„The New Pope“: Neue Päpste überall

Die mit einem Golden Globe ausgezeichnete Serie „The Young Pope“ des italienischen Regisseurs Paolo Sorrentino kehrt mit einer Fortsetzung zurück. „The New Pope“ reiht sich in eine Riege jüngster Film- und TV-Produktionen ein, die sich mit Päpsten befassen.

Zuletzt ging erst die Netflix-Produktion „Die zwei Päpste“ von Fernando Mireilles ins Oscar-Rennen. Verunsicherte in „The Young Pope“ ab Oktober 2016 noch lediglich der undurchsichtige Neo-Papst Pius XIII., verkörpert von Jude Law, die katholischen Massen, gibt es in „The New Pope“ einen zweiten (und dritten) Pontifex. Die neun neuen Episoden der von HBO, Sky und Canal+ produzierten Serie von etwa 60 Minuten Länge sind ab 20. Februar jeweils donnerstags um 20.15 Uhr bei Sky Atlantic HD zu sehen.

Bereits im Vorfeld gab es Proteste seitens der katholischen Kirche, und das ist nachvollziehbar: Der Vorspann wartet mit zu stampfenden Rhythmen lasziv tanzenden Ordensfrauen auf, die mit heiligen Symbolen interagieren. Das diene rein der Provokation und habe wenig bis gar nichts mit der Handlung zu tun, hieß es etwa vom Patriarchat von Venedig - und ganz genau so ist es auch.

Filmstill "The New Pope" mit Jude Law und John Malkovich

Wildside/Haut et Court TV/Mediapro/Sky

Trägt gern Maskara: John Malkovich als Johannes Paul III.

Ein Papst im Koma

Zur Handlung: Der „junge Papst“ Pius XIII. (Law) liegt im Koma, die römisch-katholische Kirche ist führungslos und braucht dringend einen neuen Papst. Über Umwege fällt die Wahl der Kardinäle schließlich auf den britischen Kardinal (und Sir) John Brannox (John Malkovich). Dieser steht seinem Vorgänger in Sachen Exzentrik um nichts nach - gerne trägt er Maskara -, doch sein Zugang zum Amt ist milder. Unter dem Namen Johannes Paul III. führt er einen neuen, eleganteren Stil im Vatikan ein. Doch noch ist der wie ein Heiliger verehrte Pius XIII. nicht tot.

Das Erzähltempo der Serie ist beschaulich, lange, von Pausen durchzogene Dialoge, zum Teil sogar Zeitlupe und ruhige, prächtige Bilder bestimmen das Geschehen. Mit den opulenten Interieurs und reich ausstaffierten Darstellenden kontrastieren häufig Pop-, Rock- und elektronische Musik, die Ausstattung testet lustvoll die Grenzen zum Kitsch aus.

Filmstill "The New Pope" mit Jude Law und John Malkovich

Wildside/Haut et Court TV/Mediapro/Sky

Ins Koma gefallen: Jude Law als Pius XIII.

Aufstand der Ordensfrauen

Die beiden Hauptdarsteller sind einander ebenbürtig, was geheimnisvolles Charisma angeht, und auch die Nebendarstellerinnen und -darsteller überzeugen - allen voran Silvio Orlando als strippenziehender Kardinalstaatssekretär Angelo Vioello, dem sein eigenes Spiel langsam, aber sicher entgleitet. Eine wichtige Nebenrolle spielt die österreichische Schauspielerin Nora von Waldstätten. Sie verkörpert die Ordensfrau Schwester Lisette, die sich die erniedrigende Behandlung durch die selbstherrlichen Geistlichen nicht mehr gefallen lassen will und einen Aufstand anzettelt.

Andere Frauenrollen, gespielt unter anderen von Cecile de France und Ludivine Sagnier, sind so sexualisiert, dass die Anliegen, die ihre Figuren haben mögen, teils stark in den Hintergrund treten. Selbst Sharon Stones Cameo-Auftritt verkommt zum wandelnden Altherrenwitz: Bei der Audienz mit Johannes Paul III. wird sie gebeten, die Beine immer erst nach erfolgter Vorwarnung übereinanderzuschlagen.

Filmstill "The New Pope" mit Jude Law und John Malkovich

Wildside/Haut et Court TV/Mediapro/Sky

Charismatisch: Jude Law als Pius XIII. und John Malkovich als Johannes Paul III.

Die Bibel ist kein iPhone

Dabei hätte sie ein wichtiges Anliegen: Die Kirche möge homosexuelle Eheschließungen erlauben, wünscht sie sich. Ob man die Bibel nicht diesbezüglich upgraden könne? Nein, so der Papst kategorisch: Die Bibel sei schließlich kein iPhone. Auch andere Themen, die den echten Vatikan bewegen, wie sexueller Missbrauch, die Flüchtlingskrise und die Zölibatsfrage, kommen vor, dienen aber oft als Oberfläche für skurriles Pathos und verschwitzte Erotik.

Den medialen Trend zu Serien und Filmen mit spirituellen Inhalten, wie etwa die Netflix-Produktion „Messiah“ und die brasilianische Satireserie „The First Temptation of Christ“ („Die erste Versuchung Christi“) versuchte zuletzt der Grazer Fundamentaltheologie und Filmexperte Christian Wessely in einem Artikel der „Salzburger Nachrichten“ vom 11. Februar einzuordnen.

Mysteriös soll die Kirche sein

Der Vatikan fasziniere als „die letzte große monolithische Institution“, so der Theologe. Er registriere ein „metaphysisches Vakuum“, das erkläre das Interesse an religiösen wie auch „pseudoreligiösen“ Themen. Es sei die Stärke der katholischen Kirche, „mysteriös“ und nicht etwa fortschrittlich zu sein, sagt denn auch einer der Päpste zu der von Waldstätten verkörperten Schwester.

Filmstill "The New Pope" mit Jude Law und John Malkovich

Wildside/Haut et Court TV/Mediapro/Sky

Beten für Gerechtigkeit: Nora von Waldstätten als widerständige Ordensfrau

„Ich verstehe das nicht. Wer ist jetzt der Papst?“, fragt sich ein verwirrter Kardinal, als sich wieder einmal alles ändert im TV-Vatikan. „Sei still und bete, du Idiot!“, bekommt er zur Antwort. Hände falten, Goschen halten: „The New Pope“ beschäftigt sich durchaus mit tiefgehenden religiösen Themen, und Regisseur Sorrentino versteht es, große Gefühle mit ironischem Twist zu inszenieren. Aber in dieser Serie bedeutet Stillstand Fortschritt, in erzählerischer wie ästhetischer Hinsicht. Ein Statement zum Zustand der heutigen Kirche bietet sie nicht.

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

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