Coronavirus: Wie Religionen Gläubige schützen wollen

Das Coronavirus hat die Welt im Griff - ebenso wie die Angst vor Ansteckung. Auch für Religionsgemeinschaften ist das neuartige Virus ein Thema, man will die Gläubigen schützen - auf unterschiedlichen Wegen. Manche davon sind mehr als fragwürdig.

Zum Schutz vor einer Ausbreitung des Coronavirus hat Saudi-Arabien die wichtigste Pilgerstätten in Mekka für eine Desinfizierung räumen lassen. Das saudi-arabische Staatsfernsehen zeigte am Donnerstag beeindruckende Bilder, auf denen die menschenleere Kaaba im Hof der Großen Moschee zu sehen war.

Der weiß gepflasterte Hof, auf dem die Pilger die würfelförmige Kaaba umrunden, wird sonst von zehntausenden Menschen bevölkert. Bei der Räumung handle es sich um eine „beispiellose“, aber „vorübergehende Vorsichtsmaßnahme“, sagte ein saudi-arabischer Behördenvertreter. Die oberen Stockwerke der Großen Moschee sind seinen Angaben zufolge aber weiterhin für Gebete geöffnet.

Die leere undd abgesperrte Kaaba in Mekka (Coronavirus)

APA/AFP/Abdel Ghani Bashir

Die leere und abgesperrte Kaaba in Mekka

Pilgerfahrten untersagt

Saudi-Arabien hatte am Mittwoch alle Pilgerfahrten nach Mekka und Medina bis auf Weiteres untersagt. Bereits vorige Woche hatten die Behörden die Vergabe von Visa für die Umra, die sogenannte kleine Pilgerfahrt, gestoppt. Anders als der Hadsch, die Große Pilgerfahrt der Muslime, ist die Umra grundsätzlich das ganze Jahr über möglich.

Der Hadsch soll Ende Juli stattfinden. Hadsch und Umra bringen alljährlich Millionen Menschen nach Saudi-Arabien und sind somit eine wichtige Einnahmequelle für den Golfstaat. Das saudi-arabische Gesundheitsministerium hatte am Montag die erste Infektion mit dem neuartigen Coronavirus im Land bekanntgegeben. Bis Donnerstag stieg die Zahl der bestätigten Falle auf fünf.

Israel hat die Stadt Bethlehem abgeriegelt. Allen Israelis und Palästinensern „ist es verboten, die Stadt zu betreten oder zu verlassen“, teilte das israelische Verteidigungsministerium am Freitag mit - mehr dazu in Coronavirus: Israels Behörden riegelten Bethlehem ab.

Ermittlungen wegen Scharlatanismus

Zu den eher fragwürdigen Angeboten zählt das Angebot einer evangelikalen Kirchengemeinde in der brasilianischen Stadt Porto Alegre, eine Salbung mit geweihtem Öl vorzunehmen, die Menschen vor einer Infektion mit dem Coronavirus schützen soll. Das hat auch die Polizei auf den Plan gerufen: Die ermittelt jetzt wegen des Verdachts auf Scharlatanismus gegen die Kirchenoberhäupter. Bei einer Kontrolle eines Gottesdienstes am Sonntag konnte aber kein Rechtsverstoß festgestellt werden.

In Malawi kämpft unterdessen der selbsternannte Prophet Shepherd Bushiri laut einem Bericht des Portals „Malawi24“ gegen die neue Krankheit. „Ich stehe hier und befehle diesem Dämon, herauszukommen. Du wirst verschwinden im Namen Jesu“, soll der Anführer einer Freikirche demnach in einer Predigt gesagt haben. Den Auftrag, den „Coronavirus-Dämon zurechtzuweisen“, will der kontroverse Prediger von Gott selbst erhalten haben. Er versprach seinen Anhängern, sie überall vor dem Virus zu beschützen.

Teufelsaustreibungen und Aus für Friedensgruß

Die katholischen US-Bischöfe setzen hingegen wie zahlreiche andere Bischofskonferenzen weltweit auf die Mithilfe ihrer Gemeinden und raten zu umfangreichen Schutzmaßnahmen, die religiöse Rituale und den Ablauf von Messen verändern. Gläubige sollen improvisieren: Der Friedensgruß per Handschlag war gestern, heute muss eine Berührung mit dem Ellbogen oder ein freundliches Nicken reichen. Auch die Mundkommunion fällt aus: Statt die geweihte Hostie in den Mund zu bekommen, wird sie jetzt nur noch auf die Handfläche der Gläubigen. Der Kelch soll bei der Eucharistie vom Priester nicht an die Gemeinde gegeben werden, um die Ausbreitung des Virus zu vermeiden.

Gläubige Juden beten für Opfer des Coronavirus an der Klagemauer in Jerusalem

Reuters/Ronen Zvulun

Gebet für Opfer des Coronavirus an der Klagemauer in Jerusalem

Auch jüdische Gemeinschaften rufen ihre Gläubigen zu Vorsicht auf - und befürworten, das Küssen gemeinschaftlich genutzter Gebetsbücher und der traditionellen Schriftkapseln an Türrahmen zu unterlassen. Gläubige sollen zu Hause bleiben, wenn sie sich krank fühlen, auch wenn sie in das Trauergebet Kaddisch eingebunden sind.

Antisemitismus geschürt

Die weltweite Gesundheitskrise um das Coronavirus schürt aber auch antisemitische Einstellungen. Der baden-württembergische Antisemitismus-Beauftragte Michael Blume berichtet von YouTubern, die US-amerikanische Juden bezichtigen, das Coronavirus herzustellen und zu verbreiten. Die Rede sei auch von einer „zionistischen Weltverschwörung für eine Neue Weltordnung“. Blume befürchtet, dass sich entsprechende Phänomene in den kommenden Monaten noch verstärken könnten.

In Zeiten des Coronavirus ist den Medien inzwischen auch eine Erkältung des Papstes eine Schlagzeile wert. Trotz des Ausbruchs der Krankheit in Italien hatte Franziskus vergangene Woche noch Hände geschüttelt und sich zwischen Gläubigen bewegt. Auf russischen Social-Media-Kanälen wurde die Unpässlichkeit des Papstes danach als Covid-19-Infektion dargestellt. Italienische Zeitungen hatten am Dienstag berichtet, dass ein Test auf das Coronavirus negativ ausgefallen sei, der Vatikan äußerte sich nicht.

Keine Angst vor Ikonen-Küssen

Die rumänisch-orthodoxe Kirche schätzt die Lage rund um das Virus im Gegensatz zu anderen religiösen Gemeinschaften nicht als Gefahr ein. In einem von Patriarch Daniel unterzeichneten Kommunique wies die Kirche Aufforderungen zurück, sie solle Maßnahmen ergreifen, um die Verbreitung des Virus zu verhindern. Der Patriarch bekräftigte, „dass die Heilige Eucharistie keine Quelle von Krankheit und Tod ist und niemals sein kann (...)“. Gläubige mit einem starken und lebendigen Glauben hätten keine Angst vor dem Küssen heiliger Ikonen, sondern würden das Gebet und den Segen der auf den Ikonen dargestellten Heiligen genießen.

Für radikale Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus sprach sich hingegen der libanesische Drusenführer Walid Jumblatt aus. „Alle Übergänge des Todes müssen geschlossen werden, seien es Land-, See- oder Luftgrenzen in den Libanon“, sagte er. Für die Behandlung infizierter Menschen, müsse eine Einrichtung von Quarantänezentren erfolgen.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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