Freistetter: Krise in Kärnten als Chance nützen

Bischof Werner Freistetter, Apostolischer Administrator der Diözese Gurk, appelliert an die Katholiken in Kärnten, die derzeitige Kirchenkrise als Chance für einen Neubeginn zu nützen.

Im Interview in der aktuellen Ausgabe der Kärntner Kirchenzeitung „Sonntag“ spricht Freistetter von einem sehr positiven Bild, dass er von der Kirche vor Ort gewonnen habe, freilich auch von Verunsicherung, Enttäuschung, Verbitterung und Ungeduld, die er wahrnehme. Er mahnt dazu, die Bewertung der Vorgänge Rom zu überlassen und ermutigt zu einem gesamtdiözesanen Gesprächsprozess und der Bereitschaft zur Versöhnung.

„In den Gesprächen habe ich gespürt, dass vielen Menschen die Kirche und der Glaube ein großes Anliegen sind. Ich habe schon das Gefühl, dass ein neuer Bischof hier gut anknüpfen und etwas Neues aufbauen kann. Auch wenn es zweifellos eine Krise gibt - eine Vertrauenskrise in die kirchliche Autorität“, so der Bischof wörtlich.

„Heiliger Stuhl hat letztes Wort“

Ihm sei wichtig festzuhalten, „dass eine Instanz, die etwas erhebt, nicht auch das Urteil fällen soll“. Das sei ein wichtiger Grundsatz in einem Rechtsstaat, so Freistetter: „Bei uns ist es der Heilige Stuhl, der das letzte Wort hat und Vorgänge bewertet. Ich denke, dass man gerade Papst Franziskus vertrauen kann, dass er sich die Dinge genau anschaut und ernsthaft beurteilt.“

Der apostolische Administrator Bischof Werner Freistetter

APA/Gert Eggenberger

Der apostolische Administrator Bischof Werner Freistetter

Er glaube allerdings nicht, dass sich die Situation in Kärnten nach der Entscheidung Roms, wie immer diese auch ausfällt, von selbst beruhigen wird, „denn die ganzen Vorgänge sind emotional sehr tief in die Menschen eingedrungen, haben sie sehr beschäftigt“.

Ein neuer Bischof müsste deshalb die Situation zunächst in ihrer gesamten Widersprüchlichkeit sehr unvoreingenommen wahrnehmen und mit den Menschen das Gespräch suchen. Freistetter sprach von einem „gesamtdiözesanen Gesprächsprozesses“. Dabei gehe es aber nicht darum, „schuldig oder frei zu sprechen“. Ein Ausgangspunkt sollte sein, „dass wir einfach fehlbare Menschen sind. Vielleicht könnte man auch einen Blick in die Heilige Schrift werfen, wie da mit Konflikten umgegangen wird. Das wäre sicher ein guter Leitfaden.“

Zweifel an völliger Aufklärung

Zur Frage, ob ein Gesprächsprozess ohne eine entsprechende Aufarbeitung gelingen kann, antwortete der Bischof wörtlich: „Ich frage mich, worin so eine Aufarbeitung bestehen soll? Die Menschen, mit denen ich gesprochen habe, sind sehr unterschiedlicher Meinung. Die einen sind schon mit einer Erklärung von Bischof Schwarz zufrieden. Anderen wäre das zu wenig.“ Er bezweifle auch, „dass alles vollkommen aufgeklärt werden kann“. Es sollten aber jedenfalls „die schwierigen Punkte in einer guten Weise benannt und aufgearbeitet werden. Nicht umsonst wird uns in der Heiligen Schrift immer wieder die Bereitschaft zum Verzeihen und zur Versöhnung empfohlen.“

Zum Einwand, ob es nicht vor einer Versöhnung ein Schuldbekenntnis brauche, meinte Freistetter: „Das ist schon richtig. Aber ein Schuldbekenntnis müssen wir doch alle sprechen. Ich meine natürlich nicht, dass etwas verschleiert werden soll. Aber moralische Urteile sind oft zu schnell gefällt. Manche Dinge sind nicht so klar, wie sie vielleicht auf den ersten Blick scheinen.“ Er wolle die Schwierigkeit dieser Fragen nicht relativieren, warne aber davor, „die Dinge zu leicht zu nehmen und zu rasch ein Urteil zu fällen“. Nachsatz: „Auch wenn ich weiß, dass viele ungeduldig sind.“

Beispielwirkung für ganz Österreich

Eine Krise beinhalte immer auch eine Chance, unterstrich der Administrator: „Wir sehen in dieser Krise mit all ihren schmerzlichen Aspekten immer nur eine Spirale abwärts. Wenn man sich aber an der Heiligen Schrift orientiert, ist es die Chance, sich grundlegende Fragen zum Umgang miteinander zu stellen - wie wir als Christen, Priester und Bischöfe unser Leben führen. Daraus Kraft zu finden für einen Neuanfang wäre die Chance.“

In seinen Gesprächen in Kärnten seien immer wieder Punkte aufgezählt worden die der gesamten Kirche heute Probleme bereiten. Insofern seien für ihn Begriffe wie „Causa Schwarz“ und „Fall Kärnten“ inhaltsleere Floskeln, so Freistetter.

„Die Gesellschaft stellt heute ganz besondere Anforderungen an unsere Glaubwürdigkeit. Wir brauchen daher eine Form des Handelns, der Auseinandersetzung in der Kirche, der Verwaltung und der Dienstleistung, die klar machen, dass wir den Auftrag Jesu erfüllen.“ Vor diesem Hintergrund habe die Kärntner Kirche eine große Chance, so der Bischof und weiter: „Ich stelle mir vor, dass daraus eine Beispielwirkung für die Kirche in ganz Österreich entstehen kann.“

religion.ORF.at/KAP

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