Nonne Juana Ines de la Cruz: Pionierin des Feminismus

Juana Ines de la Cruz ist die bedeutendste lateinamerikanische Poetin des 17. Jahrhunderts. „Feministisch“ setzte sie sich damals für die Rechte der Frauen ein und verfasste Liebes- und gesellschaftskritische Gedichte. Eine Auswahl davon wurde nun neu übersetzt.

Die Überlieferung berichtet, dass Juana Ines eine schöne, hoch intelligente, gebildete und sehr gesellschaftskritische Frau war. Die damals in Mexico (spanische Kolonie Neu-Spanien) herrschende Doppelmoral prangerte sie mit spitzer Feder an und sprach offen Themen wie Verführung und Sexualität an - etwa was die Prostitution betrifft:

„Ihr albernen Männer! Wenn ihr die Frau an den Schandpranger stellt, so seht ihr nicht, dass ihr selber verursacht, was euch missfällt. Wie hättet ihr sie denn gern, die Dame, die Frau eurer Wahl, wenn die Spröde euer Gefühl kränkt, die Willige eure Moral? Und wer trägt die größere Schuld, wenn man beider Vergehen vergleicht: Sie, die für’s Sündigen Geld nimmt, oder er, der die Rechnung begleicht?“, so Übersetzerin Heidi König-Porstner in der Ö1-Senung „Erfüllte Zeit“ am 15.8.2017.

Gemälde der Dichterin und Nonne Juana Ines de la Cruz von Miguel de Herrera (1700 - 1789)

Public Domain

Juana Ines de la Cruz (1648 oder 1651 - 1695) dargestellt vom Augustinermönch Miguel de Herrera (1700 - 1789)

Erste Feministin

Die Ordensfrau im Mexico des späten 17. Jahrhunderts wird oft als erste Feministin bezeichnet, denn sie setzte sich für die Rechte von Frauen ein, besonders auf Bildung. Ungewöhnlich wie ihr Werk ist auch Juanas Biografie: Sie war die uneheliche Tochter einer starken Frau, die ein Gut, eine Hacienda, führte, und lernte angeblich bereits mit drei Jahren lesen und schreiben. Mit spätestens 16 Jahren kam sie an den Hof des Vizekönigs in Mexico Stadt und wurde zur Gesellschaftsdame der Vizekönigin Leonor Carreto („Laura“), die Juana förderte und als ihre Mentorin wirkte.

Juana wollte nicht heiraten, sondern sich mit Literatur und Wissenschaft befassen und entschloss sich mit etwa 20 Jahren, ins Kloster zu gehen. Sie trat in den Orden der Hieronymitinnen ein. Dort nutzte sie die Möglichkeit, ihr Wissen auszuweiten und Gedichte zu schreiben. Sie verfasste geistliche und weltliche Texte, großteils Auftragswerke. Viele ihrer Liebesgedichte richten sich auch an Maria Luisa (von ihr als „Lysi“ oder „Phyllis“ bezeichnet), die Nachfolgerin Leonors, mit der sie eine innige Freundschaft verband.

Buchcover zum Gedichtband "Sor Juana Inés de la Cruz. Nichts Freieres gibt es auf Erden"

Konkurs Verlag Claudia Gehrke

Heidi König-Porstner, Sor Juana Ines de la Cruz. Nichts Freieres gibt es auf Erden. Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke, 200 Seiten.

Liebesleben bleibt Geheimnis

König-Porstner schreibt in ihrer ausführlichen biografischen Einleitung in dem am 17. August 2017 erscheinenden Gedichtband „Sor Juana Ines de la Cruz - Nichts Freieres gibt es auf Erden“: „Es wurde heftig darüber gestritten, wie sich diese Liebe gestaltet haben mag. Ob sich im Falle der beiden von lesbischer Liebe sprechen lässt; welcher Art Juanas sexuelle Orientierung im Allgemeinen gewesen sein mag; ob derlei Begriffe späterer Jahrhunderte auf eine Nonne des 17. Jahrhunderts überhaupt anwendbar seien – und dergleichen mehr. Die Datenlage ist dürr, die Bandbreite der Meinungen riesig – historisch sind diese Fragen letztlich nicht zu beantworten.“ Juana habe im Kloster, Maria Luisa im Palast gelebt, Besuche wurden durch Gitter empfangen, betont König-Porstner.

Jungfrau Maria als Astronomin

Jenseits aller Spekulationen, aller vermeintlich oder tatsächlich für die damalige Situation so ungewöhnlichen Gefühle, bleibt der Blick auf eine Ausnahmepersönlichkeit. Was feministische Theologinnen im 20. Jahrhundert getan haben, hat Juana schon 300 Jahre zuvor gemacht: Auf die großen Frauengestalten der christlichen Überlieferung hingewiesen.

Allen voran auf Maria, die Juana - wie damals auch andere Künstler - als Astronomin und Logikerin darstellte. Die Astronomie sei damals eine prestigeträchtige Wissenschaft gewesen, so König-Portstner in der „Erfüllten Zeit“. Allerdings auch eine, die zu Konflikten mit dem vatikanischen Lehramt führen konnte, man denke nur an den Fall Gallilei.

Auf Gleichwertigkeit der Frauen hingewiesen

Maria als Astronomin darzustellen, hat eine gewisse Logik. Die Himmelskönigin - so ihr Ehrentitel - kennt sich aus in ihrem Reich, weiß um seine Ausmasse und seine Beschaffenheit. Sie sei die beste Vermesserin des Himmels, weil sie selbst die Geradlinigste sei, so die Übersetzerin.

Juana weiß, wie sie in ihren Umfeld argumentieren muss. Sie verlegt sich darauf, die christliche Tradition für sich nutzbar zu machen, indem sie Beispiele von heiligen Frauengestalten aufgreift und diese als Argumente für den Zugang zu höherer Bildung von Frauen verwendet, erklärte König-Porstner. Damit habe sie auch auf die Gleichwertigkeit der Frau in geistiger und intellektueller Hinsicht hingewiesen, die in Neuspanien vom Gesetz her nicht gegeben gewesen sei.

Sendungshinweis:

Erfüllte Zeit vom 15.8.2017 zum Nachhören

„Ich, die Schlechteste von allen“

In der Kirche hatte Juana sowohl Unterstützer als auch Gegner. Die gesellschaftlichen Entwicklungen wurden für Juana jedoch widriger, mit der Zeit verlor der Vizekönig an Macht und die konservative Geistlichkeit gewann an Einfluß und brachte Juana zum Verstummen. 1694 unterzeichnete sie eine Urkunde, in der sie um Verzeihung bat, als Nichtreligiöse in einer religiösen Gemeinschaft gelebt zu haben und gelobte, nur noch für Gott zu leben.

Unterschrieben habe sie das Dokument nicht mit Tinte, sondern mit ihrem eigenen Blut, mit den Worten „Ich, die Schlechteste von allen“. Unter diesem Tiel wurde ihr Leben 1990 auch verfilmt.

Gläubig und hoch gebildet

Juana Ines de la Cruz war keine Mystikerin, aber eine gläubige und theologisch hoch gebildete Frau, meint Heidi König-Porstner - eine Feministin, lange bevor es diesen Begriff überhaupt gab. Sie starb ein Jahr nach Unterzeichnung der Urkunde mit 44 oder 47 Jahren (je nach angenommenem Geburtsjahr) an der Pest.

Das Buch „Sor Juana Ines de la Cruz - Nichts Freieres gibt es auf Erden“ erscheint am 17.8.2017 und ist ab September im österreichischen Buchhandel erhältlich. Vorbestellungen können über den Verlag sofort getätigt werden.

Brigitte Krautgartner, Ö1, Nina Goldmann, Bearbeitung für religion.ORF.at

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