Neue Regierung: Kirchenlob mit Einschränkungen

Die katholische Koordinierungsstelle (KOO) für internationale Entwicklung und Mission und die evangelische Diakonie haben das Regierungsabkommen von ÖVP und Grünen als positiv mit Einschränkungen bewertet.

Die KOO der katholischen Bischofskonferenz ortete in einer Stellungnahme am Dienstag, es sei die „Schöpfungsverantwortung“ schon in der Präambel zum türkis-grünen Regierungsprogramm prominent erwähnt „und kann daher als allgemein gültige Ausrichtung für diese Regierung angenommen werden“, hieß es vonseiten der KOO. Auch das Thema Entwicklungszusammenarbeit bekomme im Vergleich zur ÖVP-FPÖ-Regierung allein schon textlich mehr Aufmerksamkeit.

Zwiespältig fällt die Bilanz der Diakonie nach der ersten Analyse des Regierungsprogramms aus. „Einerseits öffnet die gestern angelobte neue Bundesregierung in den Bereichen Bildung, Pflege und Inklusion Gestaltungsspielräume“, so Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. „Andererseits wird im Bereich Asyl im menschenrechtlich bedenklichen Ausmaß an der Verschärfungsschraube gedreht“, schrieb die Diakonie in einer Aussendung am Mittwoch.

Positiv sieht die Diakonie, dass das Einbeziehen zivilgesellschaftlicher Sozialorganisationen und Selbstvertretungsorganisationen Betroffener wieder vorgesehen ist. „Mit Freude und Neugier blicken wir den Gesprächen entgegen“, so Moser.

Dass Schwerpunkten wie Klimaschutz, Geschlechtergerechtigkeit und Armutsbekämpfung viel Raum gegeben wird, ist ein positives Signal für die Zukunft“, schrieb die Direktorin der katholischen Sozialakademie (ksoe) Magdalena Holztrattner am Mittwoch.

Trotz der begrüßenswerten Schwerpunkte sieht die ksoe viele Lücken. Neben der von mehreren Stellen kritisierten Frage der Gegenfinanzierung und konkreter Angaben zu Volumen bzw. Umsetzungsdeadlines vieler angedachter Vorhaben, sind es aus Sicht der ksoe vor allem Themen wie Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung, die im Wahlkampf oft bemühte „Abschaffung der kalten Progression“, die Besteuerung von Vermögen zur Entlastung des Faktors Arbeit, oder auch innovative Modelle für die Zukunft unserer Arbeitswelt, die im Regierungspapier gar nicht berührt würden.

Finanzierung und Zeitrahmen unklar

Die KOO kritisierte, dass keine der im Regierungsprogramm angeführten Vorhaben mit Finanzsummen oder Zeiträumen konkretisiert seien. „Das bedeutet, dass angesichts der Fülle der avisierten Maßnahmen im Gesamtprogramm - insbesondere die wichtigen klimapolitischen Schritte bei gleichzeitig angestrebtem Nulldefizit - anzunehmen ist, dass die entwicklungspolitischen Agenden ein Nachsehen haben werden“, befürchtete KOO-Geschäftsführerin Anja Appel gegenüber Kathpress. Als unkonkrete „Leerformel“ erscheine ihr die oft gehörte Beteuerung, die staatlichen Entwicklungsgelder in Richtung 0,7-Prozent des BNP „schrittweise“ zu erhöhen.

Frauen in Mosambik trennen Spreu von Weizen.

APA/ADA/Gutenbrunner

Die evangelische Diakonie und die katholische Koordinierungsstelle für internationale Entwicklung ziehen eine gemischte Bilanz über das Regierungsabkommen.

Die von der Regierung angestrebte „signifikante Erhöhung des österreichischen Beitrags zum Green Climate Fonds“ erachtete Appel als besonders positiv. Dies dürfe freilich nicht das einzige externe Klima-Geld bleiben, es sei beispielsweise auch mehr bilaterale Klimafinanzierung notwendig.

Bedenken bei Umgang mit Asylwerbenden

In Bezug auf Migration verwies Diakonie-Direktorin Moser auf die jetzt offensichtlich vor der Umsetzung stehende Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) sowie auf die vorgesehene Isolation von Asylwerbern in Lagern im grenznahen Bereich.

In anderen Kapiteln würden die Ziele in die richtige Richtung weisen. Die Diakonie sehe Möglichkeiten für Verbesserungen in den Lebensbedingungen der Menschen, für die sich die sie sich einsetze. „Damit es allerdings nicht ein Regierungsprogramm der Überschriften bleibt, wird es entscheidend sein, dass in Bereichen, in denen der soziale Notstand akut ist, wie zum Beispiel Pflege, Therapieplätze für Kinder und die Ausstattung benachteiligter Schulstandorte (Chancenindex), sofort mit der Arbeit begonnen wird." Das heiße, es müssten konkrete Maßnahmen definiert, ein Umsetzungszeitplan erstellt, und Budgetmittel dafür freigemacht werden, so Moser.

Positiver Eindruck getrübt

Einige Aussagen im Regierungsprogramm zur EZA ist laut KOO „dem geopolitischen Interesse der Flüchtlingsvermeidung bzw. wirtschaftspolitischen Interessen geschuldet“, was den genannten positiven Eindruck ebenfalls trübe. Die Agenda 2030 mit ihren nachhaltigen UN-Entwicklungszielen (SDGs) werde zwar „rhetorisch aufgewertet“, bei der Analyse der einzelnen Politikfelder und der Wahl der Instrumentarien komme sie allerdings kaum vor, bemängelte Appel weiters.

Auch eine strukturiert und hochrangige Verankerung der SDGs sei nicht formuliert worden. „Das ist enttäuschend und bedeutet, dass auch die neue Regierung noch ein tiefergehendes Verständnis der Agenda 2030 entwickeln müsste, um ernsthaft deren Erreichung anzustreben“, so Appel.

„Motor“ statt „Bremser“ bei Menschenrechten

Positiv wiederum bewertete die KOO-Expertin, dass in einigen Kapiteln wie der Handelspolitik die Bedeutung der Menschenrechte und Österreichs Engagement dafür festgehalten seien. Das lasse hoffen, das in multilateralen Prozessen Österreich künftig als „Motor für mehr Menschenrechte“ auftritt, „statt bislang als neutral oder gar punktuell auch Bremser“.

Dass an einigen Stellen im Regierungsübereinkommen die Zivilgesellschaft als Gesprächspartnerin bei Konsultationsprozessen genannt wird, erscheint der KOO als eine „Wiederherstellung des Normalzustands“, der vor der türkis-blauen Regierung bestanden habe.

Förderung regionaler Produnkte nötig

Bedenklich erscheint der KOO, dass Österreich durch den Import bestimmter landwirtschaftlicher Produkte wie Soja und Palmöl die Ausbeutung und Abholzung der Regenwälder Amazoniens und Südostasiens anfache. Die Regierung solle unbedingt ihr Vorhaben umsetzen, Produkte mit Palmöl zu kennzeichnen und dessen Verwendung zur Erzeugung von Kraftstoff zu stoppen. Zu begrüßen sei auch die geplante Unterstützung des Umstiegs auf heimische und europäische Eiweißquellen für Futtermittel, um eine Abkehr vom Importprodukt Soja zu erreichen.

KA: Rückenwind gegen Polarisierung

Die Katholische Aktion (KA) Salzburg erhofft sich von der türkis-grünen Koalition Rückenwind für alle, „die Gräben in der Gesellschaft überwinden wollen“. Zwar sei eine umfassende Analyse des 326-seitigen Regierungsprogramms noch nicht möglich, aber es gebe einige Vorhaben, „die hoffen lassen“, heißt es in einer Aussendung am Mittwoch.

Mit der neuen Koalition stehe nun eine Regierung, die trotz Unterschiede der Partner ein beachtliches Programm zustande gebracht habe. „Das zeigt, was mit gutem Willen bei der Suche nach Lösungen möglich ist. Das lässt hoffen, dass das gesellschaftliche Klima milder wird“, so KA-Salzburg-Präsidentin Elisabeth Mayer.

Positiv hob Mayer etwa das Kapitel Klimaschutz hervor, „auch wenn die von der KA geforderte ökosoziale Steuerreform nur angekündigt wird“. Enttäuschend sei hingegen für die in der Flüchtlingsbetreuung Engagierten, „dass von der harten Linie keinen Millimeter abgegangen wird“.

religion.ORF.at/KAP

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