Bartholomaios I. begründet Eingreifen in Ukraine

Das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel kämpft nach eigenen Angaben dafür, dass die Orthodoxie „vor den Gefahren des Nationalismus, des sterilen Konservativismus und der Zurückweisung des Dialogs mit der Welt bewahrt wird“.

Das hat der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. bei einem Gottesdienst in Istanbul aus Anlass des 150-Jahr-Jubiläums der Zwölf-Apostel-Pfarre im Bezirk Feriköy betont. Dabei nahm der Patriarch zugleich Stellung zur Auseinandersetzung mit dem russisch-orthodoxen Moskauer Patriarchat um die orthodoxe Kirche in der Ukraine, wie der Informationsdienst der Stiftung „Pro Oriente“ am Mittwoch berichtete.

Hilfe für „orthodoxes Volk“

Es sei undenkbar, sagte Bartholomaios demnach, dass das Ökumenische Patriarchat „im Hinblick auf die Heiligen Kanones und die Verantwortung für Einheit und Stabilität der Orthodoxie“ angesichts der Tatsache gleichgültig bleibe, dass „ein orthodoxes Volk“ wie das ukrainische leidet und eine Lösung der kirchlichen Probleme sucht, die es „seit Jahrhunderten“ bedrängen. Dieses Volk habe sich an das Patriarchat gewandt, dort Hilfe und Schutz gesucht.

Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I.

APA/Herbert Pfarrhofer

Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. begründete sein Eingreifen in der Ukraine mit Hilfe für das „orthodoxe Volk“

„Nicht wegen weltlicher Macht“

Wörtlich fügte der Patriarch von Konstantinopel hinzu: „Wir sind verpflichtet, auf der Basis von authentisch kirchlichen, wahrhaft universellen und übernationalen Kriterien einzugreifen, um der Wahrheit und der Tradition der Kirche, aber auch der Verteidigung der kanonischen Ordnung und der Identität der Orthodoxie willen. Wir tun dies zur Auferbauung des Leibes Christi und nicht um unseretwillen oder um weltliche Macht zu zeigen. Wenn wir nicht handelten, würden wir vor Gott und der Geschichte schuldig sein.“

„Förderung globaler orthodoxer Kultur“

Dem Ökumenischen Patriarchat gehe es um den Menschen und seine existenziellen Probleme, um auf der Grundlage der von Gott gestifteten Werte und der orthodoxen Tradition die großen Herausforderungen der Zeit zu bewältigen, setzte Bartholomaios fort.

Es gehe nicht nur um die Lösung der interorthodoxen Probleme, sondern auch um die Förderung der globalen orthodoxen Kultur und der unverzichtbaren Werte der kirchlichen Tradition, die Verteidigung des geheiligten Charakters der menschlichen Person und der natürlichen Umwelt, der Solidarität und des Dialogs, der Einheit und der Zusammenarbeit, des Friedens und der Versöhnung.

Ob es Moskau „recht ist oder nicht“

Die Vorrechte des Ökumenischen Patriarchats seien begründet in den Entscheidungen der Konzilien und für die gesamte Orthodoxie rechtlich bindend. Offensichtlich könnten „unsere slawischen Brüder“, so Bartholomaios, den Primat des Ökumenischen Patriarchats und der griechischen Nation innerhalb der Orthodoxie nicht akzeptieren.

„Ob es unseren russischen Brüdern recht ist oder nicht, bald werden sie sich hinter die Entscheidung des Ökumenischen Patriarchats stellen müssen, weil sie keine andere Wahl haben werden“, sagte der Patriarch wörtlich. Er sei sich aber wohl bewusst, dass von russischer Seite viel Geld ausgegeben werde, um „hasserfüllte Propaganda“ und eine „schwarze Legende“ gegen das Ökumenische Patriarchat in Umlauf zu setzen.

Hilarion: „Bartholomaios hat das Schisma gewählt“

Der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion (Alfejew), setzte derweil seine Serie an Interviews mit scharfen Angriffen gegen den Ökumenischen Patriarchen fort. „Patriarch Bartholomaios hat das Schisma gewählt. Er hatte die Wahl, das Koordinationszentrum aller orthodoxen Kirchen oder im Schisma zu sein“, sagte er im Gespräch mit der italienischen katholischen Nachrichtenagentur SIR.

Hilarion betonte in dem Interview aber auch, dass der Vorgang „reversibel“ und eine Rückkehr zur Normalität möglich sei, wenn der Patriarch von Konstantinopel seine Entscheidungen im Hinblick auf die Ukraine widerrufe „und sich der Familie der orthodoxen Kirchen wieder anschließt“.

Panorthodoxe Versammlung angeregt

Die russisch-orthodoxe Kirche plädiere ebenso wie das Patriarchat von Antiochien für die Abhaltung einer panorthodoxen Versammlung zur Lösung der Ukraine-Frage. Leider, so der russisch-orthodoxe Metropolit, sei Konstantinopel damit nicht einverstanden, weil man der Auffassung sei, dass die Zuerkennung der Autokephalie in der Kompetenz des Ökumenischen Patriarchats liege. Moskau sei anderer Auffassung.

Hilarion verwies gegenüber SIR zudem darauf, dass die aktuellen Entwicklungen auch schwerwiegende Auswirkungen auf den ökumenischen Dialog haben. Das Moskauer Patriarchat werde sich an keinen Gremien beteiligen, in denen das Patriarchat von Konstantinopel den Vorsitz oder den stellvertretenden Vorsitz führt, sagte der Metropolit.

Für Beobachter ist dies ein klarer Hinweis auf die internationale Kommission für den offiziellen theologischen Dialog zwischen katholischer und orthodoxer Kirche; der Koordinierungsausschuss dieser Kommission soll demnächst im italienischen Kloster Bose zusammentreten.

Kiewer Patriarchat umbenannt

Das von Patriarch Bartholomaios geleitete Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel hatte zuletzt weitere Schritte in Richtung der Bildung einer eigenständigen (autokephalen) ukrainisch-orthodoxen Landeskirche gesetzt.

Unter anderem wurden die zwei vom orthodoxen Moskauer Patriarchat abgespaltene Kirchen in der Ukraine anerkannt und der von Moskau gegen deren Oberhäupter verhängte Kirchenbann aufgehoben. Die russisch-orthodoxe Kirche reagierte daraufhin mit der Aufkündigung der Kirchengemeinschaft mit Konstantinopel.

Kiew als „Mutter der russischen Länder“

In einem Interview mit der griechischen Website „Romfea“ (Montag) übte der Moskauer Außenamts-Leiter Hilarion auch scharfe Kritik an der jüngst erfolgten Neubenennung des von Konstantinopel nun wieder anerkannten „Kiewer Patriarchats“. Dessen Führungsgremium hatte dem Kirchenoberhaupt, Patriarch Filaret (Denisenko), am Samstag den Titel „Seine Heiligkeit Filaret, Erzbischof und Metropolit von Kiew, der Mutter der russischen Länder, heiliger Archimandrit des Kiewer Höhlenklosters und der Lawra von Potschajew“ verliehen.

Wörtlich sagte Hilarion: „Diese ganze Farce zeigt nur zu deutlich, dass die - damals von allen orthodoxen Kirchen einschließlich Konstantinopels anerkannte - Moskauer Entscheidung von 1997, Filaret zu exkommunizieren, richtig war. Filaret kann sich so viel Titel zulegen wie er will, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass er nie Patriarch war und es nicht ist“.

religion.ORF.at/KAP

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