Theologe: Russische Orthodoxie „Staatsideologie“

Eine „politische Orthodoxie“ ist nach Einschätzung des Oldenburger evangelischen Religionspädagogen Joachim Willems die „neue Ideologie des russischen Staates“.

Diese sei weitgehend säkularisiert, schreibt er in einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“; Montag-Ausgabe). Davon profitierten sowohl Staat als auch Kirche. So sei die orthodoxe Kirche zu einer „maßgeblichen Institution russischer Identitätsbildung“ geworden, schreibt der Wissenschaftler. Sie erhalte enteignete Gotteshäuser zurück, Religionsunterricht sei wieder ein Wahlpflichtfach, die Kirche erhalte Raum in den staatlichen Medien.

Ihre öffentliche Stimme benutze sie wiederum, „um die politische Führung zu unterstützen, Patriotismus zu predigen und Proteste gegen Wahlfälschungen, Korruption und andere Missstände zu diskreditieren“, so der Theologe.

Nicht nötig, an Gott zu glauben

Für die gemeinsame Ideologie sei es nicht nötig, an Gott zu glauben oder eine Religion zu praktizieren, so Willems weiter. „Das wenig verbindliche Bekenntnis zur ‚eigenen‘ Kultur reicht völlig aus.“ Dabei spielten sogenannte traditionelle Werte eine entscheidende Rolle, etwa bezüglich Sexualmoral und Geschlechterrollen.

Dieses Festhalten an „traditionellen Werten“ diene der Abgrenzung gegen den Westen, erklärte Willems. Russland wolle „sich mit den anderen nicht-westlichen ‚Kulturen‘ gegen die westliche Hegemonie zur Wehr setzen“. Das gehe aber nur, wenn man an seiner Kultur festhalte und diese nicht verwestlichen lasse.

So würden bestimmte Religionsgemeinschaften wie Baptisten und Pfingstkirchen zu „ausländischen“ und „nichttraditionellen“ Gruppen erklärt. Auf politischer Ebene wolle Russland sich ebenfalls vom Westen abgrenzen und einem „Selbstbild als (international noch verkannter) Weltmacht entsprechen“.

religion.ORF.at/KAP

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