Jom Kippur: Juden begehen Tag der Versöhnung

Jüdinnen und Juden begehen am 9. Oktober ihren höchsten Feiertag - den Versöhnungstag Jom Kippur. Nach dem jüdischen Kalender beginnt der Feiertag am Vorabend, also am Dienstagabend. Auch für viele nicht religiöse Juden ist Jom Kippur von Bedeutung.

Jom Kippur ist der Tag der Reue und Versöhnung. Mit dem Tag wird die mit dem Neujahrsfest Rosch ha-Schana beginnende zehntägige Bußzeit abgeschlossen. Zu Jom Kippur verzichten die Gläubigen auf Essen, Trinken und Sexualität. Jom Kippur gilt als der „Schabbat Schabbaton“ (Schabbat der Schabbate), weswegen, wie am Schabbat üblich, Arbeit verboten ist. Dazu zählen auch das Autofahren, Telefonieren sowie das Nutzen elektronischer Geräte.

Nach jüdischer Vorstellung trägt Gott zu Rosch ha-Schana sein Urteil über die Geschöpfe in das „Sefer ha-Chajim“ (Buch des Lebens) ein. Jeder und jede wird entweder in das Buch der Gerechten, der Boshaften oder der Übrigen eingetragen, so der Glaube. Durch Reue, Umkehr („Tschuva“) und gute Taten in den zehn Tagen zwischen Rosch ha-Schana und Jom Kippur können die Gläubigen ein schlechtes Urteil noch zum Guten wenden.

Viele Juden beten an dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur an der Klagemauer, um die Vergebung ihrer Sünden.

Reuters/Baz Ratner

Juden beten zu Jom Kippur um die Vergebung ihrer Sünden

Synagogen „zum Bersten voll“

In dieser Zeit versuchen Jüdinnen und Juden also mit sich selbst, den Mitmenschen und Gott ins Reine zu kommen. „Es ist üblich in den zehn Tagen zwischen Rosch ha-Schana und Jom Kippur, jede Person, die man geschädigt haben könnte, aufrichtig um Vergebung zu bitten“, heißt es auf der interreligiösen Onlineplattform Feiertagsgruss. Dort informieren unter anderem Studentinnen und Studenten der Jüdischen österreichischen HochschülerInnen (JöH) über Gepflogenheiten zu jüdischen Feiertagen.

Auch für viele Jüdinnen und Juden, für die Religion eine weniger große Rolle spielt, sei der Versöhnungstag von Bedeutung: „Die meisten sonst spärlich besuchten Synagogen sind zu Jom Kippur zum Bersten voll. Selbst jene, die grundsätzlich mit ihrer Religion wenig am Hut haben, verzichten von einem Sonnenuntergang bis zum nächsten darauf, zu essen oder zu trinken, und legen ihre Arbeit nieder“, berichtet die JöH.

Humor auch am Tag der Reue

Auch wenn es zu Jom Kippur um Reue und Versöhnung geht, verzichten Jüdinnen und Juden an diesem Feiertag nicht unbedingt auf Humor, wie die jüdischen Studierenden berichten. „Gelegentlich bekommt man eine SMS mit Texten wie ‚Du brauchst mich nicht um Vergebung zu bitten! Alle deine Entgleisungen sind verziehen, und auch ich entschuldige mich (obwohl es nichts gibt, wofür ich mich zu entschuldigen bräuchte)‘“.

Viele Israelis nützen den Feiertag, um auf den leeren Straßen Rad oder Rollschuh zu fahren.

Reuters/Finbarr O'Reilly

Leere Autobahn: In Israel wird am Versöhnungstag das Auto stehen gelassen

Leben in Israel steht still

In Israel wird Jom Kippur als strenger Abstinenztag begangen, an dem das öffentliche Leben zum Erliegen kommt. Der Flugverkehr und öffentliche Transporte werden eingestellt, die Grenzposten sind gesperrt, Rundfunk- und Fernsehprogramme werden unterbrochen, Restaurants und Kaffeehäuser sind geschlossen.

Den Tag selbst verbringen die Gläubigen fast zur Gänze in der Synagoge. Am Versöhnungstag kleidet man sich weiß. Vor Anbruch der Nacht versammeln sich die Gläubigen in den Synagogen, um das Kol-Nidre-Gebet zu sprechen - den formelhaften Widerruf aller persönlichen Gelübde, Eide und Versprechungen gegenüber Gott, die unwissentlich oder unüberlegt abgelegt wurden. Nach dem Blasen des Schofarhorns (Widderhorn) wird das Schema Jisrael (jüdisches Glaubensbekenntnis) gesagt: „Höre Israel, Gott ist unser Herr, Gott ist einer.“

Wiener Fastenbrechen mit Honigkuchen

Auf Feiertagsgruss heißt es, es sei „eine Wiener Tradition, das Fasten mit Leikach, einem Honigkuchen, der das Jahr versüßen soll, zu brechen“. Noch bevor die Gemeinde die Synagoge verlässt, um mit der Familie das traditionelle Festmahl einzunehmen, werde „aus jedem Eck und Winkel Leikach hervorgezaubert“.

Israelitische Kultusgemeinde (IKG) in Wien

APA/Andreas Pessenlehner

Viele Juden verbringen Jom Kippur in der Wiener Synagoge

Ursprung des Sündenbocks

Was vielen Menschen nicht bekannt sein dürfte: Jom Kippur ist auch der Ursprung des Begriffs Sündenbock. In der Zeit des Zweiten Tempels (etwa 515 v. Chr. bis zu seiner Zerstörung 70 n. Chr.) wurden zu Jom Kippur symbolisch die Sünden des israelitischen Volkes einem Ziegenbock aufgeladen und dieser in die Wüste gejagt.

Fünf Tage nach Jom Kippur findet auch schon das nächste jüdische Fest statt - und zwar Sukkot, das Laubhüttenfest. Dann gedenken Jüdinnen und Juden der erfolgreichen Ernte und erinnern auch daran, dass Gott seine schützende Hand über die Isrealiten hielt, als sie aus Ägypten flohen.

akin, religion.ORF.at

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