Experte: Katholiken könnten US-Wahl entscheiden

Die Katholiken sind aus Sicht des Religionssoziologen Philip S. Gorski „die interessanteste und womöglich wahlentscheidende Gruppe in den USA“. Sie seien „divers und vielfältig“, sagte der an der Yale University lehrende Forscher.

Zudem ließen sie sich weniger für nationale Belange vereinnahmen als evangelikale Gruppen, so Gorski in der deutschen Wochenzeitung „Die Tagespost“ (Donnerstag-Ausgabe). Es sei daher denkbar, dass viele Katholikinnen und Katholiken im Vergleich zur US-Wahl 2016 anders abstimmen würden.

„Die US-Katholiken gelten stets als hin- und hergerissen: zwischen Familien- und Sexuallehre einerseits und der Soziallehre andererseits“, erklärte Gorski. In den Augen der meisten Evangelikalen sei der Lebensschutz dagegen „die einzige und entscheidende Frage“.

Rassismusfrage drängt

Derzeit sei für viele „die Rassismusfrage am drängendsten“, so der Experte: „Darum könnten die Katholiken in Richtung der Demokraten kippen.“ Vor vier Jahren hatte knapp die Hälfte der katholischen Wählerinnen und Wähler für den amtierenden Präsidenten Donald Trump votiert.

Katholische Kirche Basilica of the National Shrine of the Immaculate Conception in Washington, DC

APA/AFP/Daniel Slim

2016 votierte knapp die Hälfte der katholischen Wählerinnen und Wähler für Donald Trump, diesmal könnte es anders sein, so der Experte (Basilica of the National Shrine of the Immaculate Conception in Washington, DC)

Trumps „apokalyptische Töne“

Insgesamt seien die Amerikaner „noch viel gläubiger“ als die Europäer, sagte der Religionssoziologe weiter. Trump kämpfe „mit apokalyptischen Tönen, ihm ist es gelungen, den Wahlkampf als den letzten Kampf zwischen Gut und Böse darzustellen“. Insbesondere für viele Evangelikale stelle er „das kleinere Übel dar, für manche sogar den großen Retter“.

Andererseits gebe es auch im Lager der Evangelikalen zunehmend Kritik am persönlichen Verhalten des Präsidenten. „Gut möglich, dass einige ihn dieses Jahr nicht wählen oder am Wahltag einfach zu Hause bleiben“, sagte Gorski. Genauso gut könne es jedoch sein, „dass ihn die Evangelikalen noch einmal mit 80 Prozent ins Amt wählen“.

500 US-Religionsvertreter unterstützen Biden

Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden erhält unterdessen im Wahlkampf Rückendeckung von rund 500 Vertretern verschiedener Religionsgemeinschaften. Nach Angaben von „Faith 2020“ sind darunter einige, die zum ersten Mal offen einen politischen Kandidaten unterstützen, berichtete die „Huffington Post“ (Dienstag Ortszeit). Die meisten beteiligen sich demnach als Einzelperson an der Initiative und nicht als Vertreter einer Glaubensgruppe.

„Unser Land befindet sich an einem historischen Wendepunkt und braucht dringend eine moralische Führung“, erklärte der Hauptorganisator der Initiative, der presbyterianische Pfarrer Fred Davie. Der Geschäftsführer von „Faith 2020“, Reverend Adam Nicholas Phillips, erklärte: „Viel zu lange hat die republikanische Partei den Glauben an sich gerissen.“ Die Initiative bezeichnet sich selbst als eine „Gruppe von Freunden und Nachbarn“, die Biden und dessen Vizekandidatin Kamala Harris als „moralisch seriöse Kandidaten“ bezeichnen.

Das Wahlkampfteam Bidens hatte im Juli mit dem evangelikalen Christen und früheren Republikaner Josh Dickson einen nationalen Direktor für Glaubensfragen eingestellt.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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