Autofasten: Kirchen für Mobilität ohne Auto

Seit zehn Jahren rufen die römisch-katholische und die evangelische Kirche zum Autofasten auf. Pkws würden Staus und Umweltschäden verursachen, daher soll die Aktion Mobilität in Richtung Nachhaltigkeit verändern.

Mit kräftigen Pedaltritten legt Hermann Signitzer die letzten Meter bis zum Salzburger Kapitelplatz zurück. Eisklumpen kleben in seinem Bart und auf der Sportjacke und Fahrradhose zeugen nicht wenige Schmutzspritzer von einer flotten Fahrt durch die Winterlandschaft. Mit seinem Fahrrad hat Signitzer rund eine Stunde für die 27 Kilometer lange Strecke von Mattsee bis zu seinem Arbeitsplatz in der Salzburger Altstadt benötigt.

Autofasten

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Hermann Signitzer fährt fast täglich mit dem Rad von Mattsee nach Salzburg in die Arbeit. Pro Jahr legt er rund 8.000 Kilometer mit dem Fahrrad zurück

Seit zwei Jahren fährt er die Strecke mit dem Rad fast täglich und schwärmt von den vielen Eindrücken und Erlebnissen auf dem Weg. „Es sind die Sonnenaufgänge die mich begeistern, das Spüren der Witterung und Jahreszeiten, die Tiere am Wegrand, die Menschen die man unterwegs trifft“, erzählt er im Gespräch mit religion.ORF.at. All das möchte er nicht mehr missen.

Autofasten als Impulsgeber

Auf die Idee, den gesamten Weg zum Arbeitsplatz mit den Rad zurückzulegen, ist Signitzer durch die Aktion Autofasten gekommen. Die Umweltbeauftragten der römisch-katholischen und Evangelischen Kirche propagieren seit zehn Jahren, immer zum Beginn der christlichen Fastenzeit, den Verzicht auf das Autofahren. Ziel sei es das eigene Mobilitätsverhalten in Richtung Nachhaltigkeit zu verändern, so die Initiatoren.

TV-Tipp

Ökumenische Initiative: Zehn Jahre Aktion „Autofasten“ in Österreich
Orientierung, Sonntag 22.2.2015, ORF 2, 12.30 Uhr

Auch Aglavaine Lakner lässt ihren Autoschlüssel immer öfter am Schlüsselbrett hängen. Die Theologin und vierfache Mutter geht am familieneigenen Kleinbus vorbei und steigt stattdessen auf ihr Fahrrad, an dem ein Anhänger befestigt ist. Früher saßen in diesem ihre Kinder, heute dient er als Transporthilfe. „Autofasten mache ich jetzt schon jahrelang“, erzählt die Halleinerin. Das sei für sie eine sinnvolle Neuinterpretation der christlichen Fastenzeit, in der man traditionell auf üppige Speisen und Alkohol verzichtet.

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Seit einigen Jahren ist Aglavaine Lakner fast ausschließlich mit ihrem Fahrrad unterwegs

Als überzeugte Autofasterin will Lakner auch andere motivieren, auf das Auto zu verzichten. Ihr Fahrradanhänger ist mit drei Kisten Bio-Äpfeln und Info-Foldern zum Autofasten gefüllt. Erste Verteilstelle ist vor der Volksschule in Rif-Rehhof. „Es gibt Leute, die fahren Strecken von einem Kilometer mit dem PKW. Das ist eine Distanz, die ich nie mit dem Auto fahren würde, außer ich hätte Möbel zu transportieren“, erzählt Lakner lächelnd.

Dass jede zweite Autofahrt kürzer als fünf Kilometer ist, hat der Verkehrs-Club-Österreich (VCÖ) vor ein paar Jahren erhoben. Mittlerweile zeigen die Daten des VCÖ aber auch, dass österreichweit jährlich immer weniger Kilometer mit dem Auto zurückgelegt werden. Fast jeder vierte Haushalt in Österreich besitzt gar kein Auto mehr.

4,6 Millionen PKWs in Österreich

Trotzdem gibt es immer noch rund 4,6 Millionen PKWs in Österreich. Die Folgen sind Staus, überfüllte Parkplätze und Umweltverschmutzung. Gerade morgens wird das bei den Stadteinfahrten in Österreich sichtbar. In die Stadt Salzburg etwa, pendeln täglich mehr als 40.000 Autofahrer aus den umliegenden Gemeinden.

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Morgendlicher Verkehrsstau auf den Einfahrtsstraßen nach Salzburg. Rund 40.000 Autos aus dem Umland stauen sich hier täglich

Herman Signitzer ist inzwischen geduscht und umgezogen, sein Rad hat er im Hof abgestellt, das verschwitzte Radgewand trocknet im Heizungskeller. „Das Radfahren braucht ein bisschen Logistik, aber ich mag nicht mehr im Stau stehen oder Parkplatz suchen müssen,“ erzählt er. „Ich will ungebunden sein.“ Über die Aktion Autofasten hat er nach und nach seine Begeisterung für das Radfahren entdeckt. „Beim Verzicht auf das Auto geht es mir auch darum, immer wieder ein Stück weit mit weniger auszukommen: weniger Auto, weniger Luxus. Die Aktion macht frei“. Und es sei letztlich auch eine Kostenfrage. Seine Familie besitze zwar ein Auto, da sie am Land wohnen, aber ein zweites könnten sie sich gar nicht leisten.

Schöpfungsverantwortung

Sieben Uhr dreißig, vor der Volksschule in Rif-Rehhof. Viele Eltern bringen die Kinder mit dem Auto. Aglavaine Lakner möchte zum Umdenken anregen und verteilt die Flugblätter der Autofasten-Initiative mit den Äpfeln als Geschenk dazu. Mehr als 15.700 Menschen haben sich im vergangenen Jahr an der Aktion beteiligt und in der Fastenzeit umwelt- und gesundheitsfreundliche Alternativen zum Autofahren ausprobiert. Insgesamt sparten Autofaster 2014 nahezu 9,5 Millionen Autokilometer bei der Aktion ein.

„Wir als Christen glauben, dass Gott die Welt gut erschaffen hat“, sagt Aglavaine Lakner. "Wir sind dafür auch verantwortlich, dass das so bleibt, dass wir sie nicht zerstören. Und da ist Umweltschutz ein wichtiger Faktor.“ Laut Umweltbundesamt ist der Straßenverkehr für etwa ein Viertel der gesamten CO2 Emissionen verantwortlich. Hier könnte eingespart werden, ist die Initiative Autofasten überzeugt und bietet auf ihrer Website einen „Fastenrechner“ an, der eingesparte Umweltkosten und eingespartes CO2 berechnet.

Zersiedelung und Mobilität

Warm eingepackt, mit Schal und Handschuhen, macht sich Aglavaine Lakner mit ihrem Fahrrad und dem Lastenanhänger von der Volksschule in Rif auf den Weg zu einem Supermarkt am Stadtrand von Hallein. Der Fahrradständer vor dem Supermarkt ist leer, fast alle erledigen ihre Besorgungen mit dem Auto. Auch hier will Lakner zur Wahl alternativer Mobilitätsformen motivieren. Gemeinsam mit anderen Autofasterinnen bewirbt sie die Fasten-Initative. Im Stadtteil Rif wird viel gebaut, doch der neue Wohnraum sei schlecht an das öffentliche Netz angeschlossen, begründen viele die Benutzung des Autos zum täglichen Einkauf und Geschäfte würden immer mehr aus den Ortszentren an die Peripherie wandern.

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Reinhard Koppler versucht seit einiger Zeit auch möglichst viele Einkäufe mit dem Rad zu erledigen

Dauerhaft auf Alternativen setzen

Das Problem der schlechten öffentlichen Anbindung kennt auch die vierköpfige Familie Koppler im Salzburger Stadtteil Aigen. „Manchmal sei die Benutzung des Autos unausweichlich, gerade mit Kindern“, sagt Reinhard Koppler. „Wir versuchen dennoch so viele Wege wie möglich alternativ, also zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen.“

Die meisten Einkäufe erledigt Reinhard Koppler mit dem Fahrrad. Sein Rad ist mit einem Lastenanhänger ausgestattet. „Wenn man sich gut organisiere, klappe der Verzicht auf das Auto ganz gut“. Er kombiniert beispielsweise den Einkauf im Supermarkt mit seiner Fahrradfahrt vom Arbeitsplatz nach Hause. Durch das Autofasten habe er begonnen mit dem Rad an seinen Arbeitsplatz zu fahren. Heute möchte er das nicht mehr missen. Stolz ist der Lehrer an der HTL Salzburg darauf, dass er die rund acht Kilometer lang Strecke mit dem Rad oft in kürzer Zeit schafft, als das mit dem Auto möglich wäre.

Verzicht als Bereicherung

„Fasten, also das Verzichten, bereichert. Und es geht auch um einen selbst. Wenn man einmal Alternativen ausprobiert, dann kann sich wirklich etwas ändern, man kann neue Verhaltensweisen für sich entdecken“, sagt Koppler. Wie manch andere auch, habe er durch die Aktion das Autofasten dauerhaft für sich entdeckt.

Fünf Minuten braucht Hermann Signitzer um nach der Arbeit Sakko und Hemd wieder gegen winterfestes Radgewand zu tauschen. Dann schwingt er sich am Kapitelplatz auf sein Rad und tritt erneut kräftig in die Pedale. 27 Kilometer zurück nach Mattsee liegen vor ihm und er hat ein gutes Gefühl dabei, selbst nicht Verursacher von Stau und umweltschädliche Auspuffgasen zu sein.

Juliane Nagiller, Marcus Marschalek, religion.ORF.at

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