Priester missbrauchte „vier bis fünf Kinder pro Woche“

In einem Prozess um Kindesmissbrauch durch einen früheren katholischen Priester in Frankreich hat der Angeklagte mit seinem Geständnis schockiert. Er habe als Leiter von Ferienlagern zeitweise „vier bis fünf Kinder pro Woche“ missbraucht.

Das sagte der ehemalige Geistliche Bernard Preynat am Dienstag zum Auftakt seines Verfahrens in Lyon. Er gab sexuelle Übergriffe auf Knaben über einen Zeitraum von 20 Jahren zu. „Für mich stellte es sich damals nicht als sexuelle Gewalt dar, sondern als Zärtlichkeit und Liebkosung“, sagte der heute 74-jährige Preynat. „Ich habe mich getäuscht. Erst durch die Anklagen der Opfer habe ich verstanden“, sagte er über die Jungen im Alter von damals sieben bis 15 Jahren.

Der frühere Priester ist angeklagt, zwischen 1971 und 1991 als Leiter von Pfadfinder-Gruppen dutzende Burschen sexuell missbraucht zu haben. Nach seiner Aussage liegt die Dunkelziffer aber offenbar deutlich höher. Gerichtspräsidentin Anne-Sophie Martinet äußerte sich schockiert über das Geständnis: „Das macht fast ein Kind pro Tag“, sagte sie. Dem Angeklagten drohen zehn Jahre Haft, ein Teil der Taten ist bereits verjährt.

Der Priester Bernard Preynat während seines Prozesses wegen x-fachen Kindesmissbrauchs

APA/AFP/Philippe Desmazes

Der ehemalige Priester Bernard Preynat schockierte mit seinem Geständnis

„Einer der größten Sexualverbrecher der Region“

Als Zeuge sagte François Devaux aus, der den Prozess als Gründer eines Opferverbands mit ins Rollen gebracht hatte. Er berichtete von „Leid und Wut“ über den Priester, der ihn missbrauchte. Er habe als Heranwachsender ein „sehr dunkles Leben“ geführt und einen Suizidversuch unternommen. Weil er den Priester als „Verbindung zwischen Gott und den Menschen“ sah, habe er sein eigenes Schicksal jahrzehntelang verschwiegen, sagte Devaux.

Die Opfer-Anwältin Emmanuelle Haziza sagte, der frühere Priester sei „einer der größten Sexualverbrecher der Region von Lyon“. „Nicht nur leugnet er den sexuellen Charakter seiner Übergriffe auf die Jungen, sondern gibt auch noch zu, hunderte Kinder angefasst zu haben.“ Insgesamt treten zehn Opfer in dem Verfahren als Zivilkläger auf.

Die katholische Kirche Frankreichs hatte den heute 74-Jährigen im vergangenen Juli seiner geistlichen Würden enthoben, gut vier Jahre nach Bekanntwerden der Missbrauchs-Vorwürfe.

Kardinal deckte Preynat

Der Fall führte zum Sturz des höchsten Geistlichen Frankreichs: Kardinal Philippe Barbarin trat als Erzbischof von Lyon zurück, nachdem ihn ein Gericht in erster Instanz schuldig gesprochen hatte, den Priester jahrelang gedeckt zu haben - mehr dazu in Missbrauchsvertuschung: Erzbischof von Lyon verurteilt.

Im Zusammenhang mit dem Fall Preynat läuft derzeit das Berufungsverfahren gegen den Kardinal, der sich gegen seinen Schuldspruch wehrt. Die Staatsanwaltschaft hat auf Freispruch plädiert. Sie argumentiert, der Kardinal könne nicht persönlich für „Fehler“ der katholischen Kirche haften. Das Urteil gegen den Kardinal soll am 30. Jänner in Lyon verkündet werden.

„Für mich waren es Akte der Zärtlichkeit“

Preynat steht in dem Prozess zehn Opfern gegenüber, bei denen die Anschuldigungen noch nicht verjährt sind. „Ich erkannte die Schwere meiner Taten nicht, ich wusste, dass sie verboten und verwerflich waren, aber ich dachte überhaupt nicht an die Folgen dieser Taten für die Opfer“, zitierte die Zeitung „La Croix“ Preynat, der zum Auftakt aussagte.

„Für mich waren es Akte der Zärtlichkeit, in denen ich eine gewisse Freude fand“, so der ehemalige Priester weiter. Er habe einige Zeit gebraucht, um zu verstehen, dass die Taten moralisch falsch und verwerflich sind. Preynat hatte zuvor bereits einen Großteil der Taten zugegeben.

religion.ORF.at/APA/AFP/dpa

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