Mit Koran, Thora und Bibel - ein Netzwerk für Frieden

Das internationale Netzwerk für religiöse und traditionelle Friedensstifter bringt zivilgesellschaftliche Akteure und Religionsführer aus Krisengebieten zusammen. Das König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen Dialog (KAICIID) ist dem Netzwerk nun beigetreten.

„In vielen gescheiterten Staaten vertrauen die Menschen staatlichen Strukturen nicht mehr. Sie vertrauen Religionsführern“, sagte Aaro Rytkönen, Vorsitzender des Network for Religious and Traditional Peacemakers und Dialogbeauftragter des finnischen kirchlichen Hilfswerks Finn Church Aid bei einer Pressekonferenz am Montag.

Mediation und Gewaltprävention

Daher würden Religionsführer bei der Friedenstiftung in Konfliktregionen wie Syrien, Irak oder Kenia eine „große Rolle“ spielen, so der Theologe. Sie werden oft als moralische Instanz gesehen und wirken als Mediatoren. Traditionelle Akteure in Friedensprozessen - wie internationale Hilfsorganisationen - hätten aber meist keine Kontakte zu den Religionsvertretern.

Nicht zuletzt deswegen wurde 2013 das Netzwerk für Friedensstifter mit der Beteiligung der Vereinten Nationen gegründet. Es soll die aktiven Kräfte, die sich in Konfliktregionen um Frieden bemühen miteinander verbinden, intra- sowie interreligiösen Dialog fördern, Prävention gegen extremistische Gewalt unterstützen und gegen Gewalt auftreten - so das erklärte Ziel des Netzwerks.

Missbrauch von Religion

Mohammed Abu-Nimmer, Chefberater von KAICIID, erklärte am Montag die Beweggründe für den Beitritt zu dem Netzwerk. „KAICIID bringt religiöse Führer und politische Entscheidungsträger zusammen“, so Abu-Nimmer. Das Dialogzentrum wolle sein bereits existierendes globales Netzwerk einbringen, bei der Förderung lokaler Infrastruktur für den Dialog, sowie bei der Vermittlung von Know-How helfen. Religion werde oft missbraucht - sowohl von religiösen als auch von politischen Vertretern, so Abu-Nimmer.

Aisha Ismail Adnan, Jugendarbeiterin in Kenia und Aaro Rytkönen, Vorsitzender des Netzwerks für Friedensstifter

KAICIID/Kaleb Warnock

Aisha Ismail Adnan und Aaro Rytkönen, Vorsitzender des Netzwerks für Friedensstifter bei KAICIID in Wien.

Es sei die Aufgabe von Friedensstiftern sie dazu aufzufordern, damit aufzuhören und zum Verhandeln zu ermutigen, sagte Abu-Nimmer, der auch Direktor des Instituts für Friedensstiftung und Entwicklung an der American University School of International Service ist.

Man dürfe religiöse Führer nicht nur als Problem betrachten, „sie können konstruktiv zur Problemlösung beitragen“, so der KAICIID-Berater. Am 2. und 3. September zum Beispiel besprechen Religionsführer aus christlichen und muslimischen Gemeinden in Athen, wie sie Christen und andere religiöse und ethnische Gruppen im Nahen Osten in ihrer prekären Lage unterstützen können.

Facebook für Geistliche

Viele der weltweiten Konflikte und Kriege haben zumindest einen vermeintlich religiösen Hintergrund. Die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) ermordet, verfolgt und vertreibt im Nahen Osten unter der Berufung auf den „wahren Islam“ mehrheitlich Jesiden, Christen und Schiiten. Ihren Krieg gegen Andersgläubige und den Westen führen die Terroristen auch im Internet: Über soziale Medien verbreiten sie ihre Propaganda professionell und erreichen dadurch junge Menschen weltweit.

Um den Hassbotschaften Botschaften des Friedens entgegenzusetzen baut KAICIID auf Social-Media-Trainings für Religionsführer. „Viele extremistische Gruppen verwenden die Sozialen Medien. Wir müssen Friedensstiftern zeigen, wie sie Facebook und Twitter nutzen können, um Botschaften zu verbreiten, die Pluralität fördern“, sagte Abu-Nimmer.

Positivbeispiele aus Afrika

Das Netzwerk der Friedensstifter ist in Krisenregionen wie etwa der Zentralafrikanischen Republik aktiv. Laut Schätzungen des UN-Sicherheitsrates vom Dezember des Vorjahres wurden in dem militarisierten Konflikt zwischen der christlichen Anti-Balaka-Miliz und der islamischen Seleka-Bewegung bis zu 6000 Menschen getötet. Millionen Kenianer - Animisten, Christen und Muslime - wurden vertrieben.

Imam Salehou N’Diaye aus der Zentralafrikanischen Republik berichtete bei seinem Besuch in Wien am Montag aber von den positiven lokalen Initiativen für Frieden, etwa einer mehrheitlich muslimisch bewohnten Ortschaft, wo Muslime und Christen friedlich gemeinsam leben, sowie von Versöhnungsprozessen, die von religiösen Führern mitgetragen würden. Trotz der Konflikte haben laut dem Imam weder muslimische noch christliche Geistliche jemals zum Töten der jeweils anderen Glaubensanhänger aufgerufen.

Muslime fliehen in Kirchen

„In der Zentralafrikanischen Republik ist ein politischer Konflikt zu einem interreligiösen Konflikt geworden“, sagte der Imam. Im Kern ginge es jedoch nicht um Fragen des Glaubens, so seien etwa Muslime auf der Flucht vor christlichen Angreifern in nahegelegene Kirchen geflohen und dort beschützt worden. Auch verfolgte Christen hätten während des Konflikts immer wieder bei Muslimen Zuflucht gefunden, so N’Diaye.

Imam Salehou N'Diaye aus der Zentralafrikanischen Republik

KAICIID/Kaleb Warnock

Imam Salehou N’Diaye aus der Zentralafrikanischen Republik

Er erzählte von einem Imam, der die jungen Menschen seiner Gemeinde trotz Dutzender Attacken auf die Moschee davor abhält, Gegenangriffe durchzuführen und von christlichen Religionsvertretern, die Gelder für eine zerstörte Moschee sammelten und dabei helfen, sie wiederaufzubauen. N’Diaye sagte, man wolle diese Moschee als ein Zeichen der interreligiösen Zusammenarbeit des Friedens dem Papst zeigen, wenn er im November die Zentralafrikanische Republik besucht.

Jugend: Sprechen, statt zuhören

Aisha Ismail Adnan ist in Kenia in der Jugendarbeit tätig. Sie erzählte, dass viele Jugendliche frustriert und es leid seien, immer diejenigen zu sein, die zuhören müssen: „Sie wollen gehört werden“ und gestalten, sagte Adnan. „Gewalttätige Gruppen versuchen, die Jugend entlang religiöser Linien zu spalten“, sagte sie, doch um Religion ginge es ihnen nicht. Die aus Somalia stammende Al-Schabaab-Miliz verübte in Kenia bereits mehrere Anschläge. Sie würde den Islam für ihre Zwecke missbrauchen und junge Menschen dazu aufrufen, in Somalia zu kämpfen, sagte Adnan.

In Kenia würden sie unter Berufung auf den Islam Christen töten, in deren Heimat aber genauso Muslime ermorden. Auch jene, die Frieden stiften wollen, seien bereits ins Visier der Extremisten geraten und den Terroristen zum Opfer gefallen. Trotzdem sei gerade in Zusammenarbeit mit KAICIID viel intra- und interreligiöse Dialogarbeit auf höchster staatliche Ebene und an der Basis geleistet worden, so die junge Muslimin. Auch ein verwirrter Jugendlicher, der sich einer Terrororganisation anschließen hatte wollen, konnte laut Adnan davon abgehalten werden. Er habe durch den Dialog seine Geisteshaltung geändert.

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

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