Aktivisten: Ethik bei Religionen „in schlechten Händen“

Die Initiatoren der „Ethik für alle“-Plattform haben sich am Montag einmal mehr dagegen ausgesprochen, Ethik nur als Ersatzfach für Religion einzuführen. Ethische Themen seien bei Religionsgemeinschaften „in schlechten Händen“.

Das seien etwa Themen wie Frauenrechte oder Bioethik, sagte der Sprecher der Mitinitator der „Ethik für alle“-Plattform und Sprecher der Initiative Religion ist Privatsache, Eytan Reif, am Montag vor Journalistinnen und Journalisten. Der Plan der Vorgängerregierung, ein Ersatzpflichtfach Ethik für Schüler einzuführen, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen, führe allerdings zu einer Stärkung von letzterem.

Wenn der Religionsunterricht noch stärker zur „primären Wertevermittlungsquelle“ in der Schule werde, müsse man sich darüber im Klaren sein, dass hier vor allem „vorgefertigte Antworten und nur Scheindiskussion“ aus dem Fundus der „in der Regel wenig demokratisch geführten“ Religionsgemeinschaften angeboten würden, so Reif bei einer Pressekonferenz in Wien.

Frauenrechte im islamischen Religionsunterricht

Es gebe zwar da und dort geringfügige Anpassungen von Standpunkten an die Lebensrealitäten des 21. Jahrhunderts. Letztendlich wäre es aber ein „Treppenwitz der Geschichte“, etwa bioethische Fragestellungen wie Standpunkte zur aktiven Sterbehilfe Vertretern der katholischen Kirche zu überlassen oder das Thema Frauenrechte mehr oder weniger exklusiv im islamischen Religionsunterricht behandeln zu lassen, so Reif.

Der von Ex-Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) vorgelegte Plan zum Ersatzpflichtfach Ethik ziele eindeutig auf die Attraktivierung des Religionsunterrichts ab. Es brauche aber vielmehr einen von den Glaubensgemeinschaften entkoppelten, verpflichtenden Ethikunterricht für alle, forderte Reif. Dem stimmte auch die frühere AHS-Direktorin Heidi Schrodt zu: „Ethik- und Religionsunterricht sind völlig verschiedene Dinge.“ Dass Religionslehrer Ethikunterricht halten, gehe nach ihrem Dafürhalten „gar nicht“. Daher sollte die „schlechte Lösung der Vorgängerregierung“ nicht umgesetzt werden, so Schrodt.

Bioethik „mit Religion nichts zu tun“

Fragen der Bioethik - also zum Umgang mit dem Leben an sich - stellten sich als „enorm komplexe Materie“ heraus, die sich zudem im Lauf der Zeit verändere, sagte die Wiener Mikrobiologin Renee Schroeder. „Das hat mit Religion gar nichts zu tun, sondern mit Wissenschaft“, so das frühere Mitglied der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt.

Im Ethikunterricht brauche es vor allem Wissen und Verbindungen zu anderen Fächern wie eben der Biologie, in der rasant neue Technologien entwickelt werden, die beträchtliche neue Herausforderungen und neue Fragen zum Menschsein selbst mit sich bringen.

Ethik „kein Allheilmittel, aber wichtig“

Ein Fortschreiten des „Backlash“ im Bezug auf tatsächlich gelebte Gleichberechtigung und Gleichbehandlung von Männern und Frauen befürchtete die Mitinitiatorin des Frauenvolksbegehrens, Lena Jäger. In den Glaubensgemeinschaften dominierten patriarchale Sichtweisen noch immer stark. Ein verpflichtender Ethikunterricht für alle sei kein Allheilmittel gegen gesellschaftliche Rückschritte, aber immerhin ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wichtig wäre, dass in dessen Rahmen „nicht offen religiös lebende Lehrer unterrichten“, so Jäger.

Dieser „notwendige“ Ethikunterricht sollte wichtige Themen ansprechen, die bisher an Schulen kaum Platz fänden, so die Bundesvorsitzende der SPÖ-nahen Aktion kritischer SchülerInnen (AKS), Noomi Anyanwu. An vielen Schulen sei etwa „Sexismus etwas ganz Normales“. Dies seien dann „keine Orte, an dem man Leben und Lernen kann“. Vielfach hätten vor allem Mädchen und junge Frauen niemanden, der ihnen zuhört. Die Religionsgemeinschaften seien hier eher nicht der richtige Ansprechpartner, zeigte sich Anyanwu überzeugt.

Katholische Kirche für geplantes Modell

Kirchliche Organisationen sehen das freilich anders. Auch Religionspädagogen und Theologen haben sich in der Vergangenheit positiv darüber geäußert, dass zukünftig alle Schülerinnen und Schüler in der Schule mit ethischen Fragestellungen auseinandersetzen. Im Religionsunterricht würde dies bereits passieren.

Die römisch-katholische Österreichische Bischofskonferenz hatte in einer Erklärung zum Abschluss ihrer Frühjahrsvollversammlung festgehalten, die Vermittlung ethischer Bildung gehöre zu den Kernaufgaben der Schule. Für viele Schüler werde dieser Auftrag im Religionsunterricht erfüllt, „weil er immer schon ethische Fragen behandelt, ohne sich darin zu erschöpfen“. Der geplante Ethikunterricht sei besonders in Hinblick auf die zunehmend größer werdende Gruppe der Schülerinnen und Schüler ohne religiöses Bekenntnis „sinnvoll und notwendig“.

religion.ORF.at/APA

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