Bis zu 100 Moscheen in Österreich vor finanziellem Ruin

Die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus treffen Österreichs Moscheen schwer. Wegen fehlender Spenden aus den Freitagsgebeten stehen viele Moscheen vor dem finanziellen Ruin. Das wirkt sich auch auf die Finanzen der Islamischen Glaubensgemeinschaft aus.

Die Coronavirus-Krise hat das religiöse Leben von praktizierenden Musliminnen und Muslimen stark eingeschränkt. Seit Wochen finden keine Freitagsgebete mehr statt. Wenn die Schutzmaßnahmen aufgehoben werden, so hoffen Muslime, kann das religiöse Leben wieder normal aufgenommen werden. Doch einige Moscheen könnten die Coronavirus-Krise gar nicht überstehen - zumindest nicht ohne Hilfe. Das befürchtet jedenfalls die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ).

Vor allem die großen Gemeinschaftsgebete am Freitag sind für die Moscheen die Möglichkeit, Spenden zu sammeln. Im Fastenmonat Ramadan, den Musliminnen und Muslime gerade unter den Coronavirus-Einschränkungen begehen, wird in der Regel „am meisten gespendet“, sagte die Sprecherin der IGGÖ Valerie Mussa zu religion.ORF.at.

Rund 39.000 Euro durch Online-Spendenaktion

Verschärfend für die finanzielle Notlage der Moscheen: Während des Ramadans (23. April bis 23. Mai) werden keine Freitagsgebete möglich sein. Daran ändern auch die ersten Lockerungen der Coronavirus-Maßnahmen für Gottesdienste ab Mitte Mai nichts.

Vom Spendenminus besonders betroffen sind „kleinere Moscheen, vor allem im ländlichen Raum“. Sie haben in der Regel zu wenig Mitglieder, um Mitgliedsbeiträge einzuheben. Auf die Spenden sind sie daher besonders angewiesen. Große Moscheen heben oft Mitgliedsbeiträge ein, „damit kommen sie derzeit über die Runden“, wie Mussa sagte.

Leere Moschee in Wien - Islamisches Zentrum

ORF/Marcus Marschalek

Die Moscheen sind leer, daher fehlt es auch an Spendeneinnahmen

Zwischen 70 und 100 Moscheen betroffen

Die Islamische Glaubensgemeinschaft rief Anfang April zu der Spendenaktion #rettetunseremoscheen auf. Auf einer Spendenplattform wurden dadurch (Stand 27. April) online 38.531 Euro an Spenden gesammelt. Auch auf der Website der Glaubensgemeinschaft wird um Spenden gebeten. Die IGGÖ will bis zum Ende des Ramadans weiter sammeln. Danach soll das Geld verteilt werden. Eine Kommission werde klären, wie sich Moscheen „für eine finanzielle Spritze“ bewerben können, sagte Mussa.

Etwa ein Drittel der Moscheen sei mit finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert. Die IGGÖ-Sprecherin schätzt, dass Betreiber von „zwischen 70 und 100 Moscheen“ um finanzielle Hilfe ansuchen werden. Moscheegemeinden im ländlichen Raum haben ihre Räumlichkeiten oft gekauft und stehen nun vor dem Problem, die Raten für die Kreditrückzahlung nicht begleichen zu können. Anderen Moscheenbetreibern machen wiederum Miete und Personalkosten zu schaffen.

IGGÖ droht Ausfall von Kultusbeiträgen

„Viele Nicht-Muslime denken, wir werden vom Ausland finanziert und viele Muslime denken, wir bekommen als IGGÖ staatliche Gelder“, sagte Mussa. Beides stimme nicht. Eine finanzielle Krise in den Moscheegemeinden trifft mittelfristig aber auch die offizielle Vertretung der Musliminnen und Muslime. „Wenn die Moscheen ihre Kosten nicht decken können, führt das zu einem Engpass bei uns, weil sie ihre Kultusbeiträge nicht bezahlen können“, sagte Mussa.

Spendenhinweis

IGGÖ-Spendenkonto
IBAN: AT67 1200 0100 0653 1965
BIC: BKAUATWW
Kennwort: Moscheen

Durch die aktuelle Situation ist die Diskussion darüber, wie die muslimischen Gemeinden ihre Aufgaben finanzieren sollen, wieder aufgeflammt. Schon das vor einigen Jahren beschlossene Islamgesetz mit dem Verbot der Auslandsfinanzierung machte eine Debatte über die Finanzierung der Gemeinden notwendig. Schließlich haben viele Moscheen gar keine hauptberuflichen Imame mehr, sondern arbeiten mit Ehrenamtlichen.

Zu wenig Geld für Seelsorge

Nun werden verschiedene Finanzierungsmodelle diskutiert. Der Begriff des Moscheebeitrags greife jedenfalls zu kurz, sagte Mussa. Zum einen würde es in verschiedenen Moscheen ja Mitgliedsbeiträge geben, durch die der Betrieb der Gebetsstätten gewährleistet wird. Zum anderen habe die IGGÖ verschiedene „gesetzliche Aufgaben zu erfüllen“, wie etwa die Seelsorge, die Organisation des Religionsunterrichts sowie den Betrieb der islamischen Friedhöfe.

Schon vor der Coronavirus-Krise fehlte für viele karitative Projekte das Budget, sagte Mussa. So gebe es etwa nur „einen einzigen hauptberuflichen islamischen Seelsorger“, alle anderen seien ehrenamtlich im Einsatz. „Das würden wir gerne ändern“, so die IGGÖ-Sprecherin. Schließlich gebe es auch einen vermehrten Bedarf an Seelsorge - auch das schon vor der Coronavirus-Krise.

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

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