Mann mit langem Bart und nacktem Oberkörper schleppt einen großen Ast durch den Dschungel

ORF/Herbert Eisenschenk

„Auroville - Eine andere Welt ist möglich“

„kreuz und quer“ besucht österreichische Bewohner der Stadt Auroville in Indien, einer der letzten verbleibenden alternativen Lebensutopien der Nachkriegszeit. Danach erzählt der Musiker und Maler Arik Brauer in „Arik Brauer. Eine Jugend in Wien“ seine Lebensgeschichte.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 10. Dezember 2013
um 22.35 Uhr, ORF 2

Wiederholungen:

Mittwoch, 11. Dezember 2013
um 20.15 Uhr, ORF III

Donnerstag, 12. Dezember 2013
um 11.50 Uhr, ORF 2
(nur „Eine andere Welt ist möglich“)

Zahlreich waren die Gründungen von Gemeinschaften zur Verbesserung der Welt in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Als einzige sinnvoll erscheinende Alternative auf eine nur noch kapitalistisch orientierte Nachkriegsgesellschaft verstanden, förderten vor allem progressive Intellektuelle, Künstlerinnen und Künstler in Europa diese Entwicklung. Indien wurde Heimat für viele dieser Sinn suchenden Kommunen.

Mit dem Niedergang der Protestbewegungen des Westens Anfang der 70er Jahre begann auch die Auflösung dieser Unterfangen, die mit einer Verbindung von Alltagsspiritualität und genügsamen Lebensformen ein gerechtes und friedliches Zusammenleben der Menschheit zu erzielen trachteten – bis auf eine Ausnahme: 45 Jahre nach ihrer Gründung kann sich die internationale Gemeinschaft von Auroville im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu steigenden internationalen Interesses erfreuen.

Knapp 2.200 Menschen aus 42 Nationen versuchen sich an dem subtropisch-heißen Ort gegenwärtig in der Umsetzung der Auroville-Charter: ein Leben nach einer schonend-ökologischen Ausrichtung zu gestalten. „kreuz und quer“ – präsentiert von Doris Appel – zeigt am 10. Dezember 2013 Herbert Eisenschenks Film „Eine andere Welt ist möglich“, in der vier Österreicher über ihr Leben in Auroville sprechen.

In Helene Maimanns Film „Arik Brauer. Eine Jugend in Wien“ erinnert sich der Maler, Musiker, Architekt, Bildhauer, Bühnenmensch und leidenschaftliche Geschichtenerzähler um 23.20 Uhr an die Zeit, die ein Leben lang Inspiration und fester Bezugspunkt gewesen ist. Mit Arik Brauer erzählen seine Frau Naomi, seine Töchter Timna und Ruth, seine Enkelin Jasmin und zwei seiner engsten Freunde: der Schauspieler und Regisseur Otto Schenk und der Tibetologe Ernst Steinkellner.

„Auroville – Eine andere Welt ist möglich“

Auch wenn es erstaunen mag: Die Idee rund um die Lebensutopie Auroville scheint mehr brauchbare Rezepte auf die derzeitige globale Ratlosigkeit gegenüber stagnierenden Wirtschaftswundern und der ernüchternden Erkenntnis, dass Konsum allein nicht glücklich macht, zu haben als permanent fortschrittsgläubige Heilsversprechen aus Politik und Globalökonomie.

In Auroville verpflichtet sich jeder Einzelne, seine Arbeitsleistung zum Nutzen der Gemeinschaft zu investieren. Jeder Bewohner und jede Bewohnerin hat die Möglichkeit sich auszuprobieren in dem, was er oder sie machen will – unabhängig vom vorherigen Berufsleben und abseits gesellschaftlicher Einschränkungen und Vorgaben. Und so versteht sich Auroville als ein „Labor der Evolution“, dessen Zielaufgabe die evolutionäre Veränderung des Menschen zu einem Wesen mit göttlichem Bewusstsein sein soll.

Über ihr Leben in Auroville sprechen die Österreicher Otto, Martin, Achilles und Aurelio: Otto lebt seit 30 Jahren in Auroville und ist der oberste Finanzverwalter. Davor leitete er zehn Jahre eine Diskothek in Wien. Nebenbei ist Otto ein begnadeter Schauspieler und der Star von Aurovilles professioneller Theatergruppe.

Martin, 34, kam nach seinem Studium in Wien nach Auroville. Er lebt von einer Mindestgeldversorgung, der sogenannten Maintenance, in der Höhe von 140 Euro pro Monat. Wenig Geld, aber Martin ist zufrieden und führt ein ereignisreiches Leben als Consultant für nachhaltige Energiemodelle.

Achilles, ebenfalls seit 30 Jahren in Auroville, bezeichnet sich selbst als Überbleibsel der Hippiegeneration. Er betreut einen Reitstall und arbeitet hauptsächlich in den Wäldern Aurovilles. Achilles war einer der Auroville-Pioniere, die in den 70er und 80er Jahren das trostlose Hochplateau an Südindiens Koromandelküste in eine fruchtbare Regenwaldlandschaft verwandelten.

Aurelio schließlich leitet ein Unternehmen zur Erzeugung von Musikinstrumenten. Er beschäftigt 40 Inder und eine Handvoll Zivildiener aus Österreich und Deutschland. Für ihn ist das Leben in Auroville eine oft schwierige Grätsche zwischen kommerziellen Unternehmerinteressen und einer Spiritualität, ohne die das bewusste Leben in Auroville scheitern würde.

Ein Film von Herbert Eisenschenk

„Arik Brauer. Eine Jugend in Wien“

Arik Brauer, geboren 1929, mitten im kältesten Winter des vorigen Jahrhunderts, hat seine frühen Jahre – nicht nur was das Wetter anlangte – unter extremen Bedingungen verbracht. Aufgewachsen im Arbeiterbezirk Ottakring, „wo das Leben sein wahres Gesicht zeigt“, überlebte er als jüdisches Kind in Wien die NS-Zeit, wurde nach Kriegsende leidenschaftlicher Kommunist, Bergsteiger und Sänger und unternahm als Kunststudent weite Reisen mit dem Rad durch Europa und Afrika.

Der berühmte Maler und Musiker, Mitbegründer der Wiener „Schule des Phantastischen Realismus“, erzählt seine Kindheit und Jugend. Arik Brauer unterschied sich kaum von den Gassenbuben seiner Umgebung. Aber er wurde zutiefst geprägt von seinem Vater, einem ostjüdischen Schuhmacher, und seiner nichtjüdischen Mutter, beide überzeugte Sozialdemokraten.

Brauer wuchs mit den skurrilen und farbprächtigen Figuren der Vorstadt auf, darunter dem „Spiritus“ und dem „Froschermandl“, die er besungen und für diesen Film auch gemalt hat. Er besuchte mit dem Filmteam erstmals wieder die Elternwohnung in einem alten Zinshaus am Ludo-Hartmann-Platz – Zimmer, Küche, Klo am Gang, in dem sich praktisch nichts geändert hat seither – und die Parks und Straßen, in denen seine Bubenbande ihr Unwesen getrieben hat. Seine Erinnerungen an diese Kindheit, die weitaus freier und ungebundener war als die der behüteten Bürgerkinder, sind voll Wärme und Zärtlichkeit. Diese Jahre waren eine harte Schule, die ihm aber auch das Rüstzeug zum Überleben gaben.

Nach dem „Anschluss“ an das Deutsche Reich verschwand der Vater nach Osteuropa. Brauer sollte ihn nie mehr wiedersehen. Er lernte die Tragödien der Verfolgung und die Strategien des Überlebens kennen und schaffte es, in der Tischlerei der jüdischen Gemeinde den Krieg zu überleben. Brauer wurde aus nächster Nähe zum Augenzeugen des Schicksals der Deportierten, das ihn zum Schluss auch fast selbst getroffen hätte. Er war gerade 16, als er im Winter 1945 in einem Schrebergarten am Wilhelminenberg untertauchte.

Nach dem Krieg wurde er sofort auf die Akademie der bildenden Künste aufgenommen, stürzte sich voll Leidenschaft in den Kommunismus, den er später schwer enttäuscht hinter sich ließ, und entwickelte sich zum begeisterten Alpinisten und Skifahrer. Bis heute geht er regelmäßig auf die Rax und unternimmt ausgedehnte Skitouren. Und er wurde ein Reisender, der mit dem Fahrrad quer durch alle Demarkationslinien und Grenzen Europa und Nordafrika erforschte, bevor er zum ersten Mal nach Israel aufbrach und dort seine künftige Ehefrau Naomi kennenlernte.

Für den musikalischen Part zeichnen Otto Lechner, Arik, Timna und Jasmin Brauer und das Ensemble Timna Brauer und Elias Meiri verantwortlich. Gedreht wurde der Film – eine Koproduktion von ORF und Amour Fou Vienna, unterstützt von Fernsehfonds Austria, Filmfonds Wien und Land Niederösterreich – in Wien und Niederösterreich. Außergewöhnlich sind die Archivbilder, die Maimann verwenden konnte: darunter private Aufnahmen der Familie Baker von den Tagen des März und April 1938 in Wien, die das Holocaust Memorial Museum in Washington zur Verfügung gestellt hat.

Ein Film von Helene Maimann