Viel Kritik, wenig Lob: Weiter Wirbel um Vatikan-Papier

Eine Instruktion aus dem Vatikan zu Pfarrreformen hat scharfe Kritik - vor allem von katholischen Laien - ausgelöst. Nun reagieren auch deutsche Geistliche: Der Mainzer Bischof wolle den Eingriff „nicht hinnehmen“. Es gibt aber auch Lob für den Vatikan.

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf schrieb in einer Stellungnahme, er könne diesen „Eingriff“ in sein bischöfliches Amt „nicht so einfach hinnehmen“. Der Pastoraltheologe betonte, nach dem römischen Schreiben sorge er sich „um die vielen (noch) Engagierten“. Kohlgraf: „Bald werden sie genug davon haben, wenn ihr Engagement nur misstrauisch beäugt und von oben herab bewertet wird.“

Außerdem sorge er sich um die Priester seiner Diözese, so der Bischof. „Schon jetzt können wir vakante Stellen nicht besetzen. Viele Priester klagen über Überforderung im Blick auf Verwaltung und Bürokratie.“ In Zukunft könne es sein, dass sich Pfarrer als Vorsitzende aller Gremien in den jetzigen Strukturen „zu Tode tagen“ würden. „Ist das wirklich gewollt?“, fragte Kohlgraf. Es scheine ihm auch „widersinnig, jede Zusammenlegung von Pfarren als Einzelfälle in Rom genehmigen zu lassen“.

Osnabrücker Bischof: „Bremse der Motivation“

Nach der am Montag in Rom veröffentlichten Instruktion bleiben Laien von der Gemeindeleitung ausgeschlossen. Dagegen hebt der Text die Rolle des Pfarrers hervor. Bestrebungen, die Leitung von Pfarreien beispielsweise Teams aus Priestern und kirchlich Engagierten sowie anderen Mitarbeitern anzuvertrauen, widerspricht das Schreiben direkt.

In einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme bezeichnete der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode das Papier als „starke Bremse der Motivation und Wertschätzung der Dienste von Laien“. Die Instruktion der Kleruskongregation habe die Bischöfe völlig überrascht, so der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Er habe eine vorherige Fühlungnahme mit den Realitäten vor Ort und eine bessere Beachtung der viel beschworenen Synodalität erwartet.

Auf Laien angewiesen

Bode sieht in dem Papier eine „Umkehr zur Klerikalisierung“. Die dargestellten Normen seien zu einem großen Teil von der Realität längst überholt. Das 2015 von der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlichte Schreiben „Gemeinsam Kirche sein“ habe schon vor Jahren eine Antwort auf die Herausforderungen dieser Zeit grundgelegt, „in der Getaufte, Gefirmte, Beauftragte, Gesendete und Geweihte in guter Weise zusammenspielen“.

Der Bischof betonte: „Wir sind auf die intensive Mitarbeit aller Getauften und Gefirmten angewiesen.“ Er sei angesichts der Instruktion in Sorge, „wie wir unter solchen Bedingungen neue engagierte Christen finden sollen und wie wir unsere pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterhin gut begleiten und fördern können.“

Permanente Not

Die neuen Leitungsmodelle der Diözese Osnabrück, wo an mehreren Orten Pfarrbeauftragte anstelle eines Pfarrers Gemeinden leiten, seien ganz im Rahmen des Kirchenrechts, betonte Bode. Die neue Instruktion lasse diesen Weg nur als vorübergehende „Notverordnung“ zu. „Ich bin der Meinung, dass diese Not bei uns an so manchen Stellen permanent existieren wird“, erklärte der Bischof und fügte hinzu: „Ich sehe zurzeit keinen Änderungsbedarf in der Diözese Osnabrück an unserem Kurs einer Kirche der Beteiligung.“

Der im vergangenen Jahr in der deutschen katholischen Kirche begonnene Reformprozess „Synodaler Weg“, bei dem es um die gemeinsame Gestaltung von Kirche gehe, erweise sich nun als umso notwendiger. „Nur dieser Synodale Weg kann eine Antwort auf diese römische Herausforderung sein.“ Die Bischofskonferenz werde sich noch intensiver mit diesen Fragen befassen müssen, die in den meisten Diözesen schon lange bedacht würden, so Bode.

Kardinal lobt Vatikan-Instruktion

Gänzlich anders sieht Kardinal Rainer Maria Woelki das Papier aus dem Vatikan. Er lobt die Vatikan-Instruktion zu Reformen in Kirchengemeinden. „Ich bin dankbar, dass uns Papst Franziskus mit dieser Handreichung den Weg weist“, sagte der Kölner Erzbischof. Das Dokument enthalte viele Anregungen für einen missionarischen Aufbruch der Kirche. „Zugleich ruft es uns Grundwahrheiten unseres Glaubens in Erinnerung, die wir gerade in Deutschland vielleicht manchmal aus dem Blick verlieren, wenn wir zu sehr mit uns selbst beschäftigt sind.“

Woelki erklärte: „Nicht wir machen Kirche, und es ist auch nicht unsere Kirche, sondern die Kirche Jesu Christi.“ Dieser habe die Kirche gestiftet und mit ihr die Sakramente und das besondere Priestertum. „Papst Franziskus rückt hier einiges zurecht, aber nicht als Maßregelung oder Disziplinierung, sondern als Ermutigung, ganz auf Christus zu setzen, um wieder eine missionarische Kirche zu werden.“

Krautwaschl: Dokument bietet „klares Gerüst“

Der steirische Bischof Wilhelm Krautwaschl erklärte in einer Stellungnahme, die Kleruskongregation betone mehrfach die Sendung aller Getauften, die oberste Hirtensorge obliege aber dem Pfarrer. Das sei auch in der steirischen Diözesanreform so vorgesehen gewesen. Das Dokument „bietet ein klares Gerüst und lässt Interpretationsspielraum für regionale Ausformungen zu, um das pastorale Leben moderner zu machen“, so Krautwaschl.

Die Kuppel des Petersdoms

APA/AP/Andrew Medichini

Das Schreiben aus dem Vatikan löste eine Debatte aus

Papier „wird sich erübrigen“

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, hält die Instruktion des Vatikans mit Vorgaben für Pfarrgemeinden für in der Praxis irrelevant. Das Papier sei so weit an der Realität vorbei, dass es sich erübrigen werde, sagte Sternberg am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk. Dies sei wie in vielen anderen Fällen, „wo man geglaubt hat, man könnte durch eine konstruierte Wirklichkeit in eine Entwicklung eingreifen, die längst völlig anders läuft“.

Sternberg sagte, aufgrund des Priestermangels müssten Pfarrer immer größere pastorale Einheiten verwalten und hätten immer mehr zu tun. Ohne eine Beteiligung von Laien sei dies nicht mehr möglich: „Laien allein als Helfer und Berater des Klerus - die Zeiten sind nun wirklich vorbei“, sagte Sternberg. Der Vatikan zeige „ein völlig antiquiertes und völlig überholtes Bild“.

Laienbewegung ortet „Religionsdiktatur“

Die Laienbewegung „Wir sind Kirche“ rief am Dienstag zum Widerstand gegen die Anweisungen aus Rom auf. Wir sind Kirche appellierte an die Gemeinden, die kirchlichen Gremien, aber auch die Bischöfe und die Mitglieder des sogenannten Synodalen Wegs, sich nicht mehr diskriminierend vorschreiben zu lassen, wie sie ihr Leben als Gläubige zu gestalten hätten.

Es handle sich bei dem von Papst Franziskus gebilligten Papier um einen ungeheuerlichen Versuch, die katholische Kirche wieder vor das Zweite Vatikanische Konzil zu führen und „dringend anstehende Pastoralreformen auszubremsen“, kritisiert „Wir sind Kirche“. „Mit dieser Instruktion werden vor allem auch alle Frauen von allen Leitungs- und Weiheämtern ferngehalten“, teilte ihr Sprecher Christian Weisner mit. „Diese Instruktion erscheint wie ein letzter Aufschrei einer sterbenden Religionsdiktatur“, so der Vorwurf.

Neue Wege wegen Priestermangels

Die Gruppe nannte die Veröffentlichung gänzlich unerwartet. Sie komme wohl mit Absicht in einer Zeit, in der in Deutschland und weltweit nach neuen Wegen für die Zukunft der Kirche gesucht werde.

Das Schreiben der Kleruskongregation des Vatikans erteilt nicht nur der Leitung von Pfarrgemeinden durch ein gleichberechtigtes Team von Priestern und Nicht-Klerikern eine Absage, sondern untersagt auch die Zusammenlegung von Gemeinden abgesehen von begründeten Ausnahmefällen. Beides ist aber angesichts des Priestermangels in vielen Gemeinden bereits Realität.

Theologe: Dokument schützt Pfarrgemeinden

Der Wiener Theologe Paul Zulehner sieht bei aller Kritik etwa das Verbot von Zusammenlegungen ohne begründete Ausnahmefall als positiv. Denn es schütze geschichtlich gewachsenen Pfarrgemeinden. „Pfarrgemeinden dürfen nicht Opfer flächendeckender diözesaner Strukturpläne werden“, forderte Zulehner.

So hätten Strukturreformen nicht der Bewältigung des Mangels an Klerikern oder finanzieller Ressourcen zu dienen, sondern dürften einzig der Frage geschuldet sein, welche pastoralen Vorgänge strukturell sichergestellt werden müssen, damit das Kerngeschäft der Kirche, die Evangelisierung, gut geschehen kann.

religion.ORF.at/KAP/AFP/dpa

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