Missbrauch: Proteste gegen Buch von Ordensfrau

Ein Enthüllungsbuch, in dem es um sexuellen Missbrauch von Ordensfrauen durch Bischöfe und Priester geht, sorgt derzeit in Indien für Wirbel. Schon vor dem offiziellen Erscheinungstermin am Dienstag gab es Proteste.

In der vergangenen Woche protestierten in Mananthavady im Bundesstaat Kerala Hunderte Katholiken gegen Lucy Kalapura und ihr Buch „Karthaavinte Naamathil“ („Im Namen des Herrn“). Vor dem Kloster der Franziskanischen Clarissen (FCC) riefen die Demonstranten christliche Grabgesänge und verbrannten Schwester-Lucy-Puppen, wie örtliche Medien berichteten.

Zu der Protestaktion kam es, nachdem ein Gericht in Kerala den Antrag einer Ordensfrau auf ein Verbot des Buchs wegen „Anstößigkeit“ und „mangelnder Moral“ abgelehnt hatte. Ein Sprecher der Diözese Mananthavady sagte dem asiatischen katholischen Pressedienst „Ucanews“, das Buch beinhalte „eher Häresie als Fakten“. Der Verlag hatte ausgewählten Persönlichkeiten Vorabexemplare des Buchs zukommen lassen.

Kritik an „Sensationsbuch“

Schwester Lucy hatte sich bereits einen Namen als Streiterin für Gerechtigkeit im Fall des Bischofs Franco Mulakkal gemacht, der in Kerala als mutmaßlicher Vergewaltiger einer Ordensfrau vor Gericht steht. Dass sexualisierte Gewalt und Nötigung hinter Klostermauern existieren, ist spätestens seit Februar kein Geheimnis mehr, als Papst Franziskus erstmals den Missbrauch von Ordensfrauen durch Priester und Bischöfe einräumte.

In Indiens Kastengesellschaft ist sexuelle Gewalt für Frauen grausamer Alltag; Kirchen und Klöster wie auch hinduistische Tempel und Ashrams bilden keine Ausnahme. Seit vielen Jahren kämpft die katholische Theologin Virginia Saldanha gegen das indische Patriarchat und für Frauenrechte. Das Buch von Schwester Lucy findet die Sekretärin des „Indian Women Theologians’ Forum“ aber wenig zielführend, wie sie der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagt: Sie habe Vorbehalte gegen dieses „Sensationsbuch“, in dem Missbrauchsfälle „nur anekdotenhaft“ erzählt würden.

Auch Lob für Enthüllungsbuch

Valson Thampu sieht indes genau darin die Stärke des Buchs. Der prominente evangelische Theologe schreibt in einer ausführlichen Besprechung: „Die Täter zu benennen, würde der Beschämung von Einzelpersonen gleichkommen. Ihre Anonymität zu wahren bedeutet, die Aufmerksamkeit auf das System zu lenken, das geändert werden muss.“

Im August wurde Kalapura wegen Ungehorsams aus ihrem Orden ausgeschlossen. Ihre Eingabe an den Vatikan gegen ihren Rausschmiss wurde negativ beschieden. Nach eigenem Bekunden hat die 54 Jahre alte Frau aus Kerala stets ihren Werten gemäß konsequent - manche würden sagen: „eigensinnig“ - gehandelt.

Von der Lehrerin zum Medienstar

Gerne hätte sie ihr Leben den Armen gewidmet, sagt sie. Aber der Orden wies ihr den Job als Lehrerin zu. Statt aber nur zu unterrichten, besuchte sie auch die meist armen Familien der Schüler, half mit Rat und Tat, setzte sich für deren Rechte ein.

Das soziale Engagement missfiel der Ordensleitung ebenso wie ihre öffentlichen Demonstrationen gegen das lange Schweigen der Kirche zum Vergewaltigungsvorwurf gegen Bischof Mulakkal. Schwester Lucy avancierte zum Medienstar, was in den Augen ihres Ordens das Fass endgültig zum Überlaufen brachte.

„Es wird mehr Schmutz auftauchen“

Die Franziskanerin steht mit ihrem Engagement nicht alleine dar. Pastor Augustine Vattoly aus Kerala hat die Facebook-Gruppe „Save our Sisters“ ins Leben gerufen.

Der Präsident der Katholischen Reformbewegung von Kerala, George Joseph, sagte im August dem französischen Nachrichtenportal RFI: „Die Kirche steckt in einer echten Krise. Sexuelle Ausbeutung und Folter sowie Missstände hinter Kirchenmauern kommen ans Tageslicht, und es wird noch mehr Schmutz auftauchen.“

religion.ORF.at/KAP/KNA