Islam, Ethik und Saudis: Türkis-grüne Religionspolitik

Das Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen beinhaltet auch religionspolitische Maßnahmen wie das Kopftuchverbot und mehr Kontrolle im Religionsunterricht. Wie unter Türkis-Blau steht vor allem die Kontrolle islamischer Einrichtungen im Fokus.

Unter der ÖVP-FPÖ-Regierung war bereits ein Kopftuchverbot für Kindergartenkinder sowie für Volksschulkinder eingeführt worden. Nun soll das Verbot auf Schülerinnen bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres ausgeweitet werden. Die Maßnahme findet sich im Kapitel Integration.

Kontrolle von islamischen Bildungseinrichtungen

Darin ist auch der Plan festgehalten, mehr auf Transparenz und Kontrolle in Kinderbetreuungsstätten - „insbesondere islamischen“ - zu setzen. Kindergärten, Privatschulen, Schülerheime und Bildungseinrichtungen sollen „zur Verhinderung von ausländischen Einflüssen“ und „insbesondere zum Schutz von Frauen und Mädchen“ überprüft werden, heißt es im Regierungsprogramm.

Dafür sollen „effektive staatliche Kontrollmöglichkeiten“ geschaffen werden. Bei Nichterfüllung der gesetzlichen Mindestvoraussetzungen sollen die Bildungseinrichtungen „konsequent“ geschlossen werden.

ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler

APA/Hans Klaus Techt

ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler haben ein Programm

Mehr Kontrolle des Religionsunterrichts

Der Religionsunterricht, der dazu beitragen könne, die „freie Entfaltung des Kindes“ in der Schule zu unterstützen, wird im Regierungsprogramm als „integrationsfördernd“ bezeichnet. Um das zu gewährleisten, wollen ÖVP und Grüne verstärkt auf die Kontrolle des Religionsunterrichts durch die Schulqualitätsmanager (die früheren Bezirks- und Landesschulinspektoren) setzen.

Stärker kontrolliert werden sollen auch die Bücher und Materialien des Religionsunterrichts - insbesondere des islamischen Unterrichts. Eine „Erhebung, Evaluierung und Qualitätssicherung“ der Materialien „in Hinblick auf verfassungsrechtliche Werte wie die Gleichstellung der Frau“ sind angedacht. Auf etwaige „problematische Inhalte“ prüfen soll das Bildungsministerium in Zusammenarbeit mit dem Kultusamt.

Religiöse Fragen in der Schule

Geeinigt haben sich die Verhandlerinnen und Verhandler der Parteien auch darauf, eine „qualitätsgesicherte Ausbildung von islamischen Religionslehrerinnen und Religionslehrern sicherzustellen“. Dafür sollen etwa die pädagogischen und inhaltlichen Rahmenbedingungen der Ausbildung überprüft werden.

Für Lehrerinnen und Lehrer, die im Schulalltag mit Herausforderungen in religiösen oder kulturellen Fragen konfrontiert sind, soll eine „klare Handhabe“ geschaffen werden. Konkretes ist dem Programm diesbezüglich aber nicht zu entnehmen.

Zwei Mädchen von hinten in einer Klasse in einer Schule. Ein Mädchen mit Kopftuch.

ORF.at/Zita Klimek

Das Kopftuchverbot soll ausgeweitet werden

Weiteres Vorgehen gegen Auslandsfinanzierung

Einmal mehr um Kontrolle geht es bei der folgenden Maßnahme: Das 2015 im Islamgesetz festgeschriebene Auslandsfinanzierungsverbot von islamischen Religionsgesellschaften soll vom Kultusamt „effizient“ kontrolliert werden, heißt es im Regierungsprogramm. Es dürfte auch eine Reform des Islamgesetzes angedacht sein, denn die Bestimmungen des Islamgesetzes sollen erweitert werden, um „Umgehungskonstruktionen des Auslandsfinanzierungsverbots“, etwa durch Stiftungen, zu verhindern.

Das Kultusamt soll „durch einen klaren gesetzlichen Auftrag“ gestärkt werden. Bei der Schließung einer Kultusgemeinde sollen die Behörden auch gegen die dahinterliegenden Vereine vorgehen können.

Ethikunterricht, aber nicht für alle

Eine religionspolitische Maßnahme, die nicht mit dem Islam in Verbindung steht, ist die Einführung des Ethikunterrichts für jene, „die keinen Religionsunterricht besuchen“ oder ohne Bekenntnis sind. Der konfessionelle Religionsunterricht bleibt bestehen, wer an einem solchen teilnimmt erhält keinen Ethikunterricht.

Ein Lehramtsstudium „Ethik“ mit Anrechenbarkeit von bestehenden Aus- und Fortbildungen (etwa Religionspädagogik und Lehrgänge) soll eingeführt werden. Mit ethischen Fragestellungen befassen könnte sich in Zukunft auch eine eigene Kommission im Bundeskanzleramt. Die Einrichtung einer solchen soll geprüft werden.

Unterrichtsstunde in einer Mittelschule in Wien

ORF.at/Carina Kainz

Der Ethikunterricht soll kommen, aber nicht für alle

KAICIID: Ohne Reform droht Schließung

Im Kapitel Außenpolitik haben ÖVP und Grüne festgelegt, wie sie mit dem König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID) umgehen wollen. Im Juni wurde mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ, NEOS und Liste JETZT beschlossen, dass das von Saudi-Arabien finanzierte Dialogzentrum geschlossen werden soll. Außenminister Alexander Schallenberg kündigte an, den Entschließungsantrag umzusetzen.

Laut Regierungsabkommen soll sich die Bundesregierung allerdings für eine Reform des Dialogzentrums innerhalb eines Jahres einsetzen. Angedacht sind etwa eine stärkere Anbindung an die Vereinten Nationen und eine Verbreiterung der Mitgliedsbasis. Sollte das nicht gelingen, droht dem Zentrum die Schließung. Das Zentrum wurde 2012 eröffnet und war wegen der Rolle Saudi-Arabiens von Beginn an umstritten - vor allem auch bei den Grünen.

Vorgehen gegen politischen Islam

An mehreren Stellen im Regierungsübereinkommen wird dem politischen Islam der Kampf angesagt. So soll etwa eine Dokumentationsstelle für den religiös motivierten politischen Extremismus eingerichtet werden. Es soll für diese Fragen auch eine „Schnittstelle zwischen Behörden, Multiplikatorinnen bzw. Multiplikatoren und den muslimischen Gemeinschaften“ geschaffen werden.

Geeinigt haben sich ÖVP und Grüne auch auf einen Extremismusbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), der auch islamistischen Extremismus umfassen soll. Zudem soll „ein Aktionsplan gegen Rechtsextremismus und gegen den religiös motivierten politischen Extremismus“ ausgearbeitet werden. Mit der Thematik soll sich auch die Justiz näher auseinandersetzen - die Straftatbestände sollen ergänzt und mögliche Erschwerungsgründe evaluiert werden.

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

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