Theologe: „Leises Unbehagen“ mit Onlinemessen

Bereits am Sonntag wurden wegen des Coronavirus in Österreich kaum mehr Gottesdienste mit Gläubigen in den Kirchen gefeiert. Viele Messen werden nun via Videostream übertragen. Der Theologe, Jan-Heiner Tück, sieht darin eine gewisse Problematik.

So verständlich diese Maßnahme aus der Perspektive der Eindämmung der Coronavirus-Pandemie auch sei und so korrekt die Bischöfe damit gehandelt hätten, so sehr hinterlasse es jedoch auch ein „leises Unbehagen, wenn Gottesdienste zusehends virtualisiert werden“, sagte der Dogmatiker Tück im Interview mit der katholischen Nachrichtenagentur Kathpress. Es sei schlicht nicht das Gleiche und rühre am Kern des kirchlichen und sakramentalen Selbstverständnisses: „Wir feiern Realpräsenz, nicht Virtual-Präsenz“.

Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) habe die Eucharistie als „Quelle und Höhepunkt christlichen Lebens“ bezeichnet. Diese Quelle sei nun für länger nicht direkt zugänglich. Die persönliche Teilnahme an der Gottesdienstgemeinschaft aber könne nicht einfach durch eine „virtualisierte Gemeinde“ substituiert werden. Beim Betrachten der rein auf den Priester fokussierten, gestreamten Gottesdienste erscheine so leicht der Eindruck, als sei die Gemeinde „sekundäres Beiwerk“ und die Eucharistiefeier ein gleichsam „nur am Priester allein hängendes Geschehen“ sei.

Gottesdienst gültig

Den Unterschied zwischen einem „nur“ gestreamten und einem wirklich vor Ort mitgefeierten Gottesdienst sollte man daher auch nicht „schönfärberich kleinreden“: Zwar sei es gut, dass es vermehrt Angebote von Gottesdienstübertragungen gebe.

Auch sei es der Hinweis formal korrekt, dass ein via Livestream mitgefeierter Gottesdienst in kirchlicher Intention „gültig“ ist, dennoch könne die „Vernachlässigung der anthropologischen Dimension der Sakramente“ nicht wirklich überzeugen: „Das gebrochene Brot, der konsekrierte Wein stillen den Gottesdurst und befriedigen den geistlichen Hunger auch auf eine sinnlich-körperliche Weise. Dahinter bleibt die Augenkommunion eben doch zurück.“

Kirche hört auf Experten

Einerseits werde die Einschränkung der Eucharistie nicht der ansonsten theologisch stets betonten und zu Recht hochgehaltenen Selbstverantwortung der Gläubigen gerecht, welches den Entschluss zum Kommunionempfang selbstverantwortet treffen müsse, so Tück weiter.

Andererseits, argumentierte Tück, wenn sich die Bischöfe mit ihrer Entscheidung, das liturgische Leben herunterzufahren, auf Empfehlungen von Experten, Epidemologen und Medizinern stützen, so zeuge dies davon, dass sie die humanwissenschaftliche Kompetenz ernst nehmen. Es zeige auch, dass sie „zu einer funktionalistischen Frömmigkeit auf Distanz gehen, die meint durch bloße Steigerung der Gebete die Krise abwenden zu können“, so Tück.

Keine mittelalterlichen Methoden

Im Spätmittelalter sei es üblich gewesen, bei Epidemien die Gottesdienstanzahl zu erhöhen und auf Hygiene-Vorschriften wenig zu achten. Auch heute sei diese Haltung im äußerst konservativen Spektrum durchaus anzutreffen, wo Stimmen zu hören sind, die sagten, bei der Kommunion habe sich noch niemand angesteckt. „Die Frage ist, woher sie das so genau wissen wollen“.

Kurz gesagt: „Die Bischöfe handelten richtig - und mit dem Aussetzen der öffentlichen Liturgie ist die Kirche in der Moderne angekommen.“ Allerdings ist diese Unterbrechung auch eine geistliche Herausforderung, die man aber etwa dadurch meistern könne, dass man an die „fast vergessene Tradition des eucharistischen Fastens“ neu anknüpfe: Gebet, die Betrachtung der Heiligen Schrift, aber auch das stille Verweilen vor dem Allerheiligsten könnten neu entdeckt werden - Frömmigkeitspraktiken, die auch große Theologen wie Karl Rahner oder Hans Urs von Balthasar stets hochgehalten hätten, so Tück.

religion.ORF.at/KAP

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