Figur des Christuskindes mit ausgebreiteten Armen in einem Fischerboot

Dominik Orieschnig

„Jesus, der Retter, ist da!“

Live aus dem Martinsdom in Eisenstadt übertrug der ORF das feierliche Weihnachtshochamt. Mit der katholischen Gemeinde feierte ihr Dözesanbischof Ägidius Zsifkovics.

Eine Zeile aus dem Lied aller Lieder zur Weihnacht: Jesus, der Retter, ist da. Merkt die Welt etwas davon? Der Weihnachtsrummel ist nicht leise, aber wo ist ein Retter? Aus allen Katastrophen der Welt? Gott hat sich seiner Welt ganz leise ausgeliefert, als neugeborenes Kind kommt der von den Propheten angekündigte Friedensfürst. Das feiern Christinnen und Christen jedes Jahr. Doch was ist mit dem Frieden? Wenn Gott zu schweigen scheint, hat er schon gesprochen. Und nimmt sich aus der Welt nicht mehr zurück: Jesus, der Retter, ist da.

Alle Enden der Erde sehen das Heil

Lesung: Jesaja 52

Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt und Rettung verheißt, der zu Zion sagt: „Dein Gott ist König. Horch, deine Wächter erheben die Stimme, sie beginnen alle zu jubeln! Denn sie sehen mit eigenen Augen, wie der Herr nach Zion zurückkehrt. Brecht in Jubel aus, jauchzt alle zusammen, ihr Trümmer Jerusalems! Denn der Herr tröstet sein Volk, er erlöst Jerusalem. Der Herr macht seinen heiligen Arm frei vor den Augen aller Völker. Alle Enden der Erde sehen das Heil unseres Gottes.“

Er hat die Reinigung von den Sünden bewirkt

2. Lesung: Hebräerbrief 1

Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben des Alls eingesetzt und durch den er auch die Welt erschaffen hat;
er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Abbild seines Wesens; er trägt das All durch sein machtvolles Wort, hat die Reinigung von den Sünden bewirkt und sich dann zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt; er ist um so viel erhabener geworden als die Engel, wie der Name, den er geerbt hat, ihren Namen überragt.

Denn zu welchem Engel hat er jemals gesagt: „Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt“, und weiter: „Ich will für ihn Vater sein, und er wird für mich Sohn sein?“ Wenn er aber den Erstgeborenen wieder in die Welt einführt, sagt er: „Alle Engel Gottes sollen sich vor ihm niederwerfen.“

MUSIK

Nun freut euch, ihr Christen!

Allein Gott in der Höh sei Ehr

Alle Lande der Erde

Heilig, heilig, dreimal heilig

Natus est nobis hodie salvator

O du fröhliche

Stille Nacht

Hubert Feiler: Extrade in B

sowie Kompositionen der Eisenstädter Musikjubilare 2016:

Gregor Joseph Werner
(1693-1766, Vorgänger Haydns)
Missa festivalis brevis
In dulci jubilo

Joseph Haydn
(1732-1809, ab 1761 in Eisenstadt)
Pastorella
Divertimento für Flöte

Johann Nepomuk Fuchs
(1766-1839, Haydns Nachfolger)
Alma Redemptoris Mater

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Domchor St. Martin

Chor aus den Pfarren Eisenstadt/Oberberg und Kleinhöflein

Leitung: Linde Devos

Solisten:

Claudia Pumberger, Sopran
Matthias Federer, Tenor
Walter Wegscheider, Bass

Domorchester St. Martin

Flöte: Sonja Treuer

Orgelpositiv: Josef Bauer

Orgel: Heiko Reitner

Konzept und Gesamtleitung:
Thomas Dolezal

Das Licht leuchtet in der Finsternis

Evangelium: Johannes 1

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst. Es trat ein Mensch auf, der von Gott gesandt war; sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.

Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.

Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit. Johannes legte Zeugnis für ihn ab und rief: „Dieser war es, über den ich gesagt habe: ‚Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er vor mir war.‘“ Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade. Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus. Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.

Vom Flüchtlingsboot zum Rettungsboot

Predigt

Liebe Schwestern und Brüder, zu Weihnachten wünscht sich niemand Skandale. Die Familien nicht, die Politik nicht, auch die Kirche nicht. Weihnachtlich heißt ja für viele wohnlich, still. Wir singen das 200 Jahre alte Lied „Stille Nacht“ und in unseren Häusern und Kirchen werden Krippen aufgestellt. Aber gerade damit holen wir den größten Skandal mitten in unsere Wohnzimmer. Der Skandal, um den es geht, ist die Weihnachtsgeschichte!

Denn wie kann es sein, dass eine hochschwangere Frau sich auf eine anstrengende Reise machen muss? Wie kann es sein, dass Despoten kleine Kinder ermorden lassen, um ihre Macht zu erhalten? Wie kann es sein, dass eine Familie mit einem Säugling in die Flucht getrieben wird? Genau dieser Skandal passiert heute auf unserer Erde tagtäglich tausendfach, und das macht die Weihnachtsgeschichte aktueller als die Nachrichten. Denn im Zentrum des Christentums steht das Flüchtlingskind Jesus.

Gott wurde in Bethlehem unter ärmlichsten Bedingungen Mensch und identifiziert sich von Anfang an mit den Notleidenden. Mit den Hungrigen und den Durstigen, den Kranken und den Gefangenen und besonders auch mit den Heimatlosen, den Fremden und den Verfolgten. Daher haben wir der Weihnachtskrippe hier im Eisenstädter Martinsdom ein aktuelles Gesicht gegeben. Die Heilige

Bischof Ägidius Zsifkovics im Portrait, nachdenklich lächelnd

Diözese Eisenstadt

Ägidius Zsifkovics

Familie floh auf einem Esel nach Ägypten, um dem Kindermord zu entgehen. Jesus 2016 ist auf einem Flüchtlingsboot unterwegs. Die Weihnachtsgeschichte ist vor 2000 Jahren dort entstanden, von woher heute so viele Menschen zu uns kommen. Wie Jesus sind es Menschen aus dem Nahen Osten, die vor menschlichem Unrecht fliehen; vor Verfolgung, vor Krieg und Terror, vor mörderischen politischen Interessen; heute aber auch zunehmend vor einem aggressiven internationalen Wirtschaftssystem, das Papst Franziskus als Dritten Weltkrieg auf Raten bezeichnet. Und so steht das Boot, in dem unser Jesuskind liegt, für die tiefe moralische Krise, in der die verstrickte Menschheit heute steckt. Alle Menschen sind miteinander durch unsichtbare Fäden kollektiver Verantwortung verbunden. Jesus nannte das die Nächstenliebe und nannte uns alle Geschwister und Kinder eines Gottes. Wer als Christ diesen Zusammenhang zwischen der Menschwerdung Gottes in Gestalt eines Flüchtlings und der eigenen Lebensweise verdrängt, der lebt an Weihnachten vorbei und wird in diesen Tagen selbst zum Flüchtling – zum Flüchtling vor der religiösen und historischen Realität. Feigen Terroranschlägen wie jenen in Berlin, darf es nicht gelingen, unsere Gesellschaft zu destabilisieren, zu entsolidarisieren und kälter zu machen. Gönnen wir den Terroristen nicht diesen Triumpf – werden wir nicht eiskalt wie sie!

Unser Boot hier besitzt nur ein Ruder – damit würde es sich lediglich im Kreis bewegen. Es erinnert damit an die Flucht vieler Menschen in unserer Gesellschaft vor sich selbst. Es ist eine Flucht, und oft auch ein Zwang, hinein in die große Maschinerie des Wettbewerbs, des Konsums, der Unterhaltung, der Ablenkung. Die Seele geht dabei im Kreis.

Zugleich steigt in unserer Gesellschaft die Zahl der Menschen, die vor Gott fliehen, weil sie ihn nicht aushalten können. Das müssen keine erklärten Atheisten oder Agnostiker sein und auch nicht Menschen, die eine schwere Schuld zu tragen haben. Viele Menschen empfinden alleine den Gedanken an eine höhere Instanz als eine Art Unterwerfung – weshalb es heute auch nicht an Versuchen fehlt, Gott entweder wissenschaftlich oder mit dem Verweis auf die Political Correctness aus unserer Gesellschaft zu entsorgen.

Die stille Christenverfolgung, die heute mitten im vereinten Europa mit weißen Handschuhen geschieht, ist ein tragischer Ausdruck der europäischen Unfähigkeit, in der Flüchtlingskrise solidarisch, barmherzig und damit christlich zu handeln. Diese stille Christenverfolgung wird deshalb ohne größeren Widerspruch hingenommen, weil viele Menschen die wahre Bedeutung ihres christlichen Glaubens vergessen haben. Sie haben Jesus, den Störenfried mit seiner lästigen Barmherzigkeit aus ihrer Mitte entfernt und längst wieder hinausgeschickt aufs offene Meer. Auch davon erzählt dieses Boot.

Und davon erzählt auch der Weihnachtsstern aus Stacheldraht bei unserem Jesuskind. Stacheldraht, Zäune und Mauern sind heute für viele Menschen die scheinbar richtige Antwort auf die Flüchtlingsbewegungen nach Europa. Der Terror einiger weniger, wie zuletzt in Berlin, bestärkt viele von uns in dieser irrigen Meinung. Doch es geht hier nicht um eine technische Frage, die wir an „den Staat“ abschieben könnten. Es geht dabei um uns selbst. Die Flüchtlingsboote im Mittelmeer sind der knallharte Check unseres Barmherzigkeitspegels. Keine Politik könnte jemals so ideale Zustände herstellen, dass die Werke der Barmherzigkeit irgendwann überflüssig würden.

Nicht das Abschneiden beim Pisa-Test oder bei amerikanischen Ratingagenturen wird entscheidend für die Zukunft Europas sein, sondern wie wir menschlich abschneiden und ob wir zu einer Zone humanen Analphabetentums in technologisch und wirtschaftlich hochgerüsteter Umgebung verkommen. Die Härte, mit denen eine Gesellschaft heute den Vertriebenen begegnet, wird morgen zur Härte gegenüber den Bedürftigen in ihren eigenen Reihen umschlagen. Dieses Boot ist daher auch eine Warnung!

Nicht alle, aber viele Menschen in Österreich und Deutschland haben durch ihre Gastfreundschaft gegenüber Menschen auf der Flucht bewiesen, dass Menschlichkeit und Glaube bei uns noch lebendig sind. Diese Menschen haben die Weihnachtsgeschichte der Herbergssuche zur gelebten Barmherzigkeit gemacht. Sie sind aus ihrer Komfortzone herausgetreten und haben es in Kauf genommen, sich schmutzig und angreifbar zu machen. Ich danke diesen Menschen für ihren Mut und für ihre Barmherzigkeit!

Das führt mich zum Tuch, auf das unser Jesuskind gebettet ist. Die Tücher und Windeln eines Säuglings sind ein Zeichen seiner Hilfsbedürftigkeit. Weil Gott als bedürftiges Kind zu uns kommt, ist die Barmherzigkeit gegenüber jedem bedürftigen Menschen der wahre Gottesdienst. Daher sind die priesterlichen Gewänder hier im Martinsdom aus demselben Stoff gefertigt wie die Windeln unseres Christuskindes. Sie sind bedruckt mit Zitaten aus der Heiligen Schrift und aus den Headlines der Zeitungen, die uns daran erinnern, wo Barmherzigkeit geübt und wo sie versäumt wurde.

Das Weihnachtsevangelium sagt: Jesus, der Retter ist da! Im Schrei der Geburt zerschlug Gott alle menschlichen Gottesbilder und wurde aus Liebe zu uns Menschen selbst Mensch. Der Gottessohn in der Krippe ist der radikale Rettungsversuch Gottes für die Menschheit jenseits von Nation, Rasse, Sprache und Bruttosozialprodukt. Und wer wollte heute noch leugnen, dass diese unerlöste Menschheit tatsächlich gerettet werden muss?

Ich sagte: es ist ein Rettungs-Versuch. Denn die Liebe Gottes zu uns Menschen zwingt nicht. Sie wartet. Christus wartet mit offenen Armen. Er wartet auf unser Ja. Das ist Weihnachten. Weihnachten ist das Rettungsboot der Menschheit. Ergreifen wir das Ankerseil - Jesus, den Retter – und lassen wir dieses Boot nicht an uns vorbeifahren!

Der Martinsdom

Seine erste urkundliche Erwähnung als Kapelle galt dem Heiligen Martin, und der erste Name für Eisenstadt lautete „minor Martin“, Kleinmartinsdorf. Das romanische Fundament im Bereich des heutigen Presbyteriums ist noch erhalten. Im 13. Jahrhundert erfolgt der Anbau eines gotischen Chores, im 14. Jahrhundert der Bau der Familienkapelle.

Eisenstädter Martinsdom außen bei Tag

Diözese Eisenstadt

Die Eisenstädter Domkirche

1960 wurde das Gotteshaus zur Domkirche und bekam eine neue Innengestaltung durch Prof. Jakob Adelhart. Die Kirchenfenster im Presbyterium zum Thema „Christus, der König“ sind ein Werk von Prof. Franz Deéd, die Glasfenster im Kirchenschiff mit Motiven aus der Geheimen Offenbarung schuf Margret Bilger. Christliche Architektur aus früheren Jahrhunderten ist etwas Lebendiges, das mit uns Zwiesprache hält und das Eingebundensein des Menschen in die Schöpfung zum Ausdruck bringt. Sie soll bei Bedarf mit Neuem ergänzt werden. Altes und Neues haben ihre existenzielle Berechtigung. Beides ist sichtbarere Ausdruck des Lichtes Christi.

2003 entschloss sich Bischof Paul Iby zur Neugestaltung des Doms. Das Architektenbüro Lichtblau-Wagner entwarf dafür ein Konzept, das den Bogen von der gotischen Architektur in die Gegenwart zu spannen versucht, ohne dabei der mächtigen Architektur die Kraft des Atems zu nehmen. Mittels eines bunten, von Gilbert Bretterbauer gestalteten Teppichs, der mit den Farben der Glasfenster korrespondiert, wurde eine Verbindung zwischen der räumlich großzügigen Apsis und dem Hauptschiff hergestellt. So entstand ein den Flächenproportionen des Chorschiffes ebenbürtiger Raumteil für besondere Anlässe wie Taufen, Trauungen oder Priesterweihen. Auch Brigitte Kowanz legte bei der Altarraumgestaltung durch die Transparenz von Glas, sein inneres Leuchten und seine Veränderung durch Dichte Wert auf einen Dialog mit den architektonischen Gegebenheiten. Sie wählte Glaskuben mit einer grünlichen Farbgebung als zentrale Gestaltungselemente, die mit den Spiegelungen und Lichtbrechungen der Glasfenster und dem bunten Teppich in ein Wechselspiel treten.

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