A4-Tragödie: Entsetzen bei Religionsvertretern

Nachdem auf der A4 in einem LKW die Leichen von 71 Flüchtlingen gefunden worden sind, meldeten sich Kirchenvertreter zu Wort. Der burgenländische Bischof Zsifkovics sieht in der EU-Politik eine subtile Form der Mittäterschaft.

Der burgenländische Bischof reagierte erschüttert auf die Nachricht, dass 71 tote Flüchtlinge im Burgenland entdeckt wurden. Er bete für die im Schlepperfahrzeug verstorbenen Menschen, „die auf der Suche nach einer besseren Zukunft Opfer skrupelloser Netzwerke und einer versagenden europäischen Politik geworden sind“.

In einem auf der Ostautobahn (A4) im Burgenland abgestellten Lkw stieß die Polizei am Donnerstag auf zahlreiche Leichen. Die 70 Personen dürften laut Medien in dem LKW erstickt sein. Die Polizisten nahmen bei dem Fahrzeug bereits Verwesungsgeruch wahr. Ob die Flüchtlinge schon während des Transports erstickten, ist vorerst ungeklärt. In Ungarn wurden Medienberichten zufolge am Freitag mehrere mutmaßliche Schlepper festgenommen.

Islamisches Begräbnis

Unterdessen hat die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich Unterstützung bei den Begräbnissen angeboten. Nach dem Freitagsgebet in der Schura-Moschee in Wien-Leopoldstadt wird ein Trauergottesdienst für die Toten der Tragödie abgehalten. Das berichtete Omar Al-Rawi von der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ).

Zudem stehe man bereits mit der Bundesregierung in Kontakt und habe angeboten, bei der Bestattung von muslimischen Opfern zu helfen. Dazu werde in der Glaubensgemeinschaft ein Stab eingerichtet, um etwaige Begräbnisse zu organisieren, so Al-Rawi.

„Das Maß ist voll“

Vorfälle wie diese seien erst durch die „derzeitige europäische Untätigkeit“ möglich gemacht, die „eine subtile Form der Mittäterschaft sei“, so Österreichs „Europabischof“ in seiner Stellungnahme am Donnerstag. „Vieles, was wir heute in diesem Drama erleben, ist ein Auswuchs europäischer Politik“. „Das Maß ist voll!“

Der Eisenstädter Bischof Ägidius Zsifkovic

APA/ROBERT JAEGER

Der burgenländische Bischof Ägidius Zsifkovics sieht die EU-Politik als Mittäterin

Durch derartige „untragbare“ Vorfälle rücke „das Grauen der Flüchtlingstragödie zunehmend in die Lebenswirklichkeit Europas und seiner Länder“, sagte Zsifkovics, der in der österreichischen Bischofskonferenz für die Europaagenden zuständig ist und Österreich in der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft COMECE vertritt. „Erstickende und ertrinkende Kinder, Frauen und Männer sind nun keine Fernereignisse mehr, die von der Politik als ‚Europa nichts angehend‘ abgetan werden könnten.“

Festungsgedanke keine Lösung

Er forderte eine gesamteuropäische Strategie als Antwort auf die aktuelle Flüchtlingskatastrophe. Diese Strategie müsse auch seitens Österreichs Bundesregierung „mit viel mehr Entschiedenheit als bisher“ von der EU eingefordert werden und könne weder das Zerstören von Schlepperbooten noch ein Festungsgedanke oder Mauerbau sein.

Vielmehr müsse sich die EU „mit allen Aspekten der Tragödie, auch den Ursachen der Massenflucht, auseinandersetzen und eine nachhaltige Perspektive im Auge haben, die einzelne europäische Länder - wie Griechenland und Italien - nicht unverkraftbar mehr belastet als andere“. Längst habe Europa seine Unschuld verloren, so der Bischof weiter: „Der europäische Gedanke, ein Raum des Friedens, der Freiheit und des Rechts zu sein, wird pervertiert durch die humane Visionslosigkeit der europäischen Eliten.“

Bischof Michael Bünker

APA/Herbert Neubauer

Michael Bünker fordert legale Wege nach Europa

Bünker fordert legale Zugänge

Tief erschüttert von der Flüchtlingstragödie auf der A4 zeigte sich auch der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker: „Mitten unter uns hat der grausame Tod diese Menschen getroffen. Tausende sind vielleicht schon seit Tagen ahnungslos an dem LKW vorbeigefahren.“ Jetzt sei es dringend an der Zeit, sich der Realität zu stellen, „weil sich nicht nur in fernen Ländern, vor Lampedusa oder Kos, sondern mitten unter uns zeigt: Das Fehlen eines gemeinsamen Vorgehens Europas hat tödliche Auswirkungen auf schutzsuchende Menschen.“

Der Bischof fordert legale Zugänge zum Asylwesen und legale Zugänge nach Europa. Das sei der einzige Weg, dem Schlepperwesen den Boden wegzuziehen. Allein durch die weitere Abschottung der „Festung Europa“ und die Verschärfung der Verfolgung von Schlepperei werde kein Mensch, der in Europa Schutz vor Krieg sucht, abgehalten. Vielmehr würden nur die Preise steigen und das Risiko, auf der Flucht in Lebensgefahr zu geraten. Bünker: „Wir sind es den Toten von Parndorf schuldig, dass sie in würdiger Weise und in ihrer religiösen Tradition eine letzte Ruhestätte finden.“ Wenn möglich, so der Bischof, sollten ihre Angehörigen ausgeforscht und eingeladen werden.

Caritas-Präsident Michael Landau

APA/Georg Hochmuth

Michael Landau, Caritas-Präsident, fordert humanitäre Visa

Landau: „Jeder Tote, eine Mahnung“

„Wer Schleppern das Handwerk legen will, muss für rasche, sichere Zugänge zu Asylverfahren Sorge tragen“, erklärte Caritas-Präsident Michael Landau in einer Aussendung am Donnerstag. Besonders für verletzliche Gruppen, wie Kinder und kranke Menschen, müsse ein sicherer Weg für die Einreise in die EU gelegt werden.

Diese Tragödie habe einmal mehr deutlich gemacht, „wie dringend nötig es ist, dass Europa einen gemeinsamen Plan für Menschen auf der Flucht ins Lebens ruft, der der Genfer Flüchtlingskonvention und der humanitären Tradition dieses Kontinents entspricht“, so Landau weiter. Jeder Tote sei eine Mahnung für ein gemeinsames Vorgehen Europas.

Gleichzeitig forderte Landau „verlässliche und ausreichende Hilfe“ für die Nachbarländer Syriens, in die aktuell vier Millionen Menschen vor den „Schrecken des Bürgerkriegs geflohen sind“. Die nicht ausreichende Unterstützung vor Ort zwinge die Flüchtlinge, ihre Flucht nach Europa fortzusetzen. Landau: „Jeder Tote ist eine Mahnung, zugleich gilt den Opfern und ihren Familien unser Mitgefühl. Das Sterben an den Grenzen und in Europa muss ein Ende haben.“

Kardinal Christoph Schönborn

APA/Georg Hochmuth

Kardinal Christoph Schönborn wird einen Gedenkgottesdienst im Stephansdom abhalten

Schönborn: Plädoyer für Großherzigkeit

Zutiefst erschüttert über den Tod der Flüchtlinge in einem LKW auf der A4 zeigte sich auch Kardinal Christoph Schönborn in einer ersten Stellungnahme gegenüber „Kathpress“ und den Medien der Erzdiözese Wien. „Mein Mitgefühl ist bei jenen Menschen, die diesen unvorstellbar qualvollen Tod erleiden mussten“, so Schönborn, der sich derzeit in Rom aufhält. "Diese furchtbare Tat macht die menschliche Not der Flüchtlinge deutlich, die von uns allen eine großherzige Haltung verlangt - und mutige Entscheidungen.

Für Montag, 31. August, hat Schönborn um 19 Uhr einen Gedenkgottesdienst im Stephansdom für die Opfer der jüngsten Katastrophe sowie alle auf der Flucht zu Tode gekommenen Flüchtlinge angekündigt. Der Kardinal wird der Seelenmesse selbst vorstehen. Er bat zugleich auch, dass alle Kirchen am Montag um 19 Uhr als Zeichen des Respekts und Mitgefühls mit den Opfern die Glocken läuten.

religion.ORF.at/KAP

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