Mindestsicherung: „Augenmaß nehmen an der Not“

Selbst wenn es im Ringen um die Reform der bedarfsorientierten Mindestsicherung nicht gelingt, zu einer bundesweit einheitlichen Lösung zu kommen, hofft Caritas-Präsident Michael Landau, „dass alle Bundesländer Augenmaß nehmen an der Not der Betroffenen“.

Das sagte Landau am Dienstag gegenüber Kathpress im Rückblick auf eine Begegnung von Spitzenpolitikern der SPÖ und ÖVP in der Gruft. Im Koalitionsstreit um die Verlängerung der bedarfsorientierten Mindestsicherung hatte die Caritas am Montagnachmittag in der Obdachloseneinrichtung „Gruft“ in Wien-Mariahilf einen Vermittlungsversuch zwischen den Politikern gestartet.

Bundeskanzler Christian Kern und Caritas-Präsident Michael Landau (r.) in der gRuft auf Einladung der Caritas

APA/Herbert Pfarrhofer

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Caritas-Präsident Michael Landau (r.) in der „Gruft“

Das Bemühen des Caritas blieb erfolglos. Bundeskanzler Christian Kern, Sozialminister Alois Stöger (beide SPÖ), ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka und die Wiener Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) folgten der Einladung, der angestrebten österreichweiten Regelung der Mindestsicherung kam man aber nicht näher.

Film als Gedankenanstoß

Die Caritas hatte vor dem Hintergrund der mittlerweile brachliegenden Regierungsverhandlungen über die Mindestsicherung dazu eingeladen, den Cannes-prämierten Film „I, Daniel Blake“ des britischen Regiealtmeisters Ken Loach rund um einen Mann, der nach einem Schicksalsschlag um die ihm zustehenden Sozialleistungen kämpfen muss, noch vor dem Kinostart am 25. November als Ausgangspunkt für den unmittelbaren Austausch mit Notleidenden und als Gedankenanstoß für die österreichische Sozialpolitik zu nutzen.

Sozialminister Alois Stöger, Wiens Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (beide SPÖ), Bundeskanzler Christian Kern,ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka, Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner (re.)

APA/Herbert Pfarrhofer

V. li.: Sozialminister Alois Stöger, Wiens Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely, Bundeskanzler Christian Kern (alle SPÖ), ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka und Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner vor der „Gruft“

Bitten um „Nachdenklichkeit“

Landau zollte den Spitzenpolitikern im Kathpress-Gespräch Respekt, die der Einladung in die „Gruft“ gefolgt waren, vor allem aber den in prekären Verhältnissen lebenden Frauen, die von ihrer Lebenssituation erzählten.

„Ich glaube, dass am Gespräch miteinander kein Weg vorbeiführt“, das Zuhören jenen gegenüber, die von Einsparungen beim sozialen Netz betroffen wären, „löst vielleicht doch ein Stück Nachdenklichkeit aus“, so die Hoffnung des Caritas-Chefs. „Um diese Nachdenklichkeit bitte ich.“ Die Zukunftsfähigkeit und das „menschliche Antlitz“ einer Gesellschaft zeigt sich nach den Worten Landaus daran, wie sie mit den Menschen an den Rändern umgeht.

Landau hatte bei dem Termin am Montag um „Vorrang der Menschen vor der Ideologie“ gebeten. Den Betroffenen finanziellen Missbrauch und Schmarotzertum zu unterstellen, sei verletzend. Er appellierte dafür, nicht nur auf die Stimmen am Stammtisch zu hören. Er habe die Hoffnung auf eine österreichweite Lösung noch nicht aufgegeben, die sich an der Not und der Wirklichkeit der Menschen orientiere, so Landau.

Appelle seitens der Kirchen

Bereits vergangenen Montag hatte der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn mit einem Brief an die Bundesregierung aufhorchen lassen. Er rief darin den Bundeskanzler dringend dazu auf, sich für den Erhalt der bestehenden Mindestsicherung einzusetzen. Auch der evangelische Bischof Manfred Bünker äußerte sich kritisch zu der Diskussion über die Kürzung der Mindestsicherung.

Politiker zu Gast bei Caritas-Präsident Michael Landau in der Gruft

APA/Herbert Pfarrhofer

Gespräche mit Betroffenen in der „Gruft“

Bewegt, aber kein Entgegenkommen

Der Termin sollte dazu dienen, die Politiker in Kontakt mit jenen Menschen zu bringen, um die es bei der Mindestsicherung geht. Nach dem Gespräch etwa mit Mindestpensionistin Rosi und der arbeitslosen, teilweise auf der Straße schlafenden Ex-Flugbegleiterin Diana zeigten sie sich alle bewegt, waren vor Journalisten dann aber zu keinem weiteren Entgegenkommen an den Koalitionspartner bereit.

„Das könnts euch aufpicken“

„Ich persönlich stehe nicht zur Verfügung, bestimmte Limits zu unterschreiten“, meinte etwa Kern bezüglich der Kürzungsforderungen der ÖVP. Das wäre „moralisch illegitim“. Stöger verwies auf die bisherigen Erfolge der Mindestsicherung, und Wehsely sagte zu Lopatka und dessen Forderung nach weiteren Konzessionen der SPÖ: „Das könnts euch aufpicken.“ Es liege an der Volkspartei, sich zu bewegen.

Lopatka pochte hingegen auf die Forderungen seiner Partei. Ein Deckel nach oben, weniger Leistungen für Neuankömmlinge im Land und mehr Sachleistungen halte er für gerechtfertigt. „Das wird schwierig“, so Kerns Fazit über die Chance, vor Jahresende eine österreichweite Lösung zustande zu bringen.

religion.ORF.at/APA/KAP

Mehr dazu:

Link: