Beratungen zu „Pakt gegen Einsamkeit“

Erste Schritte für einen „Pakt gegen Einsamkeit“ haben am Montag Regierungsmitglieder sowie Vertreter mehrerer Hilfsorganisationen, darunter Caritas und Diakonie, gemacht.

Im Zentrum eines runden Tisches gegen Alterseinsamkeit standen u.a. Maßnahmen, um in Coronavirus-Zeiten ein sicheres Umfeld für Pflegeheime und Krankenhäuser zu schaffen. Es gelte vorrangig „das Virus zu isolieren, und nicht die Menschen“, mahnte dabei Caritas-Präsident Michael Landau.

Ein weiterer runder Tisch wurde für die kommenden Wochen avisiert, hieß es nach dem mehrstündigen Gespräch im Kanzleramt. Bis dorthin sollen die kurzfristigen Maßnahmen erarbeitet werden. Für die Einsetzung eines oder einer Beauftragten der Bundesregierung plädierte Caritas-Präsident Michael Landau. Er forderte ein breites Bündnis aus Bund, Ländern, Gemeinden, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.

Landau: Einsamkeit „westliche Zivilisationskrankheit“

Zwar sei Einsamkeit bereits vor der Coronavirus-Krise „eine Zivilisationskrankheit in westlichen Gesellschaften“ gewesen - die Jung und Alt gleichermaßen treffe - die Pandemie habe das Problem aber noch einmal deutlich verschärft, betonte Landau in seiner Stellungnahme. Er forderte „mutige und innovative Initiativen“, Enttabuisierung sowie einen eigenen Regierungsbeauftragten gegen Einsamkeit.

Ein älterer Man sitzt alleine auf einer Bank, daneben steht ein Fahrrad

APA/zb/Patrick Pleul

Die österreichische Bundesregierung hat mit Hilfsorganisationen über Maßnahmen gegen Einsamkeit gesprochen

Als besonders betroffen gelten laut Caritas alte Menschen in der mobilen und in der stationären Pflege gewesen, aber auch viele ältere Menschen, die allein zu Hause leben. „Hier werden wir Antworten brauchen - etwa wenn es um die Abwägung zwischen Freiheit des Einzelnen und Schutz der Allgemeinheit geht“, forderte der Caritas-Präsident im Blick auf das viel kritisierte Besuchsverbot in Pflegeheimen. Hand in Hand ginge damit aber auch eine Pflegereform.

6.000 Anrufe beim „Plaudernetz“

Caritas-Angaben zufolge hatten bereits vor der Coronavirus-Krise in Österreich auf 372.000 Menschen niemanden für persönliche Gespräche. Zudem habe sich die Zahl der Single-Haushalte in den letzten 30 Jahren fast verdoppelt. „Wenn wir Menschen nun in der Krise raten, ihre sozialen Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren, dann bedeutet das für viele, dass sie gar keine Sozialkontakte mehr haben“, warnte Landau.

Als positiv hätten sich schon vor der Pandemie Besuchsdienste und pfarrliche Initiativen wie Wärmestuben, Begegnungscafés, Buddy-Projekte oder Social-Media-Gruppen zum Austausch pflegender Angehöriger ausgewirkt, so Landau. Zu den Angeboten gegen Einsamkeit zählt aber auch das unter der Tel. 05 1776 100 erreichbare, von der Caritas mitinitiierte „Plaudernetz“. Seit April sind dort laut Landau mehr als 6.000 Anrufe aus ganz Österreich eingegangen.

Diakone: Einsamkeit macht krank

„Dass das Thema Einsamkeit ganzheitlich und breit in den Blick genommen werden muss“, bezeichnete Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser im Vorfeld des Runden Tisches als „wichtige Lernerfahrung aus der Coronakrise“. Nun müsse der Blick neben den „virologischen und infektiologischen Betrachtungsweisen“ verstärkt auf die psychische, soziale und spirituelle Dimension gelenkt werden. Denn Einsamkeit wirke sich unmittelbar auf die Gesundheit aus: „Sie schwächt das Immunsystem, fördert Depressionen, Schlaflosigkeit und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, beschleunigt das Fortschreiten von Demenz“, warnte Moser.

Der Pakt gegen die Einsamkeit müsse zudem breiter gedacht werden, meinte die Diakonie-Direktorin. So seien nicht nur Ältere betroffen, sondern auch Schüler und Studierende sowie Arbeitslose, die sich laut „Austrian Corona Panel“ am häufigsten einsam gefühlt hätten. Neben einer Pflegereform forderte Moser daher Maßnahmen für Existenzsicherung, Bekämpfung der Kinderarmut, faire Bildungschancen und eine soziale Teilhabe.

Treffen am runden Tisch

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte Ende August einen „Pakt gegen Einsamkeit“ angekündigt. Die am Runden Tisch teilnehmenden Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Zivildienstministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) betonten am Montag ebenfalls ihr Engagement gegen Einsamkeit, die insbesondere ältere und pflegebedürftige Menschen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen infolge der Maßnahme zur Eindämmung des Coronavirus treffe.

Zu den beim Dialog vertretenen Hilfsorganisationen zählten neben Caritas und Diakonie unter anderem auch das Rote Kreuz, der Seniorenbund und Pensionistenverband.

Bewusstsein schaffen

Regierungschef Kurz nannte als hilfreiche Maßnahmen u.a. bauliche Einrichtungen wie Plexiglasscheiben, gute Hygiene, Besuchskonzepte und gezielte Testungen. Zudem gelte es, ein „stärkeres Bewusstsein in unserer Gesellschaft“ für die Alterseinsamkeit zu schaffen.

Gesundheits- und Sozialminister Anschober thematisierte zudem die veränderten Lebensstrukturen in den Städten, etwa durch die zunehmende Mobilität. Auf freiwilliges Engagement setzt die für den Zivildienst zuständige Ministerin Köstinger: Gerade in Zeiten der Pandemie sei es wichtig, Ehrenamtliche einzusetzen sowie Nachbarschaftshilfe stärker in den Fokus zu rücken.

religion.ORF.at/KAP/APA

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