Spannung vor Ablauf von China-Vatikan-Deal

In drei Wochen läuft das umstrittene Abkommen zwischen dem Vatikan und China, mit dem etwa die Ernennung von Bischöfen geregelt wird, aus. Beobachter rechnen mit einer Verlängerung des Deals, mit dem China auch eine unliebsame Zivilgesellschaft loswerden wolle.

Einen „unglaublichen Verrat“ am katholischen Glauben nannte Hongkongs emeritierter Bischof Kardinal Joseph Zen Ze-kiun das 2018 geschlossene Abkommen. Er warf dem Vatikan Naivität und nicht zuletzt einen „Ausverkauf“ der römisch-katholischen Kirche vor. Damit meinte er konkret die Untergrundkirche, die in China lange Zeit verfolgt wurde und treu zum Vatikan steht. Es gibt aber auch eine offizielle chinesische, patriotische katholische Kirche.

Das umstrittenste Thema zwischen Vatikan und Peking war stets die Frage der Bischofsernennungen. In der katholischen Kirche ernennt der Papst Bischöfe. Doch China sieht die Ernennungen als innerchinesische Angelegenheit und ernannte selbst Bischöfe. So gab es zahlreiche Bischöfe, die von der jeweils anderen Seite gar nicht anerkannt wurden. Das Abkommen sollte eine Lösung herbeiführen. Der genaue Inhalt des Deals ist aber unbekannt: Das Abkommen wurde nie veröffentlicht. Zwei Jahre später ist der Deal immer noch umstritten, doch der Vatikan und China stehen offenbar davor, ihn zu verlängern.

Abkommen „verständliches Glücksspiel“

Der Journalist, Pulitzer-Preisträger und China-Kenner Ian Johnson sagte im Gespräch mit der Ö1-Sendung „Religion aktuell“, der Vatikan sei mit dem Abkommen wegen der Situation der katholischen Kirche in China ein „verständliches Glücksspiel“ eingegangen. „Wenn man Bischöfe nur schwer weihen kann oder keine legitimen Priester hat, die die Kirche am Laufen halten, ist es sehr schwer für die Kirche, zu florieren.“

Journalist Ian Johnson

APA/AFP/Tobias Schwarz

Journalist Ian Johnson

Seit 2012 gab es pro Jahr zwischen 60 und 97 Priesterweihen, im vergangenen Jahr waren es nur 48. Darüber, wie viele katholische Christinnen und Christen es in China gibt, kurisieren viele Schätzungen. Das Holy Spirit Study Centre (HSSC) der Diözese Hongkong ging 2017 von zehn Millionen Katholikinnen und Katholiken aus, wie aus einem Bericht des in Deutschland ansässigen China-Zentrums hervorgeht. Die Gläubigen sollen etwa gleich auf Untergrund- sowie Offizialkirche aufgeteilt sein.

Ein Deal, zwei Interessen

Es sei zu früh, um zu sagen, ob das Abkommen „funktionieren wird oder nicht“, sagte Johnson. Doch „bis jetzt hat es nicht so funktioniert, wie der Vatikan es sich erhofft hat“. Wenn eine Vereinbarung mit China bereits vor 20 oder 30 Jahren getroffen worden wäre, könnte man jetzt vielleicht schon Erfolge sehen, sagte der Journalist.

Das Problem für den Vatikan sei, dass es mittlerweile, eine „sehr starke, durchsetzungsfähige Regierung, unter Xi Jiping, die keine Art der Beeinflussung oder Einfluss von außen“ duldet, gibt. Für die aktuelle Regierung sei es „sehr schwer“ einer Organisation von außen, wie dem Vatikan, zu erlauben, klerikale Angelegenheiten in China zu bestimmen. Johnson geht davon aus, dass der Vatikan „sich das noch ein bisschen länger ansehen“ wolle, bevor man das Abkommen „als gescheitert betrachtet“.

Zivilgesellschaft unter Kontrolle bringen

Die Interessen des Kirchenstaates und die Chinas gehen laut Johnson weit auseinander. Chinas Interesse sei das Aus der Untergrundkirche. „Sie sagen, alle Bischöfe sind geweiht, alle Pfarrer sind legal, es gibt keinen Grund mehr für eine Untergrundkirche. Also tretet der offiziellen, staatlich organisierten Kirche bei.“

Vatian von weitem

APA/AFP/Tiziana Fabi

Der Vatikan und China schlossen 2018 ein Abkommen

Das helfe China, „eine Zivilgesellschaft loszuwerden“, die sich außerhalb der Regierungskontrolle bewegt und „sie unter Regierungskontrolle zu bringen“. Johnson: „Das ist das Interesse der chinesischen Regierung.“

„Viel Misstrauen“ innerhalb der Kirchen

Das Interesse des Vatikans ist ein anderes. Der Wunsch ist es, die Kirche nachhaltig zu stärken. Der Vatikan hoffe, sagte Johnson, wenn die Spaltung in Untergrund und offizielle Kirche überwunden wird, also beide Kirchen zusammenkommen, dass „die Kirche jünger, flexibler, stärker“ werde, um der Zukunft entgegen zu blicken.

Keine leichte Aufgabe: Die Untergrundkirche existiert seit Jahrzehnten und das Misstrauen gegenüber der offiziellen Kirche ist nach wie vor groß, sagte Johnson. „Es gibt viel Misstrauen, in ein und derselben Stadt, dem selben Dorf, zwischen der Untergrundkirche und der staatlichen. Es ist unrealistisch zu denken, dass die auf einmal eins werden. Das wird lange dauern.“

Bilanz nicht rosig

Anfang August berichtete die chinesischen Parteizeitung „Global Times“, der Vatikan sei entschlossen, das vorläufige Abkommen mit der Volksrepublik zu erneuern. Die derzeitigen Verhandlungen seien „ein Beweis dafür, dass das Rahmenabkommen in den vergangenen zwei Jahren gut funktioniert“ habe, heißt es in dem Beitrag. Dies werde dazu beitragen, „die bilateralen Beziehungen auf die nächste Ebene zu heben“.

Ganz so rosig dürfte die Bilanz allerdings nicht ausfallen, wie die römisch-katholische Nachrichtenagentur Kathpress berichtete. Im vatikanischen Staatssekretariat wisse man sehr wohl „von der misslichen Lage der Kirche“ in China. „Gleichwohl gibt es so gut wie keine öffentliche Kritik an Pekings Umgang mit Religion und Menschenrechten“. Weder im Fall Hongkong, noch bei den Uiguren oder den Christen, äußerte sich der Vatikan lautstark zu Wort.

Petersplatz im Vatikan, von oben

Reuters/Remo Casilli

Die Position des Vatikan: Der Deal soll die katholische Kirche in China stärken

Schweigen zu Menschenrechtsverletzungen

„Es scheint, als wollten Papst Franziskus und seine Leute es sich auf keinen Fall mit Peking verderben“, berichtete Kathpress kürzlich. Kritik am Vatikan äußerte diesbezüglich etwa die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). Das Schweigen zu den von China begangenen Menschenrechtsverletzungen sei „zu verurteilen“.

IGFM warnte vor einer Verlängerung des Abkommens zwischen dem Vatikan und China. Der Inhalt des Paktes müsse zunächst unbedingt veröffentlicht werden, um Klarheit über die tatsächlichen Absichten der Vertragspartner zu schaffen, forderte die Organisation.

Warnung vor Verlängerung

Laut IGFM ist zu befürchten, dass sich die chinesische Führung auf Dauer nicht an die Verpflichtungen des Vertrags halten wird. „Bereits in Hongkong erweist sich die Pekinger Führung als schamlos vertragsbrüchig“, warnte der Organisationsvorsitzende Edgar Lamm.

Das Abkommen bedeute nicht nur, der totalen Kontrolle der Regierung in Peking über die katholischen Christinnen und Christen in China den Weg zu ebnen. Es stelle auch eine Abkehr von allen durch Peking wegen ihrer Religion verfolgten Menschen dar, erklärte die Organisation.

Alter Weg „gescheitert“

Im Gespräch mit „Religion aktuell“ nahm Johnson den Papst gegen Kritik in Schutz, wonach die Entscheidung zu einem Abkommen falsch, gar ein „Ausverkauf“ der Kirche sei: „Der Status quo, den es davor gab, hat nicht funktioniert. Die Kritiker müssen auch erkennen, dass der alte Weg nicht erfolgreich war, dass er gescheitert ist.“

Johnson: „Es gab immer weniger Priester, die ihre Gelübde abgelegt haben, immer weniger Ordensfrauen. Die Kirche befand sich nahezu in freiem Fall.“ Es sei in Ordnung, den Papst zu kritisieren, aber die Menschen müssen auch sehen, „dass er handeln und etwas ausprobieren“ musste.

akin, religion.ORF.at/KAP

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