Mann mit Schaufel in Tresorraum, Boden mit einer Unzahl von Münzen bedeckt

ORF/Drahtwarenhandlung/Alladin Hassan

Das Ende der Einzelkämpfer

„kreuz und quer“ widmet sich in zwei unterschiedlichen Zugängen dem Thema Wohlstandsverteilung: „Generation Grundeinkommen“ befasst sich mit einer modernen Utopie und ihrer Umsetzbarkeit, „Vom Sinn des Gebens“ mit dem neuen Ansatz der Kooperationsforschung.

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ORF

Sendungshinweis

Dienstag, 8. April 2014
um 22.35 Uhr, ORF 2

Wiederholung:

Mittwoch, 9. April 2014
um 20.15 Uhr, ORF III

Donnerstag, 10. April 2014
um 11.55 Uhr, ORF 2
(nur „Vom Sinn des Gebens“)

„kreuz und quer“ – präsentiert von Christoph Riedl – zeigt am 8. April 2014 die Dokumentation „Generation Grundeinkommen“, in der Niki Popper und Michael Posset folgenden Fragen nachgehen: Ist das Bedingungslose Grundeinkommen die letzte Chance, den Raubtierkapitalismus in die Schranken zu weisen oder bleibt es eine Utopie? Würden die Menschen trotzdem arbeiten und den Wohlstand aufrechterhalten können? Ist die Idee überhaupt finanzierbar? Wo soll das Geld herkommen? Um 23.10 Uhr folgt der Film „Vom Sinn des Gebens“ von Kurt Langbein und Gottfried Derka über die „Evolution der Nächstenliebe“.

„Generation Grundeinkommen“

Die Zeit der Einzelkämpfer ist vorbei. Eine Generation von Menschen ist gerade dabei, die Gesellschaft einem grundlegenden Wertewandel zu unterziehen. Das permanente Streben nach maximalem Profit, das bis in die 1990er Jahre ein starker Motor mitteleuropäischer und amerikanischer Gesellschaften war, befriedigt sie nicht länger. Sie setzen stattdessen auf Werte wie Gemeinschaft, Familie oder Gerechtigkeit. Vor allem die immer größer werdende Schere zwischen Arm und Reich beunruhigt sie.

Ist die Arbeit eines Müllmanns weniger bedeutend als die eines Investmentbankers? Ist Kinderbetreuung von geringerem Wert für die Gesellschaft als das Handeln von Finanzmanagerinnen und -managern am globalisierten Markt? Seit der Pleite der Lehmann Brothers und der Finanzkrise 2008/2009 ist der Kapitalismus ihrer Meinung nach am Ende. Sie fordern keine Verbesserung des bestehenden Systems, sondern einen radikalen Wandel.

Eine ihrer Ideen: ein „Bedingungsloses Grundeinkommen“. Das sozialpolitische Finanztransferkonzept gesteht jedem Menschen, egal ob er oder sie arbeitet oder nicht, ein Grundeinkommen von beispielsweise 1.000 Euro zu. Gegenleistung ist keine erforderlich, Bedingungen sind keine daran geknüpft. Bisher unbezahlte Arbeit, also Hausarbeit, Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen oder ehrenamtliche Tätigkeiten, die zu einem Großteil von Frauen geleistet werden, wären endlich halbwegs entlohnt, so die Befürworterinnen und Befürworter.

Mitarbeit bei der Freiwilligen Feuerwehr, karitative Tätigkeiten, Engagement im Sportverein oder freiwillige Umweltarbeit würde eine höhere Wertschätzung erfahren. Bei McJobs und schlecht bezahlter Arbeit müssten dadurch die Löhne massiv steigen, weil niemand mehr für einen Hungerlohn arbeiten würde. Der Druck bei Gehaltsverhandlungen mit dem Arbeitgeber würde wegfallen.

Obwohl das soziale Netz in Österreich sehr eng gestrickt ist, fallen immer wieder Menschen durch. Vor allem Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher leben oft in Armut. Sie müssen meist in Teilzeit arbeiten, weil sie die restliche Zeit für Kinderbetreuung benötigen. Das Bedingungslose Grundeinkommen könnte zumindest einen Teil der Probleme von sogenannten Working Poors lösen und ihre Existenz auf sichere Beine stellen.

Das Bedingungslose Grundeinkommen ist bis jetzt noch ein Gedankenexperiment, das allerdings immer mehr Zuspruch findet. Dieses Gedankenexperiment jedoch könnte in der Schweiz bald Wirklichkeit werden. 126.000 Menschen haben dort für eine verpflichtende Volksabstimmung zum Bedingungslosen Grundeinkommen unterschrieben. Über eine Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens muss daher abgestimmt werden.

Ein Film von Niki Popper und Michael Posset

Männer bei einem Kooperationsspiel - mit kleinen Stäbchen muss ein größeres in der Mitte hochgehalten werden

ORF/Langbein+Partner

Kooperationsspiel für Manager

„Vom Sinn des Gebens – Evolution der Nächstenliebe“

Zwei Menschen treffen aufeinander: Frau Klinger und Herr Weiss. Die beiden kennen einander nicht besonders gut, dennoch verbindet sie eine gemeinsame Geschichte: Herr Weiss ist vor eineinhalb Jahren an einem Nierenleiden erkrankt. Mit einem Schlag musste er sein aktives Leben beenden. Anstatt Ausflüge auf dem Mountainbike zu planen, bereitete er sich auf ein Leben mit der Dialyse vor: Mindestens drei Nächte pro Woche würde er im Krankenhaus verbringen müssen, damit dort Maschinen die Funktion seiner erkrankten Organe erledigen.

„Als ich von diesem Schicksalsschlag hörte, wusste ich sofort, dass ich helfen will“, sagt Frau Klinger. Dabei ist sie Herrn Weiss zuvor nur wenige Male begegnet, er ist der Sohn einer Zufallsbekanntschaft. Trotzdem legte sie sich für ihn unters Messer: Ärzte im Allgemeinen Krankenhaus in Wien entnahmen ihr eine ihrer beiden gesunden Nieren und implantierten sie Herrn Weiss. Dem brachte das neue Organ sein gewohntes Leben zurück. „Ich weiß bis heute nicht, womit ich ein so großzügiges Geschenk verdient habe. Warum hat sie für mich ein derart großes Opfer gebracht?“

Mit dieser Frage ist Herr Weiss nicht allein. Jahrzehntelang haben Wirtschaftswissenschaften den Menschen als ein Wesen porträtiert, das kühl berechnend nur den eigenen Vorteil und Profit sucht. Viele beriefen sich dabei auf die Feststellung des britischen Vaters der Evolutionstheorie, Charles Darwin. Dieser hatte gemeint, das Leben an sich sei ein einziger Kampf ums Überleben, ein „Struggle for life“.

Gemäß diesem Bild betrachten viele Ökonomen bis heute die globalen Märkte und ihre Mechanismen: Menschen jagen nun einmal mit aller Kraft nach individuellem Erfolg – und sei es auch auf Kosten ihres Nächsten. Erfolgreich ist, wer für sich am meisten zur Seite schaffen kann. Selbstlose Geschenke, Hilfsbereitschaft oder Kooperation erscheinen vor diesem Hintergrund als sinnloses Verhalten, fast schon als Irrtum der Evolution.

Doch vor kurzem haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Fachrichtungen begonnen, diese Sicht der Dinge zu hinterfragen. Die Finanzkrise verlieh dieser Arbeit besondere Dringlichkeit. Mittlerweile stellen Hirn- und Evolutionsforschung sowie Wirtschaftswissenschaften das alte pseudo-darwinistische Bild des Menschen auf den Kopf: Sie kommen zu dem Schluss, dass der Mensch durch seine Stammesgeschichte auf gegenseitige Unterstützung, Hilfsbereitschaft und Zusammenarbeit hin geprägt ist. Gier, aber auch Aggression und Gewalt sind dagegen lediglich Reaktionen auf ungünstige äußere Umstände.

Der aus Österreich stammende Mathematiker Martin Nowak ist einer der weltweit renommiertesten Vertreter des neuen Forschungszweiges der Kooperationsforschung. An der amerikanischen Elite-Universität Harvard erforscht er mit Methoden der Mathematik, warum sich trotz des evolutionären Konkurrenzkampfes gerade die Lebensformen durchsetzten, die prinzipiell kooperativ sind: von Einzellern zu Mehrzellern hin zu Ameisenstaaten und großen Wirtschaftsunternehmen. Für ihn ist die Fähigkeit zur Kooperation eine wesentliche Triebfeder der Evolution.

Ein Weg, menschliches Verhalten zu studieren, sind ausgeklügelte Experimente der neuen Forschungsrichtung „experimentelle Wirtschaftsforschung“. Schauspielerinnen und Schauspieler haben für diese Dokumentation einige dieser Versuche nachgespielt. Dabei zeigt sich etwa, dass der Mensch ein starkes Gefühl für Fairness hat.

Überprüft wurde das mit folgendem Versuch: Ein Teilnehmer bekommt Spielmünzen im Wert von 100 Euro und den Auftrag, sie mit einem Menschen zu teilen, den er nicht kennt. Laut herrschender ökonomischer Lehrmeinung dürfte die Versuchsperson ihrem Gegenüber nur einen Euro anbieten – schließlich denkt sie ja nur an ihren eigenen Gewinn. „Fast alle schrecken vor einem so unfairen Angebot zurück und bieten zwischen 40 und 50 Euro“, erzählt der Innsbrucker Wirtschaftsforscher Matthias Sutter. „Offenbar achten Menschen nicht nur auf ihren persönlichen Geldgewinn, sondern auch auf das Wohlergehen ihres Gegenübers.“

Der Neurobiologe Joachim Bauer berichtet von Strukturen im Gehirn, die den Menschen dazu anregen, zu kooperieren. „Wenn wir anderen Gutes tun, wenn wir durch Zusammenarbeit ein gemeinsames Ziel erreichen, dann belohnt uns unser Gehirn mit der Ausschüttung von Wohlfühlsubstanzen.“ Geiz und Egoismus sind demnach keineswegs menschliche Ur-Instinkte, sondern lediglich eine Reaktion auf äußere Umstände. Kriege sind für Bauer nicht Ausdruck einer evolutionären Notwendigkeit, sondern werden durch den Streit um knappe Ressourcen ausgelöst. Im Grunde sei der Mensch aber auf das Wohl seiner Mitmenschen hin orientiert.

Felix Warneken kann diese tief verankerte Neigung des Menschen schon bei Kleinkindern nachweisen. In Laborversuchen gaukelt er den kleinen Probanden vor, dass er nicht in der Lage sei, eine heruntergefallene Wäscheklammer aufzuheben. Daraufhin machen sich die Kinder ohne jegliche Aufforderung auf ihre wackeligen Beine, durchqueren den Raum, bücken sich nach der Wäscheklammer und reichen sie Felix Warneken. „Damit wird klar, dass Hilfsbereitschaft nicht anerzogen, sondern angeboren ist“, so Warneken.

Ein Film von Kurt Langbein und Gottfried Derka