Papstbesuch in Sarajevo

REUTERS/Dado Ruvic

Der Papstgottesdienst in Sarajevo

Das ORF-Papststudio übertrug live, als Franziskus der Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina einen Besuch abstattete und im Koševo-Stadion mit rund 60.000 Menschen Gottesdienst feierte. Es kommentierten Christoph Riedl-Daser, Paul Michael Zulehner, Mathilde Schwabeneder, Johannes Karner und Alexandra Kloiber.

Der päpstliche Besuch stand ganz im Zeichen des Bemühens um ein Miteinander der Religionsgemeinschaften und somit auch der einzelnen Volksgruppen. Eine schwierige Aufgabe, der sich die Religionsvertreter widmen. Auch Franziskus war es ein wichtiges Anliegen, dieses Miteinander 20 Jahre nach Kriegsende zu stützen und zu fördern.

Der Gottesdienst

Sarajevo ist sowohl multiethnisch - bosnisch, serbisch und kroatisch, als auch multireligiös: muslimisch, serbisch-orthodox, katholisch und jüdisch. Es war in den Kriegsjahren besonders schwer umkämpft, und die jetzige Begegnung mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche kann zu einem historisch bedeutsamen Schritt auf dem weiteren Weg der Aussöhnung werden.

Der Gottesdienst mit Audiodeskription

Auf einer eigenen Tonspur brachte der ORF wie immer den speziellen Kommentar für Menschen mit Sehbehinderung. Die Bildbeschreibung lag bei Johannes Karner und Alexandra Kloiber.

Im ORF-Papststudio war Pastoraltheologe Paul M. Zulehner Gast von Christoph Riedl-Daser und Co-Kommentator der Gottesdienstübertragung. Aus Sarajevo selbst war Mathilde Schwabeneder zugeschaltet.

Das Werk der Gerechtigkeit wird der Friede sein

1. Lesung: Jesaja 32

Wenn aber der Geist aus der Höhe über uns ausgegossen wird, dann wird die Wüste zum Garten, und der Garten wird zu einem Wald. In der Wüste wohnt das Recht, die Gerechtigkeit weilt in den Gärten. Das Werk der Gerechtigkeit wird der Friede sein, der Ertrag der Gerechtigkeit sind Ruhe und Sicherheit für immer. Mein Volks wird an einer Stätte des Friedens wohnen, in sicheren Wohnungen, an stillen und ruhigen Plätzen. Aber der Wald stürzt in jähem Sturz, die Stadt versinkt in der Tiefe. Wohl euch! Ihr könnt an allen Gewässern säen und eure Rinder und Esel frei laufen lassen.

MUSIK

Missa de angelis

Tu es Petrus

Tretet mit Dank durch seine Tore ein!

Herr, erbarme dich!

Ehre sei Gott in der Höhe

Gerechtigkeit blüht auf
in seinen Tagen

Quellen des lebendigen Wassers

César Franck: Panis Angelicus

Zdravo tijelo – Wahrer Leib

Pridi puce pobozni

Klanjamo ti se smjerno –
Gottheit, tief verborgen

Uzmite, jedite! - Nehmt, esst!

Zdravo djevo –
Sei gegrüßt, Jungfrau!

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Kantoren:
Michael Haller
Ivan Siroki
Slavko Topic

Chöre und Dirigenten
aus Bosnien, Kroatien und Serbien

So vergebt auch ihr!

2. Lesung: Kolosser 3

Ihr seid von Gott geliebt, seid seine auserwählten Heiligen. Darum bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld! Ertragt euch gegenseitig, und vergebt einander, wenn einer dem andern etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht. In eurem Herzen herrsche der Friede Christi; dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes. Seid dankbar!

Selig, die Frieden stiften

Evangelium: Matthäus 5

In jener Zeit, als Jesus die vielen Menschen sah, die ihm folgten, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. Dann begann er zu reden und lehrte sie. Er sagte: „Selig, die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden. Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben. Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden. Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden. Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen. Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden. Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt, euer Lohn im Himmel wird groß sein!“

Nie wieder Krieg!

Predigt

Liebe Brüder und Schwestern, in den biblischen Lesungen, die wir gehört haben, ist mehrmals das Wort Frieden aufgetreten. Es ist ein prophetisches Wort par excellence! Frieden ist der Traum Gottes, Gottes Plan für die Menschheit, für die Geschichte und mit der ganzen Schöpfung. Es ist ein Plan, der immer auf Widerstand von Seiten des Menschen oder von Seiten des Bösen stößt. Auch in unserer Zeit kollidieren das Streben nach Frieden und der Einsatz, ihn aufzurichten, mit der Tatsache, dass in der Welt zahlreiche bewaffnete Konflikte im Gang sind. Es ist eine Art dritter Weltkrieg, der stückweise geführt wird, und im Bereich der globalen Kommunikation nimmt man ein Klima des Krieges wahr. Es gibt Menschen, die ein solches Klima absichtlich schaffen und schüren wollen, insbesondere jene, die den Zusammenstoß zwischen verschiedenen Kulturen und Zivilisationen suchen, und auch jene, die mit Kriegen spekulieren, um Waffen zu verkaufen.

Doch Krieg bedeutet Kinder, Frauen und alte Leute in Flüchtlingslagern, bedeutet Vertreibungen, zerstörte Häuser, Straßen und Fabriken, bedeutet vor allem so viele zerbrochene Leben. Ihr kennt das zu gut, weil ihr es gerade hier erlebt habt. Wie viel Leiden, wie viel Zerstörung, wie viel Schmerz! Heute, liebe Brüder und Schwestern, erhebt sich noch einmal aus dieser Stadt der Schrei des Volkes Gottes und aller Männer und Frauen guten Willens: Nie wieder Krieg!

Inmitten dieses Kriegsklimas erklingt das Wort Jesu im Evangelium wie ein Sonnenstrahl, der die Wolken durchbricht: Selig, die Frieden stiften. Es ist ein immer aktueller Aufruf, der für jede Generation gültig bleibt. Er sagt nicht: „Selig, die Frieden predigen“; denn alle sind fähig, ihn zu verkünden, auch in scheinheiliger oder sogar lügnerischer Weise. Nein, er sagt: „Selig, die Frieden stiften“, das heißt, die ihn herstellen. Frieden herzustellen ist eine handwerkliche Tätigkeit, die Leidenschaft, Geduld, Erfahrung und Ausdauer erfordert. Selig sind die, die Frieden säen mit ihren alltäglichen Taten, mit dienstbereitem Auftreten und Handeln und mit Gesten der Brüderlichkeit, des Dialogs und der Barmherzigkeit … Ja, sie werden Söhne Gottes genannt werden. Denn Gott sät Frieden, immer und überall. Als die Zeit erfüllt war, hat er seinen Sohn in die Welt „ausgesät“, damit wir Frieden haben. Frieden herzustellen ist eine Arbeit, die jeden Tag weiterzuführen ist, Schritt für Schritt, ohne dass man je ermüdet.

Wie macht man das, wie baut man den Frieden auf? Das hat uns auf grundsätzliche Weise der Prophet Jesaja in Erinnerung gerufen: „Das Werk der Gerechtigkeit wird der Friede sein“. „Opus iustitiae pax“, wie es in der Version der Vulgata heißt und zu einem berühmten Motto geworden ist, das auch prophetisch von Papst Pius XII. übernommen wurde. Der Friede ist Werk der Gerechtigkeit. Auch hier gilt: Es ist nicht eine vorgetragene, theoretisch durchgespielte, geplante Gerechtigkeit, sondern eine praktizierte und gelebte Gerechtigkeit. Und das Neue Testament lehrt uns, dass die vollkommene Erfüllung der Gerechtigkeit darin besteht, den Nächsten zu lieben wie sich selbst.

Wenn wir mit der Gnade Gottes dieses Gebot befolgen, wie ändern sich dann die Dinge! Weil wir uns ändern. Diese Person, dieses Volk, das ich als Feind ansehe, hat in Wirklichkeit das gleiche Gesicht wie ich, das gleiche Herz wie ich, die gleiche Seele wie ich. Wir haben den gleichen Vater im Himmel. Daher bedeutet die wahre Gerechtigkeit, dieser Person, diesem Volk das zu tun, von dem ich möchte, dass es mir und meinem Volk getan werde.

Der heilige Paulus hat uns in der zweiten Lesung die notwendigen Haltungen zur Schaffung des Friedens aufgezeigt: „Bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld! Ertragt euch gegenseitig, und vergebt einander, wenn einer dem andern etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!“. Hier haben wir die Haltungen, um „Handwerker“ des Friedens im Alltag zu sein, dort wo wir leben. Nun dürfen wir uns aber nicht einbilden, dass dies nur von uns abhängt! Wir würden einem trügerischen Moralismus verfallen. Der Friede ist Gabe Gottes, nicht im magischen Sinn, sondern weil Er mit seinem Geist diese Haltungen in unsere Herzen und in unser Fleisch einprägen kann. Er kann uns zu wirklichen Werkzeugen seines Friedens machen. Und tiefgründig sagt der Apostel, dass der Friede Gabe Gottes ist, weil er Frucht seiner Versöhnung mit uns ist. Nur wenn der Mensch sich mit Gott versöhnen lässt, kann er Friedensstifter werden.

Liebe Brüder und Schwestern, auf die Fürsprache der Jungfrau Maria bitten wir heute gemeinsam den Herrn um die Gnade, ein lauteres Herz zu haben; um die Gnade der Geduld; um die Gnade, für die Gerechtigkeit zu kämpfen und zu arbeiten; um die Gnade, barmherzig zu sein, auf den Frieden hin zu arbeiten, Frieden und nicht Krieg und Zwietracht zu säen. Das ist der Weg, der zum Glück führt, der selig macht.

Weitere Informationen zu diesem Papstbesuch

w2.vatican.va

Kontakt

gottesdienst@orf.at

Redaktion

Thomas Bogensberger
Norbert Steidl