Nach Erdbeben: „Keine einzige Kirche mehr“

Zwei Tage nach dem Erdbeben in Mittelitalien sind die Umstände für die Bestattung der Toten teilweise noch ungeklärt. Es gebe „keine einzige Kirche mehr“, so der Bürgermeister. Die Trauerfeiern müssten im Freien stattfinden.

Der Bürgermeister des weithin zerstörten Ortes Amatrice, Sergio Pirozzi, sagte, er wisse nicht, wann und wie die Todesopfer aus seiner Gemeinde beerdigt werden könnten. Sicher sei nur, dass sie in ihrer Heimatstadt beigesetzt würden, sagte der Bürgermeister laut italienischen Medien vom Freitag.

Opfer in Dom verabschiedet

Die Todesopfer der Region Marken werden am Samstag mit einem Gottesdienst im Dom von Ascoli Piceno verabschiedet. Papst Franziskus hat sechs Beamte der vatikanischen Gendarmerie als Helfer ins mittelitalienische Erdbebengebiet entsandt, wie es am Donnerstag hieß. Trauerfeiern für die Opfer sind wegen zerstörter Kirchen nur im Freien möglich.

Feuerwehrmann vor Trümmern nach Erdbeben in Pescara del Tronto, Italien

Reuters/Max Rossi

Trümmer in Pescara del Tronto

Bereits am Mittwoch, dem Tag der Katastrophe, hatte Franziskus sechs vatikanische Feuerwehrleute ins besonders zerstörte Amatrice beordert, um den staatlichen Rettungsorganisationen bei der Suche und Versorgung der Opfer zu helfen. Der Vatikan sprach von einem „konkreten Zeichen der Nähe des Heiligen Vaters mit den betroffenen Menschen“.

Gebet mit Klarissen für Opfer

Am Donnerstag betete Franziskus während seiner Morgenmesse im vatikanischen Gästehaus Santa Marta für die Opfer des Bebens. Die üblicherweise in strenger Abgeschiedenheit lebenden Klarissen aus Spello bei Perugia waren im Rahmen einer Pilgerfahrt zu Besuch im Vatikan und feierten die Messe mit dem Papst, wie die Vatikan-Zeitung „Osservatore Romano“ (Freitag-Ausgabe) berichtete. Ihr Kloster Santa Maria di Vallegloria war bei dem Erdbeben 1997 schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Erst 2011 konnten die Nonnen laut der Zeitung in ihren Konvent zurückkehren.

Bereits bei seiner Generalaudienz am Mittwoch hatte er statt der vorgesehenen Bibelauslegung gemeinsam mit den Pilgern einen Rosenkranz für die Toten, Verwundeten und Angehörigen gebetet - mehr dazu in Papst: „Großer Schmerz“ über Erdbeben in Italien.

Schwere Schäden an 293 historischen Bauten

Durch das Erdbeben in Mittelitalien sind laut einer ersten Bilanz mindestens 293 historisch bedeutende Bauten zerstört oder schwer beschädigt worden, sagte Kulturminister Dario Franceschini laut Medienberichten am Donnerstag in Rom. Dazu gehörten Dutzende Kirchen- und Klostergebäude. Die Erhebung beziehe sich jedoch nur auf die Region im Umkreis von 20 Kilometern um das Epizentrum des Bebens. Die Zahl der Schadensmeldungen werde noch steigen, ergänzte die Generalsekretärin des Ministeriums, Antonia Pasqua Recchia.

Der beschädigte Glockenturm in Amatrice

APA/AFP/Andreas Solaro

Beschädigter Glockenturm in Amatrice

Am Sitz des Kulturministeriums hatte am Donnerstag eine Krisensitzung mit der für Kulturgüter zuständigen Sonderabteilung der Polizei stattgefunden. Derzeit dürfen den Angaben zufolge aus Sicherheitsgründen noch nicht einmal Experten der Kulturbehörden, sondern nur Carabinieri der Sondereinheit erste Begutachtungen der Baudenkmäler im Katastrophengebiet vornehmen.

Kunstwerke im Schutt

Franceschini betonte, die erste Sorge gelte selbstverständlich den Menschen. Mit Blick auf einen künftigen Wiederaufbau der zerstörten oder beschädigten Kulturgüter gelte es aber, schon bei den Räumungsarbeiten aktiv zu werden; die Trümmer kulturgeschichtlich wertvoller Gebäude würden bei deren Restaurierung benötigt. Auch lägen im Schutt Kunstwerke wie Bilder oder Skulpturen.

Die historischen Ortskerne der getroffenen Gemeinden sollten so wiederaufgebaut werden, „wie sie noch vor ein paar Stunden waren“, sagte Franceschini. Amatrice, ein weithin zerstörtes Bergstädtchen, sei eine der schönsten historischen Ortschaften Italiens gewesen. Der Wiederaufbau sei möglich, aber ein weiter Weg, so der Minister weiter. Eine „große Herausforderung“ liege nun darin, die Bedürfnisse öffentlicher, kirchlicher und privater Kulturgüter in Einklang zu bringen. Hinzu komme das Problem der bereits zuvor bestehenden Abwanderung aus den Gebirgsorten, da dort die Arbeitsplätze fehlten.

Kirche San Benedetto einsturzgefährdet

Schwere Schäden werden auch aus Norcia (Nursia), dem Geburtsort des Ordensgründers Benedikt, Begründer des abendländischen Mönchtums, gemeldet. Die Kirche San Benedetto sowie Teile der historischen Stadtmauern sind einsturzgefährdet.

Am Dom von Urbino in den Marken zeigten sich Risse in der Fassade. Das Castello della Rancia in Tolentino, eine Festung aus dem 14. Jahrhundert, wurde für unzugänglich erklärt. Auch der Dom von Macerata, ein ins 10. Jahrhundert zurückreichendes, neoklassizistisch überarbeitetes Gotteshaus, wurde von der Diözesanleitung wegen gravierender Schäden gesperrt.

UNESCO mobilisierte Krisentruppe

In dem weithin zerstörten Ort Amatrice sind die mittelalterlichen Kirchen Sant’Agostino und San Francesco stark in Mitleidenschaft gezogen. Auch in Camerino rund 100 Kilometer nördlich stürzten durch die Erdstöße am Mittwoch Teile des Klosters Santa Chiara ein.

Laut einem Bericht des italienischen Fernsehens mobilisierte das Kulturministerium seine Kriseninterventionstruppe, die sogenannten Kultur-Blauhelme. Die Spezialeinheit von Kriminal- und Kunstsachverständigen wurde erst im Februar gemeinsam von der Weltkulturorganisation UNESCO und Italien geschaffen. Sie sollen bedrohte Kulturgüter in Krisen und bewaffneten Konflikten schützen. Eine stärkere internationale Zusammenarbeit auf diesem Feld hatten die UNESCO-Mitgliedsstaaten im Juni 2015 in Bonn beschlossen.

religion.ORF.at/KAP

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