden. Zum 85. Geburtstag legte er mit „Braunau am Ganges“ eine philosophisch-grenzgängerische Reflexion über Hinduismus, das Böse an sich und Hitler im Speziellen vor. Mit dem Nationalsozialismus und Adolf Hitler beschäftigte sich Holl immer wieder intensiv. 2018 erschien die Biografie „Holl. Bilanz eines rebellischen Lebens“ von Harald Klauhs.

Holl im Interview

Adolf Holl im Interview in der Ö1-Sendung „Logos“ vom 7. August 2018

Programmänderungen in Ö1

Einer breiten Öffentlichkeit wurde Holl als origineller Diskussionsleiter des legendären „Club 2“ im ORF bekannt. Um starke Worte war der Theologe nie verlegen. In einem Interview mit dem ORF-„Report“ im Jahr 1999 sagte er etwa über den umstrittenen Bischof von St. Pölten, Kurt Krenn: „Ich verliere eine Wette, das ist ja mein Problem, weil ich hab gewettet, dass er bis zu Ostern weg ist, der Dicke aus St. Pölten. Und jetzt muss ich eine Flasche Champagner kaufen.“

Indem er freimütig auch über Tabus wie Priester, ihre Sexualität und das Brechen des Zölibats sprach, eckte Holl auch in dieser Frage an: „Religion ist verbotene Erotik“, sagte er einmal in Erinnerung an Beziehungen zu Frauen, die er noch als Priester unterhalten hatte, „erst wenn du das Verbot übertrittst, hast was gelernt“. Nachsatz: „Ab 40 bin ich dann ruhiger geworden.“

„Kapuzinergruftler“ und „Betonschädeln“

Über den konservativen Flügel der katholischen Kirche sagte Holl einmal: „Das sind nicht Konservative, sondern das sind Kapuzinergruftler, das sind Betonschädeln, das sind fünf Prozent der Praktizierenden, die sozusagen die Goschn offen haben.“

Adolf Holl

Privat

Holl war um starke Worte nie verlegen: "... das sind fünf Prozent der Praktizierenden, die sozusagen die Goschn offen haben"

Ungefähr im Alter von 14 Jahren sei er dem „lieben Jesus an die Angel gegangen“, sagte Holl in einem Gespräch mit der Ö1-Journalistin Renata Schmidtkunz zu seinem 85. Geburtstag. Er habe so wie der Priester die lateinischen Worte „hoc est enim corpus meum“ flüstern wollen, und „auf einmal ist aus einem Scheiberl Gott geworden. Das wollte ich auch zusammenbringen.“ Das Zweite Vatikanische Konzil sei für ihn „eine Zumutung“ gewesen - „weil’s das Lateinische abgeschafft haben“.

gril, religion.ORF.at/APA/KAP

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