Mit „Foodporn“ in die Fastenzeit
Bereits vor 1.000 Jahren war es üblich, in der vorösterlichen Buß- oder Fastenzeit, den Altarraum zu verhängen. Die Menschen als Sünderinnen und Sünder sollten sehen, dass sie Gott nicht schauen können, was als „Fasten für die Augen“ bezeichnet wird. Im Lauf der Zeit wurden die zunächst einfach gehaltenen Tücher kunstvoller ausgestaltet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen in vielen Gemeinden zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler die Gestaltung der Fastentücher. Häufig stellen sie Bezüge zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen her. Auch heuer gibt es in der 40-tägigen Fastenzeit (seit Aschermittwoch bis zur Osternacht am 11. April) eine Reihe zeitgenössischer Kunstwerke und Installationen in Kirchen zu sehen. Die Fastenzeit gilt als Zeit der Besinnung, Buße und Umkehr.

Johannes Rauchenberger
Installation „Foodporn“ und „Kreuzfahrt“ von Erwin Lackner in der Kirche St. Andrä in Graz
„Foodporn“ und „Kreuzfahrt“
In der Pfarre St. Andrä in Graz zum Beispiel werden in den Bankreihen 40 „Foodporn“-Bilder (in Öl gemalte Speisen) des steirischen Künstlers Erwin Lackner aufgestellt, „die den Appetit auf Gott möglicherweise verstellen“, so die Website der katholischen Kirche Steiermark. Die Bilder symbolisieren den Überfluss, den ein Teil der Menschheit genießt, während der andere Teil Hunger leidet.
Als Reaktion auf den Umgang mit Geflüchteten kann die Installation „Kreuzfahrt“ - ebenfalls von Erwin Lackner - verstanden werden. Es sind zwei vor dem Altar liegende gekreuzte Boote. Sie drücken die Unmöglichkeit des Weiterkommens aus, so die katholische Kirche Steiermark.
Zeichen im Altarraum
Ein mit Feuerwehrschläuchen umwickelter barocker Priestersessel von Franz Konrad soll darauf hinweisen, „dass wir die brandaktuellen Probleme dieser Welt nur gemeinsam löschen können“, heißt es im Begleittext zu den Aktionen in St. Andrä.

Alois Kölbl
Fastenzeit-Installation von Franz Konrad in der Kirche St. Andrä in Graz
Warum gerade in der Fastenzeit Kunstwerke in Kirchen Platz finden, erklärte der österreichische Jesuit und Künstlerseelsorger Gustav Schörghofer im Ö1-Interview damit, dass der Wortgottesdienst am Aschermittwoch relativ frei gestaltet werden könne und die Fastenzeit eine gute Zeit sei, um im Altarraum Zeichen zu setzen.
Sendungshinweis
- „Orientierung“, Sonntag 1.3.2020, 12.30 Uhr, ORF2
Nach dem Zweiten Weltkrieg habe man Künstlerinnen und Künstlern zeigen wollen, dass sie ein wichtiger Teil der Kirche sind, sagte Schörghofer. Dabei habe auch die vielfach damals entstandene Reduktion in der Kunst eine wesentliche Rolle gespielt. Denn auch die Fastenzeit rufe zu Reduktion auf.

Diözese Innsbruck/Hölbling
GOOD/GOD-Lichtinstallation von Via Lewandowsky im Innsbrucker Dom
„GOOD GOD“
Im Innsbrucker Dom ist das heurige Fastentuch eine Lichtinstallation des deutschen Künstlers Via Lewandowsky. Je nachdem, ob das zweite „O“ leuchtet, oder nicht, liest man „GOOD“ (gut) oder „GOD“ (Gott). „Der Schriftzug lädt in meditativer Weise ein, sich mit dem Bild von einem ‚guten Gott‘ auseinanderzusetzen“, sagte Generalvikar Florian Huber bei der Präsentation des Werkes.
Ebenfalls in Innsbruck, in der Spitalskirche hängt ein Fastentuch mit Wortschöpfungen von Wilfried Schatz. Der Künstler spielt mit Begriffen rund um Konsum, Sinn, Lust und Leid und schafft mit seinen Wort-Zusammensetzungen neue Sinnbezüge. Das Fastentuch sei eine Einladung, dem Trubel der Straße zu entfliehen und über Wortschöpfungen - wie etwa die „Sinnventur“ - in der Kirche zu meditieren, sagte Kirchenrektor Jakob Bürgler laut einer Aussendung am Mittwoch.

Diözese Innsbruck/Hölbling
Sinn- und Wortneuschöpfungen in der Spitalskirche
Ein Pulli für die Nächstenliebe
Im Wiener Stephansdom wurde der barocke Hochaltar für die Fastenzeit vom österreichischen Künstler Erwin Wurm mit einem 80 Quadratmeter großen, 200 Kilogramm schweren, violetten bzw. zyklamefarbenen Strickpullover verhüllt. Damit soll laut Aussendung an die „Priorität wärmender Nächstenliebe“ in der Zeit vor Ostern erinnert werden - mehr dazu in Stephansdom: Wurm zieht Hochaltar Pullover an.
Seit 2013 bilde das Fastentuch im Stephansdom eine „wandelbare Projektionsfläche für die zeitgenössische künstlerische Auseinandersetzung mit der österlichen Bußzeit“, teilte die Dompfarre St. Stephan mit.

ORF/Gundi Lamprecht
Mit einem Reisenpulli von Erwin Wurm wird heuer der Hochaltar im Wiener Stephansdom verhüllt
Die Pfarre St. Marien in Amstetten (Niederösterreich) hat den Unikatdruck „Rotschichtenquerwegfließen“ des österreichischen Malers Gunter Damisch als Fastentuch bekommen. Der 2016 verstorbene Künstler habe die Arbeit als „Frage der Nerven skizziert, denn das nötige ‚Insistieren auf Verdichtung‘ sei immer auch von der ‚Gefahr der Zerstörung‘ begleitet“, hieß es in einem Pressetext.

Friedrich Kriener, St. Marien
Das Fastentuch 2020 von Gunter Damisch in der „kulturKirche“ St. Marien in Amstetten-Allersdorf
In der Krypta der Linzer Ursulinenkirche ist die Installation „für immer“ der in Wien lebenden Schweizerin Regula Dettwiler zu sehen. Sie arrangierte auf Friedhöfen weggeworfene Plastik- und Seidenblumen und macht sie zu „Metaphern für Vergänglichkeit und Dauerhaftigkeit, Schönheit und Verfall, Täuschung und Wahrhaftigkeit“, heißt es auf der Website der Diözese Linz.
gold, religion.ORF.at