Papst ruft „Sonntag der Tränen“ aus

Papst Franziskus hat sich in der Coronavirus-Pandemie mit eindringlichen Appellen an die Weltöffentlichkeit und die Katholikinnen und Katholiken gewandt. Den Sonntag rief er als einen „Tag der Tränen“ aus.

Konfliktparteien weltweit bat der Papst beim Angelusgebet im Vatikan um eine sofortige Waffenruhe, damit die internationale Gemeinschaft geeint gegen das Virus vorgehen könne. Franziskus stellte sich damit ausdrücklich hinter einen entsprechenden Aufruf von UNO-Generalsekretär Antonio Guterres. Bereits am Freitagabend hatte der Papst in einer einzigartigen Geste den Segen „Urbi et orbi“ erteilt und die Menschen zum Zusammenhalt aufgerufen.

Alle Konfliktparteien müssten Kampfhandlungen einstellen und so die Schaffung von Korridoren für humanitäre Hilfe, Diplomatie und Aufmerksamkeit für besonders Schutzbedürftige ermöglichen, forderte Franziskus per Video bei seinem sonntäglichen Mittagsgebet. „Möge das geeinte Engagement gegen die Pandemie alle die Notwendigkeit erkennen lassen, unsere brüderlichen Bande als Glieder einer einzigen Menschheitsfamilie zu stärken“, sagte der Papst.

Sorge wegen Ausbreitung in Gefängnissen

Besorgt äußerte sich der Papst auch über eine unkontrollierte Ausbreitung des Coronavirus in überfüllten Gefängnissen. Dort drohe eine „Tragödie“, sagte er und rief die Behörden zu entsprechenden Maßnahmen auf. Franziskus erinnerte auch an andere Personengruppen, die durch ein erzwungenes Zusammenleben besonders der Gefahr einer Covid-19-Erkrankung ausgesetzt seien, etwa in Pflegeheimen oder Kasernen.

Papst Franziskus am Fenster während des Angelus-Gebets

Reuters/Vatican Media/Handout

Papst Franziskus am Fenster während des Angelus-Gebets

Der Papst verwies auf eine Warnung der UNO-Menschenrechtsbeauftragten Michelle Bachelet vor einer Flächenbrand-artigen Ausbreitung des Virus in Haftanstalten, Internierungslagern für Migranten, Pflegeheimen und psychiatrischen Kliniken. Vielfach fehle es am nötigen Abstand, Hygiene und medizinischer Versorgung, hatte Bachelet erklärt.

„Sonntag der Tränen“

Vor dem Angelusgebet rief der Papst in der Frühmesse am Sonntag katholische Christen dazu auf, die von der Pandemie Betroffenen in ihrem Leiden nicht allein zu lassen. Wörtlich sprach er von einem „Sonntag der Tränen“. Jesus selbst habe sich angesichts von Krankheit und Tod eines Freundes nicht geschämt zu weinen, und er weine auch jetzt. Franziskus erinnerte an Menschen in Quarantäne, einsame Alte und Patienten, aber auch Eltern, die nicht mehr das Geld für die Ernährung ihrer Kinder hätten. „Mögen wir sie von Herzen begleiten, und es wird uns nicht schaden, ein wenig zu weinen, so wie der Herr um sein ganzes Volk geweint hat“, sagte der Papst.

Franziskus betonte, dass, wenn das Herz „zu hart“ sei, dann sei es schwierig, Gutes zu tun und zu helfen. Deshalb bat er um diese Gnade: „Herr, ich weine mit dir, weine mit deinem Volk, das in diesem Augenblick leidet. Möge für uns alle heute der Sonntag der Tränen sein.“ Die Messe, an der nur wenige enge Mitarbeiter des Papstes teilnahmen, wurde im Internet übertragen.

Papst hat kein Covid-19

Am Samstag empfing Papst Franziskus Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi in Privataudienz. Über Inhalte wurde nichts bekannt. Raggi nannte in einem Tweet die Worte des Papstes bei der Segensfeier am Freitag „Balsam für uns alle in einem Moment des Leidens“. Rom vereine sich mit seinem Gebet. „Rudern wir gemeinsam in diesem Sturm, denn keiner rettet sich allein“, schrieb die Politikerin der Fünf-Sterne-Bewegung.

Ebenfalls Samstag bestätigte der Vatikan zwei weitere Coronavirus-Infektionen auf nunmehr offiziell insgesamt sechs. Weder der 83-jährige Papst noch seine engsten Mitarbeiter seien von den Ansteckungen betroffen, sagte Sprecher Matteo Bruni.

Träger des Erregers im Vatikan

Einer der beiden neuen Träger des Erregers sei „in den vergangenen Tagen“ bei einer Kontrolle durch das vatikanische Gesundheitsamt festgestellt worden. Es handle sich um einen Mitarbeiter des Staatssekretariats, der im Gästehaus Santa Marta wohne. Dort lebt auch Franziskus. Der Patient befinde sich in keinem lebensbedrohlichen Zustand, sei aber zur Beobachtung in ein römisches Krankenhaus gebracht worden.

Arbeitsplatz und Wohnung des Betreffenden seien desinfiziert worden, so das Presseamt weiter. Bei einer Überprüfung der engsten Kontaktpersonen des Mannes habe man auch einen Kollegen im Staatssekretariat positiv getestet. Dieser wohne allerdings nicht in Santa Marta.

Insgesamt wurden nach den Angaben 170 Vatikanmitarbeiter und Bewohner von Santa Marta getestet. Die Untersuchungen seien ausnahmslos negativ ausgefallen, hieß es.

Gottesdienst im Petersdom

Während in Italien öffentliche Gottesdienste ausgesetzt sind, feierte der Erzpriester von St. Peter, Kardinal Angelo Comastri, am Sonntag im Petersdom eine Messe mit zahlreichen Gläubigen. In seiner Predigt beklagte der 76-Jährige, der Gedanke an den Tod werde heute in einem frenetischen Streben nach Vergnügung verdrängt.

Nachdem in den vergangenen Wochen Videoausschnitte kursierten, wie Comastri ungeachtet der Schutzempfehlungen gegen das Virus weiterhin die Mundkommunion praktiziert, zeigte das Vatikanfernsehen am Sonntag keine Bilder von der Kommunionausteilung, sondern blendete das Fenster über dem Hauptaltar ein.

religion.ORF.at/KAP

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