Theologinnen zu Papst-Schreiben: Fatales Frauenbild

Neben der Grazer Dogmatikprofessorin Gunda Werner attestiert auch die Ordensfrau Melanie Wolfers dem neuen Papst-Schreiben „Querida Amazonia“ ein fatales Frauenbild. Die Vatikanistin Gudrun Sailer meint, man müsse „westliche Denkmuster“ ablegen.

Franziskus vertrete darin eine im 19. Jahrhundert entstandene Theologie mit heute überholten Geschlechterrollen. Für Frauen gelte das empfangende, dienende, passive „marianische“ Prinzip, für Männer das aktive, gebende „petrinische“ Prinzip. Diese lehramtliche Zuschreibung legitimiert - wie die Grazer Theologin am Mittwoch in einem Gastkommentar im „Standard“ schrieb -, „dass Frauen in der katholischen Kirche zwar die gleiche Würde, aber eben nicht die gleichen Rechte haben wie Männer“. Dies wiederum höhle aber den Einsatz des Papstes für Menschenrechte in anderen Bereichen aus.

Dass Franziskus in den ersten drei Kapiteln seines nachsynodalen Schreibens für ein „gutes Leben für alle, soziale und ökologische Gerechtigkeit, die Anerkennung der Kulturen und die Rettung der Natur“ eintrete, stehe für „eine hoffnungsvolle Vision“, die jedoch durch das vierte Kapitel „Eine kirchliche Vision“ konterkariert werde, so Werner.

Die Theologin Gunda Werner

Marija Kanizaj/Uni Graz

Die Theologin Gunda Werner übt scharfe Kritik an dem von Papst Franziskus in seinem postsynodalen Schreiben „Querida Amazonia“ vertretenen Frauenbild

Der Papst nehme darin nicht nur Ergebnisse der Amazoniensynode nicht auf (die sich für die Öffnung der kirchlichen Weiheämter ausgesprochen hatte, Anm.), sondern er „zerstört zugleich die Hoffnungen vieler Menschen auf eine Veränderung und Bewegung innerhalb der katholischen Kirche“.

Keine UNO-Menschenrechtscharta für den Vatikan

Die Ordinaria für Systematische Theologie und Liturgiewissenschaft an der Uni Graz nannte es „ausgesprochen irreführend, nach außen für die allgemeinen Menschenrechte einzutreten, nach innen aber eine ‚Struktur der Kirche‘ zu perpetuieren, die von einer ungleichen Behandlung der Geschlechter ausgehen muss“.

Werner erinnerte daran, dass Papst Franziskus, der in seinem neuen Text für die „entschlossene Verteidigung der Menschenrechte“ eintrete, zugleich Staatsoberhaupt eines der wenigen Länder ist, die die UNO-Menschenrechtscharta bis heute nicht unterschrieben haben. Würde der Vatikan wirklich entschlossen für die Rechte aller Menschen eintreten, könnte Franziskus nicht so ungebrochen eine „Theologie der Frau“ vertreten, kritisierte Werner.

Frauenfrage „keine allein binnenkirchliche Frage“

Die Frauenfrage sei „keine allein binnenkirchliche Frage“, schrieb Werner in ihrem Kommentar weiter. Das globale Armutsproblem hänge untrennbar mit der ungerechten Verteilung der Güter und der strukturellen Benachteiligung von Frauen zusammen. Dass die Genderfrage kein „Luxusproblem der reichen Länder“, sondern Dreh- und Angelpunkt der weltweiten Armutsbekämpfung ist, sei bereits in den 1990er-Jahren bei - vom Vatikan kritisierten - UNO-Konferenzen in Kairo und dann in Peking festgehalten worden, erinnerte Werner.

„Querida Amazonia“ leiste vor allem jenen Kräften Vorschub, die der Gleichberechtigung der Geschlechter den Kampf ansagen. Skeptischer Schlusssatz der Theologin: „Ob jedoch gerade diese Kräfte willens und fähig sind, dem Papst bei der Verwirklichung seiner Vision von ökologischer und sozialer Gerechtigkeit für sein ‚geliebtes Amazonien‘ zur Seite zu stehen, darf zumindest bezweifelt werden.“

Ordensfrau: „Peinlich berührt“

Sendungshinweis

Praxis - Religion und Gesellschaft, Mittwoch, 19.2.2020, 16.05 Uhr, Ö1.

Auch die Theologin, Ordensfrau bei den österreichischen Salvatorianerinnen und Bestseller-Autorin, Melanie Wolfers äußerte im Interview mit dem Ö1-Religionsmagazin „Praxis“ am Mittwoch ihren Unmut. „Peinlich berührt“ sei sie von den Aussagen von Papst Franziskus über Frauen in seinem Schreiben.

Vatikanistin: Papst verweigert Machtwort

Die österreichische Redakteurin bei Radio Vatikan, Gudrun Sailer, analysiert das Schreiben aus einer anderen Perspektive. Noch selten habe ein Schreiben von Papst Franziskus so viel Zustimmung bei konservativen und so viel Enttäuschung bei reformorientierten Kräften der katholischen Kirche ausgelöst wie „Querida Amazonia“, lautet ihr Befund. Der Papst habe sich den hohen Erwartungen in Bezug auf das priesterliche Amt entzogen.

Autorin und Journalistin Gudrun Sailer

kathbild/Franz Josef Rupprecht

Die Vatikanistin Gudrun Sailer weist darauf hin, dass der Papst die Lehrmeinung der römisch-katholischen Kirche nie verlassen habe

„Als Katholiken sind wir es gewohnt, dass Päpste Machtworte sprechen“, merkte sie in einem Gastkommentar für die St. Pöltner Diözesanzeitung „Kirche bunt“ an. „Querida Amazonia“ sei jedoch die „Verweigerung eines Machtwortes in der Zölibatsfrage“.

Lehrmeinung nie verlassen

An keiner Stelle und bei keinem Thema überschreite Franziskus in seinem nachsynodalen Schreiben das geltende katholische Lehramt oder auch eines seiner eigenen prophetischen Dokumente. „Und wenn das kluge Absicht wäre?“, regte Sailer Überlegungen jenseits „enger und vorwiegend westlicher Denkmuster“ an. Sie zeichnete das Bild eines sich zurücknehmenden Papstes, „der möchte, dass Dinge in Ortskirchen langsam, gut und in aller Stille heranreifen können“, eines Papstes, „der sieht, dass die Kirche heute nicht noch mehr Spaltung und Selbstbezogenheit braucht“.

Die stärksten Passagen in „Querida Amazonia“ sind laut der Vatikanistin jene, in denen der Papst das Unrecht gegen Mensch und Ökologie in Amazonien benennt: Morde an Indigenen, Brandrodung, Ausbeutung, Vergiftung, Sklaverei, Korruption. „Empört euch! Und ändert euren Lebensstil!“ Das ist nach den Worten Sailer „in Wahrheit der Aufruf des Papstes an uns im Westen“.

religion.ORF.at/KAP

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