Margarethe Ottillinger mit Modell der Wotruba-Kirche.

ORF/Cinevision

Zeichen der Zeit - 100 Jahre Margarethe Ottillinger

Gefangene im Gulag, Managerin, Kirchenstifterin: Am 6. Juni hat mit Margarethe Ottillinger eine interessante Persönlichkeiten des Landes ihren hundertsten Geburtstag gefeiert. Der ORF-Feierabend am Pfingstsonntag würdigt die Stifterin der weltbekannten Wotrubakirche.

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ORF

Sendungshinweis

FeierAbend, Pfingstsonntag, 9.6.2019, 19.52 Uhr, ORF 2

Seit ihrer Eröffnung im Jahr 1976 wirkt die vom Bildhauer Fritz Wotruba entworfene Kirche mit ihren 152 wie zufällig aufeinander geworfenen Betonquadern revolutionär und für viele verstörend.

Margarethe Ottillinger mit Modell der Wotruba-Kirche.

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Genau das war der Plan von Margarethe Ottillinger, die den Bau aus eigener Tasche und mit der Hilfe von Sponsoren finanziert hat: „Damit diejenigen, die nachkommen, ebenso staunend vor diesen Bauwerken stehen wie jetzt die Menschen vor den Bauwerken der früheren Jahrhunderte stehen!“, so Ottillinger.

In den Gulag
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ist Margarethe Ottillinger mit erst 28 Jahren die wohl einflussreichste Frau Österreichs. Unter anderem ist sie für die Verteilung der Marshall-Plan - Gelder zuständig.

Im November 1948 wird sie von den sowjetischen Besatzungstruppen unter dem Vorwurf der Spionage festgenommen und zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt: „ Das war der schrecklichste Augenblick“, sagt Ottillinger in einem späteren Interview. „In dem hab ich erkannt: Nichts ist beständig auf dieser Welt. Alles kann weg sein von heute auf morgen.“

In verschiedenen Arbeitslagern bekommt sie die Grausamkeit des stalinistischen Regimes zu spüren. Immer wieder ist sie schwer krank und dem Tod näher als dem Leben. Es ist vor allem der einfache, aber wahrhaftige Glaube der ukrainischen Frauen im Lager, der auf die ebenfalls tief religiöse Ottillinger Eindruck macht – und ihr Leben radikal verändert.: „Ich bin durch so ein schreckliches menschliches Elend gewandert, dass ich einfach den Menschen bei der Rückkehr höher gestellt habe, wie alles Übrige in der Welt.“

Eine Kirche wie ein Schock
Nach acht Jahren Gefangenschaft kommt Margarete Ottillinger mit einem Vorsatz zurück nach Österreich: Eine Kirche möchte sie bauen. Als Chefin der ÖMV nutzt sie ihren Einfluss, um den Bau ihrer Kirche voranzutreiben.

Dem Künstler Fritz Wotruba macht sie genaue Vorgaben: Die Kirche sollte wie ein Schock auf den Betrachter wirken, wie ein Bollwerk gegen den Atheismus. „Nur mit dieser Energie, die diese Frau aufgebracht hat in einer Zeit, als man die Bezeichnung Powerfrau noch nicht kannte, konnte sie das durchsetzen“, sagt Diakon Hubert Keindl.

Vom Bauwerk zur Gemeinde
Er ist unter den ersten, die ab 1976 die Kirche mit Leben beseelten: „Sie hat uns eine Kirche gegeben, für die wir keinen Beitrag geleistet haben. Unser Beitrag war, aus dem Bauwerk eine Gemeinde aufzubauen.“

Heuer feiert die Gemeinde der Wotrubakirche den 100sten Geburtstag von Margarethe Ottillinger – unter anderem mit einem barrierefreien Kirche zur Kirche - einem neuen Lift. Er macht es möglich, dass zu ersten Mal seit Jahren wieder alle Generation gemeinsam die Messe in ihrer Kirche am Georgenberg feiern können.

Ein Film von Fritz Kalteis
Redaktion: Barbara Krenn