Bericht: Kardinal unternahm nichts gegen Missbrauch

Der australische Kardinal George Pell soll laut einem staatlichen Untersuchungsbericht in seiner Zeit als Priester in der Diözese Ballarat von Kindesmissbrauch durch andere Geistliche gewusst, aber nichts dagegen unternommen haben.

Zu diesem Schluss kommt laut einem Korrespondentenbericht der deutschen Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) und australischen Medienberichten zufolge die staatliche Missbrauchskommission („Royal Commission“) in ihrem Ende schon 2017 fertiggestellten Abschlussbericht einer umfassenden Untersuchung zu Missbrauchsfällen in Kirchen, Waisenhäusern, Sportvereinen, Jugendgruppen und Schulen in Australien.

Der Pell betreffende Teil des Berichts ist erst seit Donnerstag öffentlich. Ballarat war in den 1970er und 1980er Jahren das Zentrum des Missbrauchsskandals in Australiens römisch-katholischer Kirche. Der aus 17 Bänden mit insgesamt mehr als 100.000 Seiten bestehende Royal-Commission-Report war schon Ende 2017 veröffentlicht worden.

Missbrauchsvertuschung

Die rund 100 Seiten, die Kardinal Pell betreffen und in denen es um Missbrauchsvertuschung, nicht aber um Missbrauchsvorwürfe gegen Pell selbst geht, blieben jedoch zunächst geschwärzt, um eine juristisch korrekten Ablauf des damals laufenden Missbrauchsprozesses gegen Pell nicht zu gefährden. Nach Pells jüngstem Freispruch durch das Oberste Gericht und seiner Haftentlassung im April wurden die Kapitel jetzt für Parlament und Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Kardinal George Pell (2017)

Reuters/Mark Dadswell

Kardinal George Pell (Foto vom 2017)

In ihrem Bericht weist die staatliche Kommission Pells Aussage zurück, in seiner Zeit als Priester in Ballarat und enger Berater des damaligen Bischofs Ronald Mulkearns nichts von den Taten des pädophilen Priesters Gerald Ridsdale und anderer Geistlicher gewusst zu haben. Spätestens 1973 sei Pell bekannt gewesen, so die Kommission, dass Ridsdale regelmäßig Jungen in nächtliche Camps mitgenommen habe. Pell habe zudem dafür gesorgt, dass „Gerede darüber“ vermieden werde.

Schweigegeldvorwurf entkräftet

Der Untersuchungsbericht weist auch Pells Angabe zurück, Bischof Mulkearns habe ihm und anderen Beratern die Wahrheit über den Grund von Ridsdales Versetzung verschwiegen. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Bischof seine Berater belogen habe. Der Bericht entkräftet jedoch den Vorwurf eines Neffen von Ridsdale, Pell habe ihm Schweigegeld angeboten, damit er nicht über den Missbrauch durch seinen Onkel aussage. Die Kommission sieht aber als erwiesen an, dass Pell als Priester in Ballarat und später als Weihbischof in Melbourne Missbrauchsvorwürfe gegen weitere Priester ignoriert habe.

In einer Erklärung vom Donnerstag sagte Pell, er sei „von einigen Sichtweisen der Royal Commission überrascht“, die „nicht durch Beweise gestützt“ würden.

Schulseelsorger erneut vor Gericht

Der Priester Gerald Ridsale gehört wohl zu den schwersten kirchlichen Sexualstraftätern Australiens. Seit 1993 wurde er in mehreren Prozessen wegen des Missbrauchs von 65 Jungen zu insgesamt 34 Jahren Haft verurteilt. Erst in der vergangenen Woche gestand Ridsdale vor einem Gericht in Melbourne den Missbrauch von vier weiteren Jungen. Der heute 84-Jährige war unter anderem Schulseelsorger in Ballarat, als Pell das Schulamt der Diözese leitete.

Pell, der zeitweise mit Ridsdale zusammen in einer Priesterwohnung lebte, hat wiederholt jedes Wissen um Ridsdales Pädophilie dementiert. 1993 begleitete Pell, damals bereits Weihbischof in Melbourne, Ridsdale zu dessen erstem Missbrauchsprozess und trat als Entlastungszeuge auf.

religion.ORF.at/KAP/KNA/Michael Lenz

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