Hagia Sophia als Moschee: Gemischte Reaktionen

Die Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee hat viel Kritik hervorgerufen. Einige christliche Stimmen schlagen aber differenzierte Töne an. Indes kündigte die türkische Religionsbehörde, eine Öffnung für Besucher abseits der Gebetszeiten an.

Christliche Symbole könnten laut Religionsbehörde Diyanet ebenfalls bleiben, würden dann aber „während der Gebetszeiten mit geeigneten Mitteln bedeckt“. Die türkische Religionsbehörde Diyanet ist für die Ausgestaltung der Umgestaltung zuständig.

Die Reaktionen von Christinnen und Christen seit dem Bekanntwerden der Pläne mit der Hagia Sophia am Freitag waren großteils negativ. Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. warnte vor einer Verschlechterung der Beziehungen und des interreligiösen Dialogs. Papst Franziskus sagte, es „schmerze“ ihn der Gedanke an das Istanbuler Wahrzeichen. Einige christliche Stimmen schlugen aber differenzierte und bis zu einem gewissen Grad verständnisvolle Töne an.

Nicht zu „islamischer Aggression aufspielen“

Der Islamwissenschaftler und Jesuit Felix Körner äußerte sich abwägend zur erneuten Nutzung der Hagia Sophia als Moschee. Es sei „ärgerlich“, dass ein Gotteshaus zur „politischen Provokation“ werde. Zugleich dürfe man die Umwidmung „nicht zu einer aktuellen islamischen Aggression aufspielen“, berichtete die römisch-katholische Nachrichtenagentur Kathpress am Montag.

Es gehe um den Versuch einer innenpolitischen Selbstprofilierung durch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan; „darauf gehen wir nicht ein“, sagte Körner, der an der Päpstlichen Universität Gregoriana lehrt, am Montag auf Anfrage in Rom. Das Oberste Verwaltungsgericht in der Türkei hatte am Freitag den Status des berühmten Bauwerks als Museum aufgehoben. Erdogan unterzeichnete darauf ein Dekret zur Nutzung der Hagia Sophia als Moschee.

Ein Gotteshaus zum Beten

Körner erinnerte daran, dass es in Europa „viele Kirchen, die früher Moscheen waren“ gebe. Als Beispiel nannte er die architektonisch herausragende Mezquita in Cordoba, in die man „eine gotische Kathedrale von mittelmäßiger künstlerischer Qualität“ eingebaut habe. Wenn die Hagia Sophia von einem Museum wieder in ein Gotteshaus rückverwandelt werde, müssten sich Gläubige „eigentlich erst einmal freuen“, weil dort wieder gebetet werde. „Istanbul ist nicht Mekka. Nichtmuslime dürfen die Stadt und ihre Heiligtümer betreten“, betonte Körner.

Die Hagia Sophia in Istanbul

Reuters/Murad Sezer/

Die Umwandlung der Hagia Sophia sorgt weltweit für Aufsehen und durchaus unterschiedliche Reaktionen

Der Vorsitzende des Ökumenischen Rats der Kirchen in Österreich und Vizepräsident der Stiftung Pro Oriente sagte im Gespräch mit religion.ORF.at, dass sich bei Besuchen von Nicht-Muslimen wohl einiges ändern werde. Etwa, dass die Schuhe vor dem Betreten ausgezogen werden müssten und Frauen sich verschleiern müssten. Prokschi hält eine Zwischenlösung für möglich, bei der Christinnen und Christen beispielsweise an bestimmten Tagen in die Hagia Sophia dürften. Bisher wurde dort nicht gebetet.

Hoffnung auf Gebetsmöglichkeit für Christen

Auch der für die Türkei zuständige katholische Bischof Paolo Bizzeti hofft laut Kathpress, dass auch Christen künftig eine Gebetsmöglichkeit in dem als kaiserliche Kirche errichteten Gotteshaus eingeräumt wird. Der Apostolische Vikar von Anatolien, zeigte auch Verständnis für die Umwidmung der Istanbuler Hagia Sophia zur Moschee.

Die Entscheidung sei „keine Kurzschlusshandlung“ von Präsident Recep Tayyip Erdogan gewesen, sagte der italienische Jesuit dem katholischen Pressedienst SIR am Montag. Schließlich befürworteten laut aktuellen Umfragen 70 Prozent der türkischen Bevölkerung den Schritt. „Das ist eine Tatsache, der man Rechnung tragen muss.“ Dennoch teile er den Schmerz vieler Christen angesichts der neuen Entwicklung.

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„Schlag ins Gesicht für Orthodoxie“

Besonders für die Orthodoxie ist die Umwandlung allerdings ein „Schlag ins Gesicht“, wie es der Ostkirchenexperte Dietmar Winkler in der Ö1-Sendung „Religion aktuell“ am Dienstag formulierte. Denn die Hagia Sophia ist der Sitz des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel (derzeit Bartholomaios I.). Die Türkei habe ihre Brückenfunktion zwischen Ost und West nicht wahrgenommen, sondern betreibe „Retropolitik“, so Winkler.

Laut ÖRKÖ-Vorsitzendem Prokschi besteht seitens der Orthodoxie noch eine gewisse Hoffnung auf eine Umkehr, wie er religion.ORF.at sagte. Auslösen könne die allerdings nur Druck von außen. Mehrere orthodoxe Länder hätten sich bereits zu Wort gemeldet. Griechenland etwa verurteilte die Umwandlung des Museums der Hagia (Aussprache: Aja) Sophia in eine Moschee und drohte mit Konsequenzen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan habe einen „historischen Fehler begangen“, erklärte der griechische Regierungssprecher Stelios Petsas am Samstag. Auf diese Beleidigung der christlichen Welt müsse es eine entsprechende Antwort geben.

Auch die UNESCO, (Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) bedauerte den Schritt und forderte bereits mehrmals Gespräche und eine Überprüfung vor einer Statusänderung.

Kirche, Moschee, Museum, Moschee?

Die im 6. Jahrhundert nach Christus erbaute Hagia Sophia (griechisch: Heilige Weisheit) war fast ein Jahrtausend lang das größte Gotteshaus der Christenheit und Hauptkirche des Byzantinischen Reiches, in der die Kaiser gekrönt wurden. Nach der Eroberung Konstantinopels 1453 durch die Osmanen wandelte Sultan Mehmet II. („Der Eroberer“) die Hagia Sophia in eine Moschee um.

Auf Betreiben des türkischen Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk ordnete der Ministerrat im Jahr 1934 die Umwandlung in ein Museum an. Um die Gültigkeit dieses Beschlusses des damaligen Ministerrats ging es nun vor dem türkischen Gericht.

Körner: Kirche nicht erst jetzt verloren

Islamwissenschaftler Körner beklagte nun eine „Rhetorik der Rivalität“ auf beiden Seiten. Dabei werde die gottesdienstliche Nutzung „missbraucht, um Gegnerschaften aufzubauschen“, so der Ordensmann, der auch Berater der päpstlichen Kommission für die Beziehungen zu den Muslimen ist.

In der Geschichte seien im Zuge von Eroberungen immer wieder Gotteshäuser an andere Religionen gefallen. Darüber könne man „traurig sein“, es sei aber eine unabänderliche Tatsache, so Körner. Mit Blick auf die Hagia Sophia widersprach der Theologe der Sichtweise, die Christenheit habe erst durch ihre jetzige Umwandlung in eine Moschee „eine Kirche verloren“.

„In Wirklichkeit haben die Osmanen Konstantinopel nicht vorgestern, sondern 1453 erobert. Die gesamte westliche Christenheit schaute damals weg. Auch darüber sollte man traurig sein: Keiner half“, so Körner. Die meisten Muslime in der Türkei sähen das Christentum „nicht als Gegner, sondern als Gesprächspartner, als Schwesterreligion“. Viele durchschauten „die Instrumentalisierung religiöser Fragen für politische Zwecke“.

gold, religion.ORF.at/KAP/dpa/APA/AFP

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