Zehn Jahre Opferschutzkommission: Kein Schlussstrich

Die Unabhängige Opferschutzkommission (UOK) hat in den zehn Jahren seit ihrer Gründung 30,7 Millionen Euro für 2.305 finanzielle und therapeutische Hilfeleistungen eingesetzt.

Insgesamt wurden 2.496 Meldungen vorgelegt. Es könne und dürfe keinen Schlussstrich geben, sagte die Vorsitzende der auch als „Klasnic-Kommission“ bekannten Einrichtung, Waltraud Klasnic, anlässlich der Zehn-Jahres-Bilanz am Donnerstag.

In den ersten Monaten des Jahres 2010 waren massiv Missbrauchsfälle im Bereich der katholischen Kirche bekannt geworden. Noch im Frühjahr 2010 wurde die ehemalige ÖVP-Landeshauptfrau der Steiermark Klasnic von Kardinal Christoph Schönborn gebeten, den Vorsitz der zur Aufklärung von Missbrauchsfällen in der Kirche eingesetzten Kommission zu übernehmen.

2.496 Meldungen bearbeitet

Seither wurden insgesamt 92,35 Prozent der 2.496 Betroffenenmeldungen der Kommission positiv erledigt. 65 Prozent der Betroffenen, die sich gemeldet haben, sind laut der nunmehr vorliegenden Zwischenbilanz Männer, 35 Prozent Frauen. Die meisten der gemeldeten Vorfälle gehen in die 1960er-Jahre (rund 38 Prozent) zurück. Weitere rund 31 Prozent der gemeldeten Übergriffe lagen in den 1970er-Jahren. 14,5 Prozent wurden aus den 1950er-Jahren gemeldet, 10,5 aus den 1980ern und vier Prozent in den 1990ern. Der Anteil der Übergriffe ab dem Jahr 2000 wurde mit 0,4 Prozent angegeben.

Waltraud Klasnic

APA/EXPA/Michael Gruber

Die Vorsitzende der Kommission, Waltraud Klasnic

78 Prozent der Meldungen betrafen körperliche Gewalt, 77 Prozent psychische Gewalt, 30 Prozent sexuelle Gewalt , wobei Mehrfachnennungen möglich waren. Der überwiegende Teil der Betroffenen war zum Zeitpunkt des Übergriffes sechs bis zwölf Jahre alt (63,8 Prozent), 26,3 Prozent waren 13 bis 18 Jahre alt, 8,3 Prozent waren noch jünger als sechs Jahre, 1,2 Prozent älter als 18 Jahre.

„Schreiendes Unrecht“

Hinter den getroffenen Entscheidungen stünden „zutiefst betroffen machende Schicksale und meist schreiendes Unrecht, das nie wieder gut gemacht werden kann. Aber es sollen wenigstens Gesten der späten Anerkennung der Menschenwürde der Betroffenen sein“, so Klasnic. Nach Jahrzehnten des „Vertuschens, Verschweigens und Verdrängens“ sei es in den vergangenen zehn Jahren zu wichtigen Schritten der Zuwendung an die Betroffenen, Aufklärung und Aufarbeitung gekommen.

„Es kann und darf aber keinen Schlussstrich geben“, wie die „Opferschutzanwältin“ festhielt. Es sei eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, solchen Vorfällen mit aller Entschiedenheit entgegenzuwirken. Künftig müsse Prävention und Bewusstseinsbildung Priorität haben.

Der ehrenamtlichen Kommission gehören etwa die Bundeskanzlerin der Übergangsregierung und ehemalige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes, Brigitte Bierlein, der Psychiater Reinhard Haller und der langjährige Präsident des Wiener Stadtschulrates, Kurt Scholz, an. Koordiniert wird die Kommission von Herwig Hösele.

Auch Kritik

An der Arbeit der Kommission war immer wieder auch Kritik geübt worden, zuletzt auch von dem Schriftsteller Josef Haslinger, der mehrfach mit ihr zu tun gehabt hatte. In seinem Buch „Der Fall“, in dem er den selbst erlebten Missbrauch als Sängerknabe in den 1960er-Jahren im Stift der Zwettler Zisterzienser schildert, wirft der Autor die Frage auf, wie es um den Umgang der katholischen Kirche in Österreich mit dem Phänomen Missbrauch wirklich steht.

religion.ORF.at/APA

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