Schüsse vor Synagoge: Bestürzung in Österreich

Mit Bestürzung haben Österreichs Religionsgemeinschaften auf den Anschlag auf eine Synagoge in Halle an der Saale in Deutschland reagiert, allen voran die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Wien.

Auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte IKG-Präsident Oskar Deutsch am Mittwoch folgendes Statement: „Mit dem Ertönen des Shofar (des traditionellen Widderhorns, Anm.) endete heute Abend Jom Kippur des Jahres 5780. Es war der Versöhnungstag, ein Fasttag, der höchste Feiertag im Judentum. Für alle Jüdinnen und Juden ist dieser Tag etwas Besonderes. Im Wiener Stadttempel sangen wir gerade noch ein Friedensgebet.“

Deutsch weiter: „Leider erreichten uns aber heute all das Schöne überschattende Nachrichten aus Deutschland. Bei einem Terroranschlag vor einer Synagoge in Halle wurden mindestens zwei Menschen ermordet, weitere wurden verletzt.“ Es sei offensichtlich, dass es sich bei dem Täter um einen rechtsextremen Terroristen handle.

„Viel Kraft“ für deutsche Gemeinden

„In Gedanken bin ich bei den Angehörigen der Opfer und hoffe auf rasche und vollständige Genesung der Verletzten“, so der IKG-Präsident. Der jüdischen Gemeinde in Halle und allen jüdischen Gemeinden in Deutschland wünsche er „viel Kraft in dieser schwierigen Zeit. Wir sind immer mit euch!“

Die Synagoge in Halle (Saale)

APA/AFP/Axel Schmidt

Die Synagoge in Halle (Saale) nach dem Anschlag

Über die Situation in Österreich äußerte Deutsch sich positiv: „Während die Synagoge in Halle nicht von der Polizei bewacht worden war, sondern nur Mitarbeiter der Gemeinde Schlimmeres verhindern konnten, werden die Synagogen in ganz Österreich seit vielen Jahren sowohl durch Sicherheitskräfte der IKG als auch der Polizei beschützt. Das ist eine traurige Notwendigkeit, aber sehr wirkungsvoll.“

Dank an österreichische Polizei

Er bedankte sich noch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes, der Polizei und dem Innenministerium und bei den Sicherheitsleuten der IKG „sowie unserer Sicherheitskommission für ihren Einsatz zu den Hohen Feiertagen und an jedem anderen Tag des Jahres“ und wünschte „den Kollegen in Deutschland gutes Gelingen bei der Aufklärung und Verhinderung solcher Attentate“.

Nach dem Angriff auf die deutsche Synagoge wurden in Wien die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. Die Sondereinheit WEGA überwacht nun jüdische Einrichtungen - mehr dazu in WEGA schützt jüdische Einrichtungen.

IMÖ verurteilt Angriff

Die Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen (IMÖ) sandte am Mittwochabend eine Solidaritätsbekundung, in welcher Obmann Tarafa Baghajati „unsere Betroffenheit, unser Beileid und vor allem unsere vollste Solidarität“ zum Ausdruck brachte. „Heute sind zwei Menschen einem Angriff unmittelbar neben der Synagoge in Halle zum Opfer gefallen.“ Gleichzeitig steige „die Sorge angesichts solcher Gewalttaten um das Klima friedlichen und respektvollen Zusammenlebens und den sozialen Zusammenhalt in Europa“.

Daher appelliere die IMÖ „vor allem an politische Verantwortungsträger/innen Maßnahmen zu setzen, die Antisemitismus und jede andere Form des Hasses gegen Minderheiten wirksam entgegenwirken“. Die IMÖ strebe danach, „den Dialog zwischen Menschen jüdischen und Menschen muslimischen Glaubens zu intensivieren, um gemeinsam gegen Feindbilddenken anzugehen“.

Auch das in Wien ansässige König Abdullah Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID) hat den antisemitischen Anschlag in Halle scharf verurteilt. Jedwede Formen von Gewalt und Terror gegen religiöse Stätten seien nicht zu rechtfertigen, so das KAICIID in einer Aussendung: „Unser aufrichtiges Beileid an die Opfer und ihre Familien.“

Evangelische entsetzt

Mit Entsetzen reagierten auch Vertreter österreichischer Kirchen auf den tödlichen Angriff: „Am höchsten jüdischen Feiertag, Jom Kippur, müssen betende Jüdinnen und Juden in Angst und Schrecken in ihrer Synagoge verharren anstatt sich dem Gebet und dem Gedenken der Versöhnung ganz hingeben zu können“, schreibt der Vorsitzende des Ökumenischen Rats der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), Thomas Hennefeld, in einer Aussendung. Er sei mit seinen Gebeten bei den Familien der Toten.

Zugleich fordert Hennefeld ein entschlossenes Vorgehen der Politik und der Behörden gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus. Die Exekutive in Österreich müsse „dafür sorgen, dass Jüdinnen und Juden, ohne solche Schreckenstaten fürchten zu müssen, in ihren Synagogen beten und ihre Gottesdienste feiern können“. Die Kirchen stünden „für ein friedliches Miteinander der Religionen und Kulturen in unserem Land und in Europa“.

„Antisemitismus nie verschwunden“

Auf Facebook schrieb der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka: „Angesichts des antisemitisch motivierten Verbrechens in Halle an der Saale sind die Religionsgemeinschaften und alle demokratischen Kräfte aufgerufen, der Verrohung der Sprache und der Herzen, die solchen Taten vorausgeht, entgegenzutreten.“ Seine Gebete gälten nun den Opfern.

„Das ist ein Angriff auf Jüdinnen und Juden insgesamt“, schrieb der Salzburger und Tiroler Superintendent Olivier Dantine ebenfalls auf Facebook. „Antisemitismus, der nie verschwunden ist und hier wieder in seiner Bestialität aufgebrochen ist, geht uns alle an“, so Dantine.

religion.ORF.at

Links: