Benedikt verfolgte Trauerfeier für Bruder online

Der frühere Papst Benedikt XVI. hat nicht an dem feierlichen Requiem für seinen Bruder Georg Ratzinger teilgenommen. Er sah sich das Requiem via Livestream im Internet an, berichtete der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer.

Bei einem feierlichen Requiem im Regensburger Dom nahmen Kirchenvertreter und Weggefährten am Mittwoch Abschied vom einstigen Domkapellmeister Georg Ratzinger. Sein jüngerer Bruder, der emeritierte Papst Benedikt XVI., war nicht zur Trauerfeier aus dem Vatikan angereist.

Benedikt verabschiedete sich in persönlichen Worten von seinem am 1. Juli verstorbenen älteren Bruder. „Vergelt’s Gott, lieber Georg, für alles, was Du getan, erlitten und mir geschenkt hast!“, heißt es in einem Schreiben des früheren Kirchenoberhaupts an Voderholzer, das beim Requiem von Benedikts Privatsekretär, Erzbischof Georg Gänswein, verlesen wurde. Gänswein musste dabei mehrfach um Fassung ringen.

Benedikt XVI. auf dem Münchener Flughafen nach seinem Besuch in Regensburg

APA/dpa/Sven Hoppe

Benedikt verfolgte das Requiem für seinen Bruder via Livestream, Kurienerzbischof Georg Gänswein (li.) reiste nach Bayern.

Ratzinger, der von 1964 bis 1994 den weltbekannten Knabenchor Regensburger Domspatzen geleitet hatte, war am vergangenen Mittwoch im Alter von 96 Jahren gestorben. Sein Bruder Benedikt hatte ihn zwei Wochen zuvor noch überraschend in Regensburg am Krankenbett besucht.

Aussicht auf „neues Miteinander“

In seinem Schreiben gab Benedikt Einblick in seine überraschende Reise nach Regensburg ans Krankenbett seines Bruders am 18. Juni. „Er hat nicht um einen Besuch von mir gebeten. Aber ich spürte, dass es die Stunde war, um noch einmal zu ihm zu fahren. Für dieses innere Zeichen, das der Herr mir geschenkt hat, bin ich zutiefst dankbar.“

Als er sich am 22. Juni unmittelbar vor dem Rückflug nach Rom morgens bei ihm verabschiedete, hätten beide gewusst, „dass es ein Abschied aus dieser Welt für immer sein würde. Aber wir wussten auch, dass der gütige Gott, der uns auf dieser Welt dieses Zusammensein geschenkt hat, auch in der anderen Welt regiert und uns dort ein neues Miteinander schenken wird.“

Würdigung als Kirchenmusiker

Bischof Voderholzer würdigte bei der Totenmesse das Wirken Georg Ratzingers als Priester und Kirchenmusiker und sprach von einer „Doppelberufung“ und einem „bleibenden Vermächtnis“ nicht nur für die Kirche von Regensburg. Ratzingers Lebensleistung verdeutliche, dass Kirchenmusik keine „äußerliche Zutat“ zum christlichen Gottesdienst sei. Sie sei selber „ein Medium der Evangelisierung“, Chorarbeit und Instrumentalunterricht ein geistlicher Beruf.

Georg Ratzinger habe einen Anspruch auf höchste Qualität mit großer Menschlichkeit verbunden. Davon zeuge die „überwältigende Resonanz“ auf das digitale Kondolenzbuch der Diözese Regensburg. „Es gehört zu seiner Größe, dass er in der Rückschau auch Fehler eingeräumt und dafür um Verzeihung gebeten hat“, fügte der Bischof hinzu.

„In Rückschau Fehler eingeräumt“

In die Zeit von Ratzingers Wirken als Leiter der Regensburger Domspatzen fielen zahlreiche Fälle von Missbrauch an Kindern im Chor. Einem Bericht aus dem Jahr 2017 zufolge waren über 500 Kinder Opfer körperlicher und sexueller Gewalt. Dem Bericht zufolge traf auch den früheren Domkapellmeister Ratzinger eine Mitschuld: Ihm seien „sein Wegschauen, fehlendes Einschreiten trotz Kenntnis vorzuwerfen“. Es hätten sich jedoch keine Erkenntnisse ergeben, dass Ratzinger von sexueller Gewalt gewusst habe.

Nach der Totenmesse wird Georg Ratzinger zu Mittag im Stiftungsgrab der Domspatzen auf dem Unteren Katholischen Friedhof in Regensburg beigesetzt. Aufgrund der Coronavirus-Situation war die Zahl der Plätze im Dom während des Requiems eingeschränkt. Unter den Trauergästen waren Benedikts Privatsekretär Georg Gänswein sowie Kardinal Reinhard Marx, der Erzbischof von Freising und München.

religion.ORF.at/dpa/KAP

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