Affäre Groer vor 25 Jahren

Vor exakt 25 Jahren, im März 1995, wurde der damalige Wiener Erzbischof Kardinal Hans Hermann Groer des sexuellen Missbrauchs beschuldigt.

Er stürzte damit die römisch-katholische Kirche in Österreich in den 1990er Jahren in die schwerste Krise seit 1945 mit einer Rekordzahl an Austritten. Die Affäre Groer führte in weiterer Folge auch zum Kirchen-Volksbegehren.

Kardinal Groer stand von 1986 bis 1995 an der Spitze der Erzdiözese Wien. Am 26. März 1995 berichtete der ehemalige Groer-Schüler Josef Hartmann im Nachrichtenmagazin „profil“ über seine mehr als 20 Jahre zurückliegenden Erlebnisse. Die Folge war nicht nur ein schwerer Imageverlust für die katholische Kirche - in den darauffolgenden Jahren traten auch mehrere 100.000 Katholiken aus der Kirche aus.

Sexuelle Belästigung am Knabenseminar

Nach Hartmann meldeten sich noch weitere ehemalige Zöglinge, die berichteten, von Groer in dessen Zeit als Religionsprofessor am Knabenseminar Hollabrunn sexuell belästigt oder missbraucht worden zu sein. Berater hatten Groer empfohlen, gegen die Medienberichte gerichtlich vorzugehen. Der Kardinal entschied sich für einen anderen Weg: Er schwieg zu den Vorwürfen eisern - bis zu seinem Tod im Jahr 2003.

Hans Hermann Groer

APA/Barbara Gindl

Schwieg bis zuletzt zu den Vorwürfen: Kardinal Hans Hermann Groer

Zunächst stellten sich die Bischöfe noch hinter ihren Mitbruder. Die Ereignisse überschlugen sich dann im Frühling und Sommer 1995: Am 6. April legte Groer überraschend den Vorsitz in der Bischofskonferenz zurück, nachdem er zwei Tage davor noch im zweiten Wahlgang mit einfacher Mehrheit wiedergewählt worden war. Am 13. April ernannte Papst Johannes Paul II. Weihbischof Schönborn zum Erzbischof-Koadjutor mit Nachfolgerecht.

500.000 Unterschriften für Erneuerung

Das war der Beginn der Demontage Groers. Am 14. August nahm der Papst Groers Rücktritt an, am 14. September endete die Ära Groer. Schönborn wurde Erzbischof von Wien. Der Alt-Erzbischof zog sich nach Maria Roggendorf zurück, wo er vor seiner Berufung zum Wiener Erzbischof bis 1986 als Wallfahrtsdirektor gearbeitet hatte. Die Affäre Groer führte im März 1995 auch zu einem Kirchenvolksbegehren. Die Initiative „Wir sind Kirche“ sammelte mehr als 500.000 Unterschriften für eine Erneuerung der Kirche.

Anfang 1998 tauchten im Stift Göttweig, dem Stammkloster des Benediktinerpaters Groer, neue Vorwürfe gegen den Mitbruder auf. Es folgte eine Apostolische Visitation. Das Ergebnis dieser kircheninternen Untersuchung ging an den Papst und wurde nie veröffentlicht. Noch vor Abschluss der Visitation erklärten mehrere Bischöfe in einer gemeinsamen Erklärung, dass sie zur „moralischen Gewissheit“ gelangt seien, dass die Vorwürfe gegen Groer „im Wesentlichen“ zutreffen.

Kardinal ein halbes Jahr im „Exil“

Jahre später bemühten sich die Bischöfe, ein Auftreten Groers während des dritten Papst-Besuches in Österreich im Juni 1998 zu verhindern. Mit Hilfe des Vatikans wurde der Kardinal ein halbes Jahr ins „Exil“ geschickt. Offiziell absolvierte er einen „Genesungsbesuch“ in einem Nonnenkloster nahe Dresden. Die Peinlichkeit eines Zusammentreffens zwischen Papst und Groer vor laufenden Kameras war damit abgewendet.

Danach wurde es in der Öffentlichkeit ruhig um Groer. Am 24. März 2003 erlag er im Alter von 83 Jahren in einem Spital in St. Pölten einem Krebsleiden.

religion.ORF.at/APA